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2011-06-11 Schauspielkritik:

Burgfestspiele Mayen: Kleist-Komödie etwas modern angehaucht und ordentlich gespielt

Munterer Streit um "Zerbrochenen Krug"



 
ape. Mayen. Vor 200 Jahren starb Heinrich von Kleist. Es ist ein feiner Zug der Mayener Burgfestspiele, dass sie bei der Würdigung dieses bedeutenden Dramatikers mittun. Gegeben wird im Hof der Genovevaburg als populärster Kleist-Klassiker „Der zerbrochene Krug“. Am Samstag war Premiere, nur kurz unterbrochen von einem Regenschauer.

 
Seit 24 Festspieljahren ist in Mayen die Begrüßungsrede des Stadtoberhauptes leidlich unvermeidlich. Für diesen Abend kündigt sie mit Verve inszenatorische Überraschungen an. So heftig wird's dann in Götz Burgers Einrichtung doch nicht – zumindest für jene Zuseher, denen die Verfilmung mit Emil Jannings von 1937 nicht als Maß aller Dinge gilt. Eine schöne Überraschung indes ist, dass der Mayener „Krug“ ein Niveau hat, das durchaus auch eine ernsthaft kritische Betrachtung erlaubt.

Wolf Wanninger hat der Kleist-Komödie ein Spielfeld gebaut, das nur aus weißem Boden, weißer Rückwand und zwei weißen Stühlen besteht. Das Feld ist im Burghof vor die pittoreske Kulisse für eine andere Produktion gestellt und ziemlich klein. Aber das passt für ein Stück schierer Kammerspiel-Dimension.

Kleists „Zerbrochener Krug“ besteht schließlich bloß aus einer Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf der Dorfrichter Adam selbst als derjenige überführt wird, der mittels Amtsmissbrauch sich die Jungfer Eve sexuell gefügig machen wollte. Das Lustspiel hat einen ernsten Hintergrund. Auf den haben jedoch die wenigsten Inszenierungen je abgehoben. Auch Mayen folgt jetzt dem Usus, mit schauspielerischer Raffinesse ein vor allem humoriges Sprechtheater-Feuerwerk abzubrennen.

Es macht sich dabei erfreulich bemerkbar, dass im neunköpfigen Ensemble diesmal überwiegend erfahrene, versierte Schauspieler zu Werke gehen. Georg Lorenz gibt einen Gerichtsschreiber Licht, dessen intrigante Feindseligkeit gegen den Richter sich aus knochentrockenem Understatement wie von selbst ergibt. Er spielt mit kleinem Gestus und eben deshalb sehr wirkungsvoll. Das gleiche gilt für Werner Schwarz als Gerichtsrat Walter: Immer wieder auch den jovialen Menschenfreund herauskehrend, wirkt er mehr wie eine moderne Führungskraft denn als gestrenger Staatsrevisor von einst.

Luna Metzroth gibt als Eves Mutter Marthe die Furie im Spiel: Mit blitzenden Augen und nicht zu bändigendem Maul walzt sie ihre Anklage aus – gegen den unbekannten Missetäter, der bei nächtlichem Gerangel in der Tochter Kammer den Krug zerbrach. Glück oder Unglück des Mädchens interessieren sie nicht die Bohne. Der Krug, ach ihr Krug, der ward geschändet. Die Figur ist etwas arg dick aufgetragen, funktioniert aber als Wirbelsturm vor Gericht prima.

Und der Dorfrichter? Den spielt Intendant Peter Nüesch selbst. Er versucht keinen polternden Adam wie einst Jannings; dazu hätte er ohnehin weder hinreichend Leibesfülle noch den passenden Quadratschädel. Nüesch weiß, wie man mit genau gesetzten kleinen Bewegungen, schrägen Blicken, verzogenen Mundwinkeln optimalen Effekt erzielt. Und von dieser Kunst macht er Gebrauch – um einen Adam hinzustellen, der tumb, aber mit verzweifelter Rücksichtslosigkeit seine Haut zu retten sucht.

Nun lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass es im Ensemble gewaltige Niveauunterschiede gibt. Zeugin Brigitte als joggende Seniorin auftreten zu lassen, ist eine hübsche Idee in der altersaktiven Gegenwart. Aber schauspielerisch kommt der Moment über „niedlich“ kaum hinaus. Auch für die Rolle von Eves Verlobtem Ruprecht ist brachiales Eifersuchtsschäumen allein etwas wenig. Freude hingegen macht die Eve: Theresa Sophie Albert lässt all die Schüchternheit und Schamhaftigkeit fahren, die seit Goethes Uraufführungs-Inszenierung 1808 dieser Rolle oft angehängt wurde. Sie spielt in umstandsloser Direktheit ein hellwaches Girl von heute – und trägt so ihren Teil bei, dass dieser „Zerbrochene Krug“ im mittelrheinischen Umfeld als veritable Klassikerumsetzung gelten kann.                              Andreas Pecht

Infos: www.mayenzeit.de

(Erstabdruck 14. Juni 2011)

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