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2012-02-03 Kommentar:

Zur "Affäre Wulff
"
 

Das Amt des Bundespräsidenten
sollte bald wieder besetzt werden

 
ape. Wulff, Wulff, Wulff. Jeden Tag schwappen neue Enthüllungen, Verdächtigungen, Vorwürfe durch die Medienlandschaft. Längst hat das Publikum den Überblick verloren, was da schon erwiesener Tatbestand ist, was erst Anfangsverdacht, was bloße Vermutung. Längst überschaut man auch nicht mehr, welcher Wulff-Version diese oder jene Verfehlung zur Last gelegt wird: dem Rechtsanwalt, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten, dem Bundespräsidenten? Wird womöglich in manchem Einzelfall Wulff einfach angekreidet, was einer seiner Mitarbeiter – etwa der seltsame Herr Glaeseker – verbockt, verbrochen hat? Und: Machen hier nicht sowieso die Medien fortwährend aus Mücken Elefanten, aus allzu menschlichen Petitessen eine schlagzeilenträchtige Staatsaffäre?

Wie gerne würde man von der „Affäre Wulff“ nichts mehr sehen, hören, lesen. Abhaken die Sache, zu den Akten legen, vergessen. Aber so funktioniert das nun mal nicht in der Demokratie. Die Presse rollt alle Fäden immer weiter auf, derer sie habhaft wird. Das ist ihre Aufgabe. Wehe, sie unterließe es, und nach zehn Jahren käme zufällig heraus, was jetzt herausgekommen ist. Gewiss, es sind  auch mutwillige Zu- und Überspitzungen im Spiel. Die moderne Neigung zur schnellen wie lauthalsen Skandalisierung von allem und jedem nimmt das höchste Staatsamt nicht mehr aus. Dennoch aber bleibt Faktum: Kern und Ursache dieser Affäre ist das Verhalten von Christian Wulff selbst.

Niemand will oder braucht einen Heiligen auf dem Bundespräsidentenstuhl. Aber gerade weil das Amt per se keine Machtposition ist, sondern eher ein Symbol, wünscht man sich als Inhaber doch zumindest eine kluge, integre, anständige und gestandene Persönlichkeit. Eine, die mit geistreicher und mutiger Rede das Amt füllt und wichtig macht für das Selbstverständnis der Republik. Eine, die Abstand zu halten weiß von Gestalten, wie sie sich oft in der Grauzone zwischen Staatspolitik und Wirtschaftslobby herumtreiben, im Volksmund Schlawiner genannt. Eine Persönlichkeit auch, die den Unterschied zwischen politischem Tun und Privatinteresse kennt, die Grenzen anerkennt und dort nicht ihrerseits eine Grauzone entstehen lässt – sei es aus Berechnung oder aus Naivität. Eine, die zudem so viel Gespür für Menschen hat, dass sie nicht halbseidene Strippenzieher zu engsten Mitarbeitern macht.

Herr Wulff ist keine derartige Persönlichkeit. Diese Erkenntnis bleibt, selbst wenn man die mediale Aufarbeitung „der Affäre“ während der vergangenen Wochen für eine überzogene, gar gehässige Kampagne hält. Die erwiesenen Fakten und Verhaltensweisen sowie Wulffs eigene Salami-Taktik bei der Aufklärung offenbaren einen Amtsinhaber, dem es sichtlich an staatsmännischer, erst recht präsidialer Statur mangelt. Freundliches Wesen, angenehmes Auftreten und gepflegtes Benehmen in der Öffentlichkeit machen eben noch keinen Bundespräsidenten von Format. Dieser Befund lässt sich auch nicht durch den Verweis entkräften, andere Leute würden an anderer Stelle ebenfalls private Vorteile aus ihren Ämtern und Positionen ziehen. Schlimm genug, dass es so ist, muss nicht obendrein das Staatsoberhaupt schlechtes Beispiel geben.

Was nun? Wulff will nicht gehen. Und die politische Klasse zeigt überwiegend eine ziemliche Scheu vor einem neuerlichen außerplanmäßigen  Wechsel in Schloss Bellevue –  keine zwei Jahre nach dem Köhler-Rücktritt. Solche Furcht vor einem dann vielleicht aufkommenden  Geruch politischer Instabilität ist zwar verständlich, aber sie ist sinnlos. Denn Deutschland hat schon jetzt nur noch der Form nach einen Bundespräsidenten. Ein Teil der Öffentlichkeit hat Mitleid mit Wulff, ein anderer Teil bloß noch Verachtung für ihn übrig. Damit steht das Amt quasi „leer“, weil dessen formaler Inhaber seines wichtigsten Instrumentes beraubt ist: Der glaubhaften Rede einer allseits geachteten Persönlichkeit an Nation und Bürger. Je rascher das Amt einen neuen Inhaber bekommt, umso besser für die Republik. Und es wird sich doch in Deutschland noch ein Mann oder eine Frau von angemessenem Format finden lassen. Oder?                          
Andreas Pecht               

(Erstabdruck 03. Februar 2012)

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