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2011-04-17 Ballettkritik:

"Heaven's Sky": Neues Ballett am Staatstheater Mainz

Michelangelo ist doch etwas zu groß
für Pascal Touzeau


 
ape. Koblenz. Es kommt am Theater öfter vor, dass das Publikum im Bühnengeschehen nicht erkennen kann, was Regisseure/Choreografen glauben, zu zeigen. Die Choreografie „Heavens Sky – Hommage an Michelangelo“ am Mainzer Staatstheater ist so ein Fall. Ballettchef Pascal Touzeau hat sich allerhand vorgenommen: Tänzerisch neu ausleuchten will er nicht nur Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle, sondern gleich auch noch die spirituelle Lebensessenz des Renaissancemalers.
 

So viel wäre gewiss zu viel. Aber vom übergewichtigen Vorhaben bleibt bei diesem Abend ohnehin  wenig.  Das Thema Michelangelo kann der Zuseher nur momenthaft ausmachen. Die völlig leere Bühne gibt keinerlei Bildhinweis. In die Bewegungsmuster der Tänzer Beziehungen zum Malstil Michelangelos hineinzuinterpretieren, wäre meist bloß mutwillig. Und die dazu auf Englisch  vorgetragenen Passagen aus Sonetten und Briefen des Italieners sind nur akustische Splitter. Im Tanz finden sie selten Echo oder Deutung.

Dennoch lassen sich 75 Minuten lohnenden Hinschauens erleben – sofern man das schier aussichtslose Bemühen aufgibt, dem Michelangelo-Konzept Touzeaus auf die Schliche kommen zu wollen. Dann bleiben Augen und Herz über weite Strecken an ausgezeichneter moderner Tanzkunst in kleinen Formen hängen. Die handelt wovon? Von der Ambivalenz zwischen Schönheit und Gebrechlichkeit, Stärke und Schwäche, Entschlossenheit und Verzagtheit. An den widersprüchlichen Aspekten also, die Menschen alle Zeit in sich vereinen.

Das Bewegungsrepertoire des ballettmainz ist für solche Zwiespältigkeit wie geschaffen. Die unter Touzeau gepflegte Melange aus neoklassischer Eleganz und der auf Fragmentierung, Verkrümmung, Spastik angelegten Frankfurter Forsythe-Schule kann ein starkes Darstellungsmittel für die Einheit von Gegensätzen sein. Wenn in „Heaven‘s Sky“ etwa Mariy Bushuyeva ihre Partien  aus beiden Stilen zusammenbaut, durchströmen Stolz und Verzweiflung gleichzeitig ihre Figuren.

Wenn Julia Weiss aus kriechend-formloser Bewegung heraus Blick- und Haltungskontakt zum Himmel aufbaut, vereinen sich Furcht und Verlangen. Wer mag, darf sich da für einen Augenblick an Michelangelos Szene „Die Erschaffung Adams“ erinnert fühlen. Oder er darf angesichts des stotternden, schreienden, bald auch jede körperliche Festigkeit verlierenden Emmanuel Gazques an die Kämpfe Michelangelos mit sich, der Kunst, dem Papst und Gott denken.

Ob von Touzeau so gemeint oder nicht, steht jeweils dahin. Berührend bleibt trotzdem, wie Licht- und Schattenseiten des Menschlichen im Körperausdruck der Tänzer/innen verschmelzen. Diesen Ambivalenzen entspricht die Musikkollage aus der Werkstatt der Formation „48nord“. Da begegnet machtvolle Trommelrhythmik klerikalem Renaissancegesang, oder meditatives Schweben dramatischer Klangeskalation. Die enervierende Wuchtigkeit früherer 48nord-Musiken für das ballettmainz weicht diesmal ausgewogener, passender Vielfarbigkeit.

Nach „Heaven‘s Sky“ ist einmal mehr festzuhalten: Es steckt einiges an Potenzial  in diesem neuen ballettmainz nach Schläpfer. Dessen Entfaltung ist allerdings der Hang Pascal Touzeaus nicht eben förderlich, seine Choreografien unbedingt zur intellektuellen Philosophie-Performance machen zu wollen.           Andreas Pecht


Infos: www.staatstheater-mainz.com

(Erstabdruck 18. April 2011)

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