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2011-09-23 Romankritik:

Hanns-Josef Ortheils neuer Roman „Liebesnähe“


Wunschtraum vom schweigenden Geflüster der ganz großen Liebe


 
ape. „Wer spricht? Die Sprache der Liebe.“ So heißt es zum Ende von Hanns-Josef Ortheils neuem Roman „Liebesnähe“ und im Nachklang zur ersten Vereinigung zweier Liebenden. Und was wird da gesprochen? Zwischen Jule und Johannes kein einziges Wort. Im kleinen Gartenhaus haben sie  gegessen, getrunken, Mozart‘schen und altjapanischen Klängen gelauscht, einander angesehen und sich dann zueinander gelegt. Drei Tage hatte bis dahin ihre Annäherung gedauert. Ein  Prozess aus Aufmerksamkeit füreinander, Nachdenken übereinander, spielerischem Zugehen aufeinander ersetzte die sonst üblichen „Peinlichkeiten“ Smaltalk, Süßholzraspeln, Gehabe.


Das Paar findet sich schweigend. Nur wenige knappe Notizzettel, Blicke, ausgetauschte Bücher und eben die Fantasie schlagen Brücken. „Wer ist diese Schwimmerin?“ schreibt er auf einen Zettel, den sie aufhebt, nachdem sie ihre Bahnen im Pool gezogen hat. Damit beginnt, was am Ende des Buches im Gartenhaus vollzogen wird: Der Einstieg der Liebenden in ein neues gemeinsames Leben. Was dazwischen wie geschieht, spielt zwar in einem luxuriösen Landhotel, idyllisch gelegen in den bayerischen Alpen, ist aber in Wahrheit nicht von dieser Welt.

Der biografisch mit dem Rheinland, mit Eifel, Westerwald und Mainz verbundene Autor hat ein Märchen geschrieben, erzählt von einem „Wunder“, breitet einen Wunschtraum aus: sein Ideal von der Anbahnung der idealen Liebesbeziehung. Aus der Voraussetzung dafür macht er keinen Hehl: Es muss sich „der naive Glaube“ erfüllen, dass es irgendwo auf der Welt zwei Menschen gibt, die ganz und gar zueinander gehören. Und die müssen sich finden. So geschieht es auf jener schönen Hotelinsel abseits des normalen Lebens.

Dass Jule und Johannes so zwei Menschen sind, weiß lange zuvor die Dritte im Bunde: Katharina. Ehedem Buchhändlerin in München, betreibt sie jetzt einen kleinen Buchladen in besagtem Hotel. Die etwa 60-jährige ist mit jedem der beiden eng befreundet, ist jedem für sich seit einigen Jahren Ratgeberin, Freundin, Ersatzmutter. In Ortheils Dreieckskonstruktion wird Katharina zum Katalysator für die Annäherung der beiden idealen Geliebten. Mehr noch: Diese Frau stellt zugleich das Bindeglied zu diversen Hintergründen dar, die aus Johannes und Jule eine Art Schicksalgemeinschaft machen und ihr Zusammenkommen nachgerade zwangsläufig.

Der Schriftsteller hat den Tod der Mutter noch nicht verdaut. Die Videokünstlerin ringt noch mit der Trauer um den verstorbenen Vater Georg; die Buchhändlerin auf ihre Art ebenfalls, denn sie war Georges Geliebte …. Je mehr diese Hintergründe –  die hier nicht alle verraten seien – sich in der zweiten Hälfte von „Liebesnähe“ Zug um Zug enträtseln, umso häufiger schleicht sich Kopfschütteln in die Lektüre. Die ersten 200 Seiten sind ein wunderbares Stück Literatur, das sehr ruhig, genau und auch innig zwei Menschen beobachtet, die ihrerseits mit außerordentlicher Empfindsamkeit ihre Umwelt und sich gegenseitig wahrnehmen. Ortheil bespielt da großartig die Klaviatur des Intensiven im Schlichten. Nachher aber versteigt er sich leider in ein verquastes Geflecht familienpsychologischer Überspanntheiten. Aus mutigem Pathos der Liebe wird zum Ende hin – Kitsch.                                                                  Andreas Pecht

Hanns-Josef Ortheil: „Liebesnähe“ (Roman).
Luchterhand, 394 Seiten, 21.99 Euro

Infos: >> Luchterhand Literaturverlag (weblink)


(Erstabdruck 24. September 2011)

                                            ***

Weitere Besprechungen von Ortheil-Büchern:

2010-10-01 Buchrezension:
"Die Moselreise" von Hanns-Josef Ortheil


2009-09-24a Buchrezension:
"Die Erfindung des Lebens", seltsame Vita des Hanns-Josef Ortheil




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