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2011-04-09a Ausstellungsbesprechung:

„Die Salier – Macht im Wandel“: Eine ebenso lehrreiche wie sinnliche Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz

 

Erste Kaiserdynastie zu Speyer

 
ape. Speyer. Sondersendung des „heute-journals“. Claus Kleber berichtet von unerhörten Ereignissen: Papst Paschalis II. hat den Salier Heinrich V. am 13. April 1111 zum Kaiser gekrönt – obwohl wenige Wochen zuvor, zum Entsetzen der ganzen Christenheit, Heinrich den Papst vor aller Augen gefangen gesetzt hatte... Dieses spezielle „heute-journal“ läuft allerdings nur auf einem einzigen Fernseher. Und der steht im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, startet dort den Rundgang zur aktuellen  Ausstellung „Die Salier –  Macht im Wandel“.


19 Jahre ist es her, dass hier zuletzt jenes Kaisergeschlecht umfassend gewürdigt wurde, dem Speyer seinen Dom und seine Bedeutung als Mittelalter-Zentrum verdankt.  Anlass, das Thema Salier jetzt wieder aufzugreifen, bieten drei Jubiläen: Weihe des Doms anno 1061, also vor 950 Jahren; Kaiserkrönung Heinrichs V. vor 900 Jahren; im selben Jahr auch Verleihung wichtiger Privilegien an die Stadt Speyer.

So kommt, dass dem von Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg gemeinsam begangenen Staufer-Jahr 2010 in Speyer jetzt das Salier-Jahr 2011 folgt. Womit zugleich das Augenmerk auf die Dynastie gelenkt wird, die vor den Staufern über das sich von der Nordsee bis Italien  erstreckende Reich herrschte.        

Seit der letzten Salier-Schau in Speyer hat sich die Machart historischer Ausstellungen völlig verändert. Dafür steht der telegene Auftritt Klebers, der die Bedeutung jener Umstände um die Krönung Heinrich V. für die damaligen Menschen in heutige Nachrichten-Maßstäbe übersetzt. Für diesen Wandel steht die Inszenierung der mehr als 400 Exponate von 70 Leihgebern als Verknüpfung von allgemein verständlicher Information und sinnlichem Erlebnis. Originale Relikte und moderne mediale Aufbereitung greifen auf spannende Weise ineinander.

Die erste Abteilung der Ausstellung ist mit Säulen, Kapitellen, Bogengängen einem Kirchenraum nachempfunden. Im „Mittelgang“ sind liturgische Preziosen aus dem Mittelalter versammelt, darunter der Goslarer „Krodo-Altar“. Der Gang mündet in eine Rauminszenierung ein, die unter einem farbigen Holzkruzufix aus dem 11. Jahrhundert mittels historischer Dokumente und Utensilien die Liturgie der Domweihe rekonstruiert.

In „Seitenschiffen“ sind einerseits wertvolle Handschriften aus der Salier-Zeit ausgestellt. Etwa das Speyerer Evangelistar oder die Aufzeichnungen der Mathilde von Tuszien. Andererseits werden die vier von 1024 bis 1125 herrschenden salischen Kaiser vorgestellt, die den Speyerer Dom zu ihrer Grablege machten. Die Ausstellung vereint auch deren Grabkronen. In einem „Seitenschiff“ werden per Computeranimation die Abschnitte des Dombaus visualisiert. Beginnend bei Konrad II., der 1027 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde und 1030 im damaligen „Kuhdorf“ Speyer, wie die Salier selbst einräumten, den Grundstein für den Dom legte.

Das Gotteshaus sollte nach seinen Vorstellungen das größte der Christenheit werden – und von salischer Macht künden. Konrad erlebte die Fertigstellung des frühromanischen Erstbaues nicht mehr, ebenso wenig sein Sohn Heinrich III. Erst unter Heinrich IV. konnte der Dom 1061 vollendet und geweiht werden. Letzter Salier-Kaiser war dessen Sohn Heinrich V.  Ein unangenehmer Geselle, der eigener Privilegien und Macht wegen nicht nur den Papst einsperrte, sondern auch den  Vater gewaltsam zur Abdankung zwang.

Heinrich V. – dem von der Forschung lange vernachlässigten „Fahnenträger des Antichrist“ –  schenkt die Ausstellung besondere Aufmerksamkeit. Während seiner Herrschaft wurde auf Druck der immer einflussreicher werdenden Fürsten mit dem „Wormser Konkordat“ der Machtkampf zwischen Papst und Kaiser (vorläufig) beendet, der schon zur Herrschaftszeit Heinrich IV. tobte. Unter den Stichworten „Investiturstreit“ und „Gang nach Canossa“ fand dieser Zwist Eingang in die Geschichtsbücher.

Der Ausstellungstitel „Die Salier – Macht im Wandel“ bezieht sich auf diesen Prozess zur Klärung der Ordnung auf Erden, also dem Verhältnis zwischen kirchlicher und weltlicher Herrschaft. Zugleich arbeitet die Schau den generellen gesellschaftlichen Strukturwandel im Salier-Jahrhundert heraus. In einer Abteilung zeugen Cluny und Hirsau von der Entwicklung der Klöster zum einflussreichen Faktor. In einer anderen wird die enorme Bedeutung der jungen jüdischen Gemeinden des 11./12. Jahrhunderts gerade für Worms und Speyer dokumentiert.

Weitere Abteilungen erhellen die wachsende Bedeutung der Städte und ihrer Bürger sowie den „in Mode“ kommenden Bau von Adelsburgen. Da werden Köln, Speyer und Basel verglichen. Da verdeutlichen Modelle, Baurelikte, häusliche Artefakten und Fotopanoramen der Burgen Schlössel (Klingenmünster) und Sulzbach die Bauweise der damals hochmodernen Gemäuer und das Leben darin.

Haben wir im vergangenen Jahr bei der Mannheimer Staufer-Ausstellung gelernt, dass die Staufer-Zeit im 12. und 13 Jahrhundert eine Epoche europäischen Aufbruchs und Umbruchs war, so lernen wir jetzt in Speyer: Dieser Innovationsprozess gründet bereits im salischen Jahrhundert zuvor. Allmählich kommt Licht ins vermeintlich „finstere Mittelalter“.                Andreas Pecht

Infos:
Bis 30. Oktober, Di - So 10 - 18 Uhr.
>>www.museum.speyer.de und >>www.salierjahr2011.de


Des Kaisers letzte Kleider

Unter dem Titel „Des Kaisers letzte Kleider“ dokumentiert eine Begleitausstellung im Untergeschoss des Museums ein Projekt zur Erforschung von textilen und ledernen Bekleidungsresten der salischen Könige und Kaiser. Ausgehend von der Öffnung der Kaisergräber im Speyerer Dom anno 1900 werden frühere und heutige Konservierungs- und Untersuchungsmethoden sowie deren bisherige Ergebnisse präsentiert. (ape)


(Erstabdruck 11. April 2011)

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