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2011-03-13 Schauspielkritik:


Uraufführung von Sibylle Dudeks Stück "Heimgesucht"
am Theater Koblenz

Kassandra sucht Familienanschluss


 
ape.Koblenz.

Sibylle Dudek schrieb während ihres Jahres als Hausautorin am Theater Koblenz ein Kammerstück für sechs Personen. Das kam jetzt dort auch zur Uraufführung. „Heimgesucht“ lautet mehrdeutig sein Titel: Menschen suchen ein Heim, doch sie wirken aufeinander wie Heimsuchungen. Olga Wildgruber hat den feinsinnigen Text zur 90-minütigen Tragikomödie inszeniert. Leicht, oft Schmunzeln machend ist der Ton; bitter, wehmütig der Unterton.

 

Soloprolog einer jungen Frau an der Rampe. Kassandra heißt sie. Sie gibt sich bald zu erkennen als Autorin, die den nachher dargestellten Lebensausschnitt zum Stück verarbeitet, während sie ihn erlebt. Klingt komplizierter als es ist, spielt auch dramaturgisch keine große Rolle, will bloß sagen: Das Leben schreibt diese Geschichte. Es ist eine sauber und intensiv erspielte Familiengeschichte.


Erst mit Mickymouse-Stimme aus dem Off, dann real führt Kassandra im Schnellsprech einer Katastrophenreporterin in die Szenerie ein: rechts Küche, links Wohnzimmer, im Hintergrund Tannenbäumchen (Ausstattung: Claudia Rüll Calame-Rosset). Sobald das idyllische Mittelstandsbiotop skizziert ist, verlangsamt sich das Sprechtempo des Prologs fast zu Gemütlichkeit und tritt Kassandra als Mitspielerin in die Szene ein.


Sie ist die bald 30-jährige Tochter des Lehrers Christian. Sie kehrt heim, weil sie mit dem Standardleben draußen nicht klarkommt, als Schriftstellerin nicht vorankommt und sich mit den Hartz-IV-Formularen „intellektuell überfordert“ fühlt. Im Familiendomizil trifft sie auf Opa Helmut. Der ist aus dem Pflegeheim ausgebüchst, weil er den Geruch „nach Dosenerbsen, Durchfall und 4711 nicht mehr aushält. Sie trifft auf Halina, die neue Freundin des Vaters. Sie trifft auf Nachbarin Bärbel und deren nicht eben hellen Sohn Michael.


Glückssucher allesamt, doch steht jeder jedem im Wege. Wie das eben so ist in derartigen, durchaus alltäglichen Konstellationen. Es wird hier nicht große Tragödie gespielt. Stück und Inszenierung spüren in gegeneinander geschnittenen, oft knappen Szenen und mit einiger Ironie den vielfältigen Reibungsflächen nach. Die drücken sich in kleinen Gesten, sprachlichen Spitzen aus. Richtig laut wird‘s selten, und nur einmal eskaliert die Spannung zwischen Vater und Sohn zur Handgreiflichkeit.


Fein ausgeformt die Charaktere. Jana Gwosdek spielt eine Kassandra, die alles begreift, aber aus ihrer überempfindsamen Haut nicht kann. Christian ist von Gerald Ströher treffend farblos gehalten, Raphaela Crosseys Halina eine bodenständige Frau von Verstand. Rainer Karsitz gibt einen Opa an der Grenze zwischen Altersweisheit und grantiger Renitenz, Daniel Wagner bespielt als Michael formidabel den Raum zwischen Naivität und Blödheit. Einzige Schwachstelle im einnehmenden Spiel: Tatjana Hölbings Bärbel. Diese Figur muss schrill sein, aber doch kein solcher Kalauer.                                                                     Andreas Pecht




Infos: www.theater-koblenz.de

(Erstabdruck 14. März 2011)

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