Thema Politik
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2011-08-23 Kommentar:

Zum absehbaren Ende der Ära Gaddafi

 

Libyen hat die große Chance auf einen Wandel zum Besseren


 
ape. Der nun absehbare Untergang des Gaddafi-Regimes ist vor allem anderen ein Grund zur Freude: Für die Menschen in Libyen und für jene rund um die Welt, denen Freiheit und Selbstbestimmungsrecht der Völker als einer der höchsten Werte gilt. Dem libyschen Volk gebühren Glückwunsch und Hochachtung. Denn in erster Linie verdankt es das Ende der Tyrannei seinem eigenen Mut, seiner Beharrlichkeit und Opferbereitschaft. Das Nato-Engagement war dabei ein hilfreicher Faktor, aber entschieden wird diese Revolution, wie jede, letztlich vom Denken, Wollen und Handeln der Menschen auf dem Boden ihres eigenen Land.

Noch wird  gekämpft, noch kostet der Kampf Stunde um Stunde Leben. Nicht nur in Tripolis, auch anderswo im Land schießen Gaddafis letzte Getreuen um sich. Es ist ein etwas eigentümliches Phänomen, dass parallel dazu in der westlichen Öffentlichkeit vornehmlich über mögliche oder gemutmaßte Probleme für die Zeit nach Gaddafi diskutiert wird. Die Angst vor einer längeren Phase der Unordnung, einer unberechenbaren Zukunft im Land mit den weltweit siebtgrößten Ölvorkommen verdrängt in der hiesigen Publizistik fast die Freude über das Ende der Diktatur. Wird Libyen eine Demokratie nach westlichem Muster, ein islamistischer Staat oder irgendwas anderes? Kommt es zum Streit, gar zum Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Rebellengruppen, Regionen, Stämmen? Zerbricht das Land womöglich? Allerhand Spekulationen schießen ins Kraut.

Nachgerade absurd wird es, wenn Kommentatoren an den Rebellen bemängeln, sie seien ein  „zusammengewürfelter Haufen“ aus „zu vielen Lagern, zu vielen Interessen, zu vielen Clans“. Wie, bitteschön, sollte die Revolution sonst gelingen? Ohne den Schulterschluss sehr vieler, auch sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte für das primäre gemeinsame Ziel der Zerschlagung von Gaddafis Regime wäre es nie und nimmer gegangen. Hätten die Libyer, die Araber allesamt, ihre Revolution etwa abblasen sollen – aus Angst, es könnte nachher diese oder jene Probleme geben? So funktioniert Geschichte nicht.

Libyen will sich nun neu erfinden. Das ist gewiss keine Kleinigkeit, ist mit vielerlei Unwägbarkeiten verbunden. Doch zuallererst liegt darin die riesige Chance für einen Wandel zum Besseren. In einem Land, das fünfmal so groß ist wie Deutschland, müssen sich die 6,5 Millionen Bewohner jetzt erstmal orientieren, mit der veränderten Lage vertraut machen. Die libysche Gesellschaft muss sich sortieren, ein völlig neues ziviles Selbstverständnis und ganz neue politische Strukturen entwickeln. Dass der Übergangsrat ausdrücklich mahnt, keine Racheakte an Gaddafi und Getreuen zu verüben, ist ein gutes Zeichen. Dass er die Verständigung mit den Ältestenräten der Stämme sucht ebenfalls.

Solche Prozesse laufen selten geradlinig und spannungsfrei ab, sie brauchen Zeit und durchaus auch Unterstützung von außen. Ob am Ende nach einer unvermeidlichen Phase relativer Unordnung indes genau das herauskommt, was der Westen gerne sähe, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber dieses Blatt haben nicht wir zu beschreiben, sondern allein das libysche Volk.     
                                                                                         Andreas Pecht               

(Erstabdruck 24. August 2011)

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