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2011-02-20 Schauspielkritik:

"Mutters Courage" von George Tabori am Theater Bonn

Eine ganze kleine sehr große Stunde


 
ape. Bonn. In der Kunst tritt Großes bisweilen ganz unscheinbar auf. In diesem Fall  „Mutters Courage“, ein Stück von George Tabori, 1979 uraufgeführt. Helen Danner hat es jetzt fürs Theater Bonn inszeniert –  in karger Kulisse (Carla Friedrich); auf der Werkstattbühne im  Opernhaus; mit nur zwei Schauspielern, die sehr sparsam agieren. Nach kurzen 55 Minuten ist‘s vorbei.


Im Beisein der Mutter erzählt der Sohn eine Episode aus deren Vergangenheit. Sie trug sich zu   1944 im von Deutschen besetzten Ungarn. Die Frau mit dem gelben Stern am Mantel wurde auf dem Weg zur Rommé-Partie mit Tante Martha verhaftet und in einen Transport mit 4000 Juden nach Auschwitz gesteckt. Doch statt in der Gaskammer zu enden wie alle andern, sitzt sie wenige Stunden später mit der Tante beim Kartenspiel.

Davon erzählt Birger Frehse in der Rolle des Sohnes dem Publikum. Und natürlich erzählt er über  die wundersame Rettung der Mutter. Bei einem Halt der Viehwaggons war die 60-Jährige aus der Menge der 4000 heraus- und allein dem kommandierenden deutschen Offizier entgegengetreten. Ihm fest in die Augen blickend, hatte sie erklärt: Zu Unrecht sei sie verhaftet, habe einen Schutzbrief des Roten Kreuzes, den nur leider nicht dabei.

Ein sonst tausendfach vergeblicher Versuch. Hier aber half er: Der Offizier setzte die Frau in einen Zivilzug zurück, ließ sie laufen. Warum? Autor, Stück und Inszenierung interessieren sich nicht für die Beweggründe eines Deutschen, der im Übrigen mit geschäftsmäßiger Gleichgültigkeit den Todeszug managt. Das Augenmerk der  Theaterstunde liegt auf dem unvermittelten Auseinanderbrechen der gewohnten Lebenswelt der Mutter und auf ihrem damit einhergehenden Verhalten.

Sie ist eine einfache, brave Frau. Ihrer Verhaftung leistete sie keinerlei Widerstand. Dass sie im Dunkel des Viehwaggons einen unerkannten Mithäftling an ihren Körper ließ und „ein letztes Mal“ gewährte, ist so erstaunlich wie der Mut, dem Offizier Auge in Auge gegenüberzutreten. Wie Birte Schrein in unscheinbarer Hausbackenheit dasitzt und des Sohnes Bericht skeptisch-interessiert folgt, ihn manchmal ergänzt oder korrigiert, traut man der Frau solches nicht zu. Keine Heldin, keine Kämpferin, aber eine Begreifende. Zwei Mal stellt sie schließlich schneidend die jüdische Lehre aus dem Holocaust in den Raum: Wenn es nochmal so kommen sollte, würde sie den Deutschen mit dem Hammer das Gesicht einschlagen.

„Mutters Courage“ wurde andernorts mit viel Personal und opulenten Ereignisszenen schon als großes Drama inszeniert. Helen Danner bleibt in Bonn bei der Kammererzählung. Frehse deutet den Offizier und andere Personen knapp an, wie es ein lebhafter Berichterstatter oder Vorleser tun würde. Birte Schrein bleibt die meist nur stille Zeitzeugin, die der Interpretation ihres Erlebens durch den Nachgeborenen lauscht. Das ist nicht, was man einen großen Schauspielabend nennt. Das ist bescheidener Erzähl-Dienst an einem kleinen, aber bedeutenden Text – eine tief berührende Stunde.                                                    Andreas Pecht


Infos: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck 8. Woche im Februar 2011)

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