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2011-06-02 Analyse/Kommentar:

 

Ehec: Ernste Herausforderung,
aber kein Grund zur Massenpanik


Bislang unbekannte Bakterienkreuzung ausgemacht – Wissenschaft und Politik stoßen derzeit an  Grenzen


 
ape. Niemand muss sich genieren oder schämen, wenn ihn die aktuelle Ehec-Epidemie beschäftigt, beunruhigt, ängstigt. Die Bedrohung ist schließlich real – auch wenn die Wahrscheinlichkeit, sich mit Ehec zu infizieren und daran zu sterben um ein Vielfaches geringer ist, als bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen oder einer normalen Grippe zu erliegen. Statistik kann die Betroffenen indes nicht trösten und die Beunruhigten nicht von Sorge befreien. Sie kann allerdings der hysterischen Aufheizung der Situation entgegenwirken und die besonnene Schlussfolgerung unterstreichen: Man muss die Sache ernst nehmen, aber von einer allgemeinen Gesundheitskrise, gar einer großen tödlichen Seuche, kann keine Rede sein.



Abseits von Hysterie und Panik ist ein gewisses Quantum Beunruhigung, neben Vernunft, sogar wichtige Voraussetzung für die Eindämmung der Epidemie. Denn es wird sich fürs erste jeder selbst und die Bevölkerung als Ganzes um Risikominimierung bemühen müssen. Gleichgültigkeit, Ignoranz, Leichtfertigkeit wären dabei wenig hilfreich. Wissenschaft, Medizin und Politik stoßen im Augenblick erkennbar an ihre Grenzen: Es ist nicht absehbar, dass das Ehec-Problem durch eine Pille, einen Impfstoff oder staatliche Ordnungsmaßnahmen gegenüber Landwirtschaft und Handel zeitnah aus der Welt zu schaffen wäre.

Die Wissenschaft hat in der großen Familie der seit jeher allüberall verbreiteten Ehec-Bakterien eben erst den neuen Subtypus entdeckt, der für die schweren Krankheitsverläufe ursächlich ist. Und sie wird Zeit brauchen, den Geheimnissen dieser bislang unbekannten, besonders aggressiven globalen Kreuzung aus O104:H4-Bakterium mit einem entfernten, womöglich  afrikanischen Verwandten auf die Schliche zu kommen. Und ob die Gesundheitsbehörden die lokale Quelle der jetzigen Ehec-Epidemie je finden, steht in den Sternen. Die Ursprungsherde früherer, leichterer Ausbrüche blieben jedenfalls zu 80 Prozent unerkannt.

Was kaum wundern darf bei weltweit vernetzten Warenströmen und Millionen Menschen, die als Pendler, Geschäftsreisende, Urlauber jede Woche unzählige Kilometer zurücklegen, Gaststätten und Toiletten besuchen, Türklinken drücken, Hände schütteln. Zwar liegt der Herd des jetzigen Ehec-Ausbruchs gewiss in Norddeutschland. Ob allerdings durch Warenlieferungen von auswärts eingetragen, auf dem Transport entstanden oder hausgemacht ist noch ebenso unklar wie die Frage, welches Produkt überhaupt den speziellen Bakterienstamm mit sich schleppt. Zudem wird  die Krankheit durch Schmierinfektion von Mensch zu Mensch weiterverbreitet. Wie hoch der Anteil von Sekundäransteckungen unter den Erkrankungen ist, weiß ebenfalls niemand.
 
Die Suche nach dem Ehec-Herd ist eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Man kann die Qualität des Krisenmanagements hinterfragen. Kann streiten darüber, ob die Suche entschlossen genug betrieben wird, ob sie hinreichend ausgestattet ist. An der Komplexität des Ehec-Problems ändert das wenig, und: Es bleibt virulent, möglicherweise bis die Epidemie sich von alleine verläuft – für diesmal.  Dass die Behörden bei begründetem Verdacht auf belastete Produkte vor diesen warnen, kann ernsthaft nicht kritisiert werden, auch wenn sich der Verdacht nachher als unzutreffend erweist. Seuchen-Prävention im Interesse des Gemeinwohls geht nun mal vor ökonomischen Interessen einzelner Berufsgruppen. Allerdings kann die Gemeinschaft ihre Landwirte dann auch nicht mit den Verlusten alleine lassen: Sofern ihnen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, müssen sie entschädigt werden.     

Was aber sollen Lieschen Müller und Otto Normalo tun, da Weißkittel und Behörden dieser Tage vor der Ehec-Epidemie  keinen Schutz bieten können? Was die Altvorderen in solchen Fällen auch schon getan haben: selbst aktiv werden. Wie? Erstens, die Gefahr von Sekundäransteckungen minimieren. Heißt vor allem: Händewaschen; vor dem Kochen, vor dem Essen, nach dem Toilettengang und zwischendurch auch noch ein paar mal. Zweitens könnte man zur Vorbeugung gegen Erstinfektion auf Rohkostsalat verzichten und Gemüse für eine Weile nur gekocht verspeisen. Tomaten machen sich in Suppen, Aufläufen, überbacken oder gedünstet prima; Gurken übrigens auch. Drittens tue man unbedingt, was seit Menschengedenken sowieso alle tun sollten: Sämtliche Nahrungsmittel gründlich waschen, insbesondere wenn sie roh verzehrt werden. Ob man derzeit bei Rohkost bleiben will oder nicht, das freilich muss jeder für sich selbst entscheiden.

Damit sind nicht alle Risiken vollends zu beseitigen. Das Leben ist nun mal per se stets auch ein Risiko. Aber es würde durch Bürgerhandeln das individuelle wie kollektive Gefährdungspotenzial deutlich reduziert. Die Bemühungen von Wissenschaft, Medizin, Behörden müssen dennoch entschieden fortgesetzt werden. Fragen sind zu stellen und zu klären. Was lief/läuft wo aktuell, vielleicht generell falsch –  in Ackerbau und Viehzucht; bei Transport, Verpackung, Verarbeitung; im Handel, bei der Lebensmittelkontrolle, beim Kauf- und Konsumverhalten? Die Natur macht auch im Falle Ehec nur, was sie immer macht: Sie reagiert, mutiert, evolutioniert; geistlos, aber wirkungsvoll. Nun ist mal wieder unsere Findigkeit und letztlich wohl Anpassungsfähigkeit an deren Konditionen gefragt.
                                                                                        Andreas Pecht

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