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2011-06-26 Schauspielkritik:

Markus Dietze inszenierte „Macbeth“ am Theater Koblenz: Beachtlicher Abend mit einigen Fragenzeichen



Das Rad der Machtgier
dreht sich endlos



 
ape. Koblenz. 

Der Weg zur Macht ist mit Leichen gepflastert. Noch mehr Opfer kostet die Angst der Mächtigen, sie wieder zu verlieren. Den Beginn der Tragödie „Macbeth“ markiert am Theater Koblenz ein Schlachtfeld nach dem Waffengang: Im Nebel hingestreckt, zerstückt zuhauf, die vormaligen Recken. Fleddernd kreucht heulende Hexenbrut durchs Totengebirg‘, weissagt dem siegreichen Macbeth, er werde König. Er glaubt‘s, er wird‘s, er bleibt‘s für eine kleine Weile – dank Meuchelei und Tyrannei. Doch am Ende streckt auch ihn das ewige Gesetz der Macht nieder: Der Nächste entreißt Macbeth‘ den Thron und verkündet über seiner Leiche gleich wieder den Anbruch einer „neuen Zeit“.


 

Intendant Markus Dietze hat den Shakespeare-Klassiker von 1606 nicht als Kampf zwischen Gut und Böse inszeniert. In Koblenz gleichen sie sich in Ton, Gestus, Haltung, all die Edlen aus England, Irland, Schottland, die da einander umlauern. Dass sich die Schauspieler streng auf altehrwürdigen Tragödenstil kaprizieren, irritiert. Denn sie tragen mal heutige Anzüge und machen Politik, tragen mal heutige Felduniformen und führen Krieg (Kostüme: Bernhard Hülfenhaus); gegeneinander. Politik und Krieg sind hier zwei Seiten derselben Medaille: Gier nach Macht im Leben, nach ruhmreicher Unsterblichkeit auf ewig.


Diesem Zweck wird auf dem Rücken des Volkes der Staat dienstbar gemacht. Weshalb die Bühne von Claudia Rüll Calame-Rosset wie die Baustelle für eine neuzeitliche Beton-Pyramide ausschaut: Unten ein breiter Stufensockel aus weißem unschuldigem Fell; oben zwischen verdreckten Bauschalungen die wie eben frisch gegossene Spitze nebst ein paar barocken Prachtstühlen. Da hinauf treibt es die Machtgeilen und Ruhmsüchtigen allesamt immerfort. Also kann das Bauwerk, der Staat, nie fertig werden.


Dieser Sichtweise entspricht das Auftreten der beiden zentralen Akteure. Wahn und Wahnsinn von Macbeth und Gattin werden sonst gerne ausladend als tragendes Element geformt. Hier hingegen stellen Jona Mues und Raphaela Crossey lange ein kühl-berechnendes, fast geschäftsmäßiges Taktieren vor – als handle es sich bei Meuchelmord um ein selbstverständliches Element systematischer Planung einer Politkarriere. Mues‘ Macbeth lässt sich von seiner Lady umstandslos schnell zum „Nötigen“ bewegen. Die bösen Geister, die das blutige Werk im Unterbewusstsein der beiden weckt, setzen ihm denn auch weit weniger zu als ihr. Das Schreien und Stottern des Wahnsinns bleibt letztlich der Frau, beim Manne überlagert die wahnwitzige Arroganz der Macht, was die Seele ihm an Ängsten gebiert.


So verstanden, ist Dietzes Ansatz eine schlüssige Transformation der Shakespear‘schen Story erst in die zeitlose Gültigkeit von Machtmechanismen, dann über Bühne und Kostüme auch als kritische Metapher in die Gegenwart. So gesehen, ist dieser „Macbeth“ für Koblenzer Verhältnisse beachtlich und wurde vom Premierenpublikum zu Recht kräftig beklatscht. Weil wir es mit Schauspielkunst und nicht mit Zirkus zu tun haben, darf über manches allerdings auch gestritten werden.


Von der Fixierung auf altertümliche Spielweise war schon die Rede. Diese Art wird auf etlichen der zwei Dutzend solitär   besetzten Positionen engagiert und teils versiert umgesetzt, dadurch aber nicht logischer. Zumindest Mues, Daniel Wagner (Malcolm) oder Gerold Ströher (Duncan) könnten auch anders, wie man weiß. Oder die Hexenauftritte als nebelumwabertes Effekt-Grusical: Das ist hübsch anzusehen, soll wohl jene keltische Archaik sein, auf die Shakespeare als Symbol des Unterbewussten gern zurückgriff. Man könnte bei der Koblenzere Machart indes meinen, es hätten sich Elemente aus der Märchen-Romantik ins Abendprogramm verirrt. Oder die ausufernden Kampfszenen vor allem zum Ende hin: Das Publikum zur Shakespeare-Zeit hätte seine Freude daran gehabt, für von Filmaction überfütterte Zuseher heutzutage ist solche Bemühtheit recht ermüdend.


Diese kritischen Momente können so oder so gewertet werden. Bei einem Manko jedoch gibt es kein Vertun: Textverständlichkeit. Man darf auch dem Koblenzer Theater, wie schon anderen zuvor, ins Stammbuch schreiben: Das Stück muss sich auf der Bühne selbst erzählen; es kann und soll nicht vorausgesetzt werden, dass die Besucher den Inhalt kennen, noch bevor der Vorhang sich hebt, und sie sich den Text zu unverständlichen Teilen des Spieles  dazudenken. Will für den konkreten Fall sagen: Nehmt, bitte, das Dopplerecho aus den Hexenszenen, dreht die Hintergrundmusik weiter zurück, flüstert nicht zur Seite oder nach rückwärts und lasst Jona Mues seine Grundlautstärke etwas anheben! Dieses kleine Theater mit seinem Guckkasten ist nunmal wie es ist: baulich der Gleichzeitigkeit von Akkustikeffekten, Bewegungsspiel und Sprachverständlichkeit nicht besonders gewogen. Und es wäre wahrlich schade um jeden Satz, den man nicht versteht – zumal bei diesem Stück und dieser Inszenierung, die so stark auf den Text und die fabelhafte Übersetzung von Thomas Brasch baut.                                                     Andreas Pecht



Infos: >> www.theater-koblenz.de

(Erstabdruck in leicht verkürzter Fassung am 26. September 2011)


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