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2011-10-24 Essay:

Laub fällt, Nebel wabern, Ruhe: BUGA-Kehraus

Das Fest ist vorbei, aber es hinterlässt ein verändertes Gefühl für das eigene Haus - Nachgedanken zur Bundesgartenschau Koblenz 2011



ape. Koblenz. Schluss, aus, Feierabend. Sommermärchen, Glückseligkeitsfest: Es war einmal. Der Schlusshymnus ward mit Inbrunst gesungen: „unvergleichlich, einmalig, wunderbar“. Die Rekorde sind in alle Welt posaunt: 3,55 Millionen Besuche(r). Der Oberbürgermeister hat jedem gedankt, der Ministerpräsident eine „ordentliche Rendite“ verkündet und das Gelände am letzten Tag nochmal einen Ansturm nebst vergnügtem Abschiedshappening erlebt. Jahrelang darum gestritten, darauf hingearbeitet, hingefiebert oder auch mal über die Fiebrigkeit den Kopf geschüttelt. Und plötzlich ist sie Vergangenheit, die Bundesgartenschau Koblenz –  erst skeptisch, dann werbewirksam, dann fast liebevoll BUGA gerufen. Ist Geschichte, Stadt- und Regionalgeschichte, der die heimische Chronik ein fettes Kapitel widmen wird. Und Stolz dürfte darin keine kleine Rolle spielen. Stolz, etwas derartiges überhaupt hinbekommen zu haben.

All das hat seine Berechtigung – müssen/dürfen selbst diejenigen anerkennen, denen Lokalpatriotismus fremd ist, schrilles Marketinggeklingel zuwider und Masseneuphorie suspekt. So unangenehm einem das Dauerbombardement mit dem Spruch „Koblenz verwandelt“ oder mit seiner finalen Form „die BUGA hat Koblenz verwandelt“ aufstoßen konnte: Im sachlichen Kern erweist sich die Aussage doch als zutreffend. Mag sein in einem Sinne, an den so mancher gar nicht dachte. Denn gewiss hat die BUGA die Stadt objektiv verwandelt, also in Teilen baulich, verkehrstechnisch und hinsichtlich der Nutzung neu strukturiert. Bedeutsamer noch dürfte aber sein (und womöglich bleiben), dass dadurch Bewohner und Nachbarn motiviert wurden, ihr Verhältnis zu dieser Stadt zu verändern.

Die Bürger haben von Stadtgebieten Besitz ergriffen, die ihnen vordem von Seiten der Obrigkeit verschlossen waren oder derart verwahrlost, dass es sowieso niemanden dorthin zog. Schloss und Schlossgärten ebenso wie das Festungsplateau sind im Verlauf der 185 BUGA-Tage gewissermaßen Gemeingut geworden – öffentlicher Raum, sozialisierter, man kann auch sagen: demokratisierter Bestandteil der urbanen Struktur von Koblenz. Diesen Aneignungsprozess haben während der BUGA stellvertretend für die gesamte Bürgerschaft vor allem die Dauerkartenbesitzer vorangetrieben. Wer Selbstverständlichkeit, Selbstbewusstsein und Freude erlebt hat, mit denen sie die Gartenschauareale zum Bestandteil ihrer Bewegungs-, Aufenthalts-, Freizeit- und Kulturgewohnheiten machten, versteht, was gemeint ist.

In diesen Zusammenhang gehört auch die neue Nähe zwischen linksrheinischem Ufer und rechtsrheinischer Höhe: Die Festung Ehrenbreitstein sei mit der BUGA Teil der Koblenzer Altstadt geworden, hat es jemand etwas übertrieben, aber in der Tendenz richtig formuliert. Dass  Festung und Plateau nicht mehr als Exklave betrachtet werden, sondern sich als Teil der Stadt in den Köpfen festgesetzt haben, dazu hat die Seilbahn zweifelsfrei maßgeblich beigetragen. Ob es der Seilbahn bedarf, diese Wahrnehmung dauerhaft zu verfestigen, steht auf einem anderen Blatt. Das hängt womöglich eher davon ab, welche Beiträge die Festung künftighin zum kulturellen Leben der Stadt beisteuert. Und es hängt davon ab, welche Attraktivität das Plateau als frei zugängliches Naherholungsgebiet entfaltet. Günstige Busverbindungen und billige bis kostenlose Parkplätze in der Nähe mögen dann für viele Mittelrheiner wichtiger sein als die Gondelfahrt.         

So wie die Menschen über den Sommer 2011 zwischen Blumenbeeten, unter Bäumen, auf Wiesen im Tal und auf dem Ehrenbreitstein nach Gusto flanierten, campierten, verweilten, entspannten, feierten, ist kaum vorstellbar, dass sie sich diese Lebensqualität noch einmal nehmen lassen. Es wird eines der zentralen Momente der Folgezeit sein, dass die Inbesitznahme dieses  erweiterten öffentlichen Raumes nun auch jene Bevölkerungsgruppen nach-vollziehen, die sich eine BUGA-Dauerkarte nicht leisten konnten oder wollten. Das sind etliche Zehntausend, sollten wir nicht vergessen. Hiervon hängt wesentlich ab, ob der von OB Hofmann-Göttig und dem SPD-Aspiranten auf die Beck-Nachfolge, Roger Lewentz, proklamierte „Wiederaufstieg von Koblenz in die Champions-League der Tourismusziele“ die nötige Akzeptanz erfährt. Denn ein boomendes Touristengeschäft kann zum zweischneiden Schwert werden, sollten zu viele Einheimische davon nichts haben als Dauertrubel, höhere Mieten, steigende Parkhaus- und Wirtshauspreise.

Zahlreiche Bürger von hier und nahebei haben dank BUGA eben erst ein echtes Gefühl (wieder)gewonnen, dass Stadt und Landschaft ums Deutsche Eck ein teils sehr schönes und kulturhistorisch überaus interessantes Fleckchen Erde sind. Es wäre zu schade, käme dieses Gefühl unter die Räder des Eindrucks: „Unser“ Fleckchen wird nachher bloß als pittoreskes Disneyland an die Touristen verkümmelt. Bei der jetzt oft beschworenen Nachhaltigkeitswirkung für die BUGA-Folgejahre muss dem sorgsamen Auspendeln zwischen Tourismusgeschäft und Lebensqualität für die Einheimischen höchste Aufmerksamkeit zukommen. Nachhaltigkeit kann wirtschaftliche Prosperität einschließen, aber ökonomisches Wachstum ist nicht per se Nachhaltigkeit. Tagtäglich am Deutschen Eck und auf der Festung ein Massenzirkus wie auf Neuschwanstein oder am Eiffelturm, das wäre der Albtraum schlechthin – würde die frohe Erinnerung an die BUGA sauer werden lassen.

Aus selbigem Grund möchte man auch jenen Zeitgenossen „lasst gut sein!“ zurufen, die vor lauter  Begeisterung über den gelungenen Sommer 2011 von einer Art Endlos-BUGA spintisieren. Denn: Nein, es ist nicht bedauerlich, dass die Gartenschau jetzt endete. Sie war am Ort ein in dieser Generation nicht wiederholbares Fest. Nur unter dieser Prämisse war es überhaupt vertretbar, die Ausrichtung der Feier mit einem dreistelligen Millionenbetrag zu subventionieren. Die Sause war geil, aber sie ist vorbei. Niemand hätte das Geld, weiter jeden Tag frei Haus zu liefern, worunter die Festtafel sich für einige Zeit bog. Davon abgesehen, gilt auch für eine Stadt, was für jeden Einzelnen gilt: Man muss mal zur Ruhe kommen, verschnaufen, sich besinnen. Koblenz und die Koblenzer brauchen das. Auf jedes Fest folgt Normalität. Und das ist gut so, denn wie dröge wären Feiertage, gäbe es keinen Alltag.

Was im Frühling erblüht, über den Sommer wächst und gedeiht, legt sich im Herbst erschöpft zur Winterruhe nieder. Wenn die Blätter fallen und die Nebel wabern, tritt in der Natur allmählich Stille ein. Bevor der erste Schnee sich aufs Land legt, sollten Felder und Beete abgeräumt sein. Das ist der Zyklus seit ewigen Zeiten – und gerade einer Gartenschau steht es gut an, ihn nicht brechen zu wollen. Man wird nun mit Klugheit zu prüfen haben, welcher Teil von der überreichen Ausnahme-Ernte 2011 fürs nächste Jahr als Saatgut taugt.                                                        Andreas Pecht



(Erstabdruck Woche 43 im Oktober 2011)

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