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2012-01-27a Feature:


Kulturbüro Rheinland-Pfalz
verlässt sein „Geburtshaus“

Nach 18 Jahren wurde es Lukas Nübling und seiner wachsenden Mannschaft in der Koblenzer Kufa zu eng


ape. Koblenz/Lahnstein. Rund 18 Jahre war das „Kulturbüro Rheinland-Pfalz“ in der Kulturfabrik Koblenz (Kufa) daheim. Dort stand seine Wiege, dort wuchs und wuchs es: vom Ein-Mann-Schreibtisch zur Institution von der schieren Größe eines mittelständischen Unternehmens. Auf 14 Mitarbeiter schwoll 2011 der Personalstand an, über den Geschäftsführer Lukas Nübling verfügt. Da platzten die Büroräume im zweiten Obergeschoss der Kufa wegen Überfüllung vollends aus den Nähten. Schweren Herzens trennte sich deshalb das Kulturbüro nun zum Jahreswechsel von seinem „Geburtshaus“ und zog um – aus der alten Fabrik an der Koblenzer Mayer-Alberti-Straße in eine alte Fabrik an der Koblenzer Straße auf Lahnsteiner Gemarkung.  


Ortstermin dort. Die Nachbarschaft ist, wie sie halt ist in einem außerörtlichen Gewerbegebiet des frühen 21. Jahrhunderts: Simple Kastenbauten für Supermärkte und Discounter, für Baumarkt,  Tankstelle und Autohaus; dicht umstanden von Werbebannern und -plakaten; autofreundlich hergerichtet mit Parkplatzflächen die Menge. Die einzigen historischen Gebäude dort sind nach meinem Augenschein die noch aufs frühe 20. Jahrhundert zurückgehenden Backsteinhallen der Drahtwerke Schmidt. Die alten Gemäuer sind weitgehend verlassen, produziert wird nebenan. Doch im ehemaligen Verwaltungsgebäude herrscht wieder Leben, unter anderem dank des jetzt dort eingezogenen Kulturbüros.

Ein Drittel Bürofläche haben die 14 in Lahnstein hinzugewonnen; neben den auf zehn Zimmer verteilten Schreibtischen auch eigene Räume für Technik, Materiallager, Seminare sowie einen Sozialraum mit kleiner Küchenzeile. So lässt sich arbeiten – und die außerstädtische Lage abseits von Koblenz ist für das Kulturbüro kein Beinbruch, weil es sowas wie „Laufkundschaft“ ohnehin nicht hat. Dafür hat Lukas Nübling nun etwas, was er nie haben wollte: für sich allein ein „Chefbüro“, wie die Mitarbeiter sein Domizil ganz hinten am Ende des Flures augenzwinkernd nennen. So kann es gehen in einem Umfeld, in dem noch der offene, demokratieselige Geist der Soziokultur-Bewegung weht: Dem Geschäftsführer ward von der Belegschaft zugeteilt, was nach deren gemeinschaftlicher Raumverteilung in der neuen Unterkunft übrig blieb. Der 47-Jährige nimmt's mit Humor: „Die wollten mich halt aus den Füßen haben.“

Im Ernst: Die sonst weithin verbreitete leidige Statussymbolik betrieblicher Hierarchien spielt in dieser Einrichtung offenbar kaum eine Rolle. Es genügt wohl, wenn jeder um die Verteilung der Verantwortlichkeiten weiß und dann seine Arbeit gut macht. Und was für eine Arbeit ist das? Das Kulturbüro Rheinland-Pfalz ist eine Institution, die zwar selten öffentlich in Erscheinung tritt, ohne deren Tätigkeit es allerdings um die Kultur im Land wesentlich schlechter bestellt wäre. Gegründet wurde es 1993 von Stephan Bock als Dienstleistungseinrichtung für die rheinland-pfälzischen Kulturschaffenden. Genauer gesagt, handelt es sich um eine Einrichtung der ein Jahr zuvor, 1992, aus der Taufe gehobenen „Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziokultur und Kulturpädagogik Rheinland-Pfalz e.V.“ 22 Mitglieder hat diese LAG heute zwischen Oberwesterwald und Südpfalz, darunter Jugendzentren, Jugendtheater und Jugendkunstschulen, darunter Kulturzentren wie das Haus Felsenkeller im Westerwald, die Kufa Koblenz oder der Kulturverein Wespennest in Neustadt.

Bock betrieb das Kulturbüro in der Kufa anfangs als Ein-Mann-Einrichtung, stellte 1994 die „Kultursommer-Uni“ auf die Beine und ein Seminarprogramm für Kulturmanagment, das in deutlich ausgebauter Form bis in die Gegenwart eine tragende Säule im Programm des Büros ist – und mittlerweile auch von den großen Kultureinrichtungen wie Stadt- und Staatstheater gerne als Weiterbildungsangebot für ihre Mitarbeiter angenommen wird. Hinzu kam die Organisation des „Festivalsterns Jugendtheater“ im Rahmen des rheinland-pfälzischen Kultursommers sowie ein Infodienst für die Freie Szene. Auch diese Elemente existieren noch, freilich in erheblich abgewandelter Form.

1997 kam das Kulturbüro erstmals in den Genuss von Landeszuschüssen. Bock engagierte den von Jugend an in der Kufa aktiven Nübling als Verstärkung zur Bewältigung der stetig zunehmenden Arbeit. So wurde das Büro für etliche Jahre zum Zwei-Mann-Betrieb. Bis Bock ausstieg, Nübling übernahm – und 2006 im Schulterschluss mit dem Mainzer Ministerium für Kultur und Bildung die Einrichtung in Koblenz auch zum rheinland-pfälzischen Betreuungszentrum für das „Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Kultur“ ausbaute. Bald waren da 110 Jugendliche in landesweit 95 kulturellen Einsatzstellen zu betreuen. 2007 wurde die Zuständigkeit auf das FSJ-Ganztagsschule ausgedehnt, das sich seither zu einem riesigen Verantwortungsbereich mit 260 jungen Leuten an 170 Schulen entwickelt hat.

Logistisch und personell, erklärt Nübling, sei die FSJ-Betreuung jetzt das Schwergewicht im Aufgabenspektrum des Büros. Inhaltlich möchte er die FSJ-Arbeit jedoch gleichgewichtig neben den anderen Aufgaben sehen. Zu denen gehören nun auch die neuen Jugendkunstschulen in Rheinland-Pfalz, denen seine Mannschaft mit Beratung und Weiterbildung zur Seite steht. Hat diese große. inzwischen etablierte und institutionalisierte Apparatur denn noch etwas mit dem ursprünglichen Kulturbüro und der eigentlichen Idee von soziokulturellem Engagement zu tun? Die Frage ist unausweichlich für jemanden, der die Soziokulturbewegung seit den 1980ern begleitet, zumal beim Schreiben für ein Magazin, das wie das „Kulturinfo“ einst im Umfeld dieser Bewegung entstand.

Für Lukas Nübling scheint die Antwort eindeutig. Er verweist auf die gesellschaftliche Bedeutung, die es hat, wenn Jugendliche vor Beginn der Berufsausbildung freiwillig ein Jahr im Dienste der Allgemeinheit arbeiten. Er verweist auch auf die Bedeutung, die dieses Jahr für die FSJler selbst hat: die Erfahrungen, die sie sammeln, sei es im Schul- oder im Kulturbetrieb; Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit und Kreativität, die sie dabei entwickeln können;  Entscheidungshilfen für die schließliche Berufswahl, die sie gewinnen können. Und bei all dem, denke ich, kommt es immer auch auf die Betreuer des Kulturbüros an: welche kulturellen Impulse sie setzen und welchen Geist sie vermitteln. Insofern mag man und kann man wohl auch nicht widersprechen, wenn das Kulturbüro Rheinland-Pfalz für sich in Anspruch nimmt, den Soziokultur-Gedanken fortzuführen – sei es auch unter veränderten Rahmenbedingungen.                         Andreas Pecht

Infos: www.kulturbuero-rlp.de


(Erstabdruck 4./5. Woche im Januar 2012)

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