Thema Musik
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2011-03-06 Konzertkritik:

6. Anrecht beim Musik-Institut Koblenz, mit SWR-Sinfonieorchester unter Alejo Pérez. Solist: Alexander Melnikow
 

Romantik in beseelter Präzision

 
ape. Koblenz. Wegen Sanierung der Rhein-Mosel-Halle war 2010/2011 für das Musik-Institut Koblenz eine Ausnahmesaison: nur 6 statt der üblichen 10 Anrechtskonzerte, gegeben im Ausweichquartier Sporthalle Oberwerth. Intendant Olaf Theisen resümierte jetzt beim letzten Abend erleichtert: „Das ist besser gelaufen als befürchtet.“ 1200 plus X Besucher jeweils, beim „amerikanischen Programm“ gar 1500. Glücklich sei er, dass dank Technik die Akustik der Sporthalle unerwartet gut war. Deutlich verärgert ist das Institut indes über anhaltende Termin-Unklarheit, was die Wiedereröffnung der Rhein-Mosel-Halle angeht. „Unser Programm steht, die Künstlerverträge sind geschlossen, aber es gibt keine Sicherheit, wann wir in die Halle können.“ Die für September und Oktober geplanten Konzerte seien schon nicht mehr zu halten.  


Einen würdigen Abschluss fand die durchweg sehr hochkarätige Saison an diesem Wochenende mit dem Konzert des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg. Erstaunen, Verwunderung gleich bei den ersten Takten. So breit, so bedächtig hat man den choralartigen Anfang von Tschaikowskis „Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia“ wohl noch nie gehört. Das ist nicht Gemütlichkeit, sondern hochkonzentriertes Ausformen von Charakter und innerer Dynamik jedes einzelnen Klangs. Aus der körperlichen Spannung bei Dirigent Alejo Pérez – Argentinier, Mitte 30 –  lässt sich ersehen, was er jeweils hören will. Und die Musiker des SWR-Orchesters folgen in einer kollektiven Präzision, die das gesamte Konzert hindurch entzückt.

Weit schwingt der Atem des Klangkörpers aus, spürt dem Geist Shakespeares und Tschaikowskis nach. Pérez‘ Interpretation führt anfangs tief hinein in die mitfühlende Güte des Pater Lorenzo. Vom bedächtigen Beginn her lässt sich in starker Kontrastierung der Furor des Streits zwischen den Adelssippen von Romeo und Julia aufbauen. Unter dem wird die innige Kantilene als Liebessymbol schließlich begraben. Pérez erlaubt dem Orchester auch in turbulentesten Momenten kein ungehemmtes Überschäumen. Er steuert Feinabstufungen der Eskalation an. Im Theater würde man sagen: Er findet durch Intensität zu höchster Dramatik, nicht durch Geschrei.

Dieses Prinzip wirkt auch beim zweiten Klavierkonzert von Camille Saint-Saens fort. Der russische Pianist Alexander Melnikow (Jahrgang 1973) beweist dabei eine Klasse, die nicht auf bloße Tastenakrobatik baut. Das Werk beginnt eigentümlicher Weise  mit einem langsamen Satz, dem zwei sich ungemein beschleunigende Sätze anschließen. Keine Frage, da wird spieltechnische Virtuosität von hohen Graden gefordert. Für Melnikow kein Problem. Aber er tut mehr: Er formt seinen Part mit Witz aus unzähligen, feinsinnig, aber mit leichter Hand hingeworfenen Pünktchen. Die verbinden sich, ähnlich einem impressionistischen Gemälde, zum stimmigen Ganzen. Faszinierend das dialogische Zusammenspiel mit dem Orchester im treibenden Scherzo, erst recht im rasenden Finale.

Die berühmte Sinfonische Suite „Scheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow beschließt  das Programm. Noch einmal bestechen Pérez und das SWR-Orchester mit ihrer Präzision, die zugleich Grundlage für ein raffiniertes, berührendes Stimmungs- und Klangfarbenspiel ist. Ein Kaleidoskop von Hörbildern aus der Märchensammlung  „Tausendundeine Nacht“, verbunden durch filigrane Kadenzvariationen, mit denen der erste Geiger solistisch die von Sindbad, Prinzenliebe und Meeressturm erzählende Scheherazade charakterisiert. Im lang anhaltenden Schlussapplaus darf er  dafür Sonderbeifall ernten.

Es war ein kurze, aber sehr intensive und spannende Saison. Wann die nächste mit welchem Umfang beginnt, darüber hofft das Musik-Institut Mitte April klare Auskunft geben zu können.
                                                                                       Andreas Pecht

(Erstabdruck 7. März 2011)

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