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2011-02-03 Kommentar:

Zur aktuellen Entwicklung in Nordafrika und Arabien

 

Die alte Macht zuckt noch, aber Ägypten hat sich bereits entschieden

 
ape. Alle hatten wir gehofft, dass der ägyptischen Revolution diese schrecklichen Momente erspart bleiben. Hatten gehofft, dass der friedliche, in disziplinierter Entschlossenheit vorgetragene Protest von Millionen als Gesicht dieses Volksaufstandes in Erinnerung bleiben würde. Und natürlich hatten wir gehofft, dass der Protest aktuell hinreicht, das Mubarak-System aus den Angeln zu heben. Nun fließt doch Blut auf den Straßen Kairos. Unklar ist noch, wer konkret die von Provokateuren, Polizei in Zivil und Schlägergesindel durchsetzte Gruppe von ein paar Tausend „Gegendemonstranten“ in Marsch gesetzt hat. Klar ist allerdings: Da schlagen Teile des in Auflösung befindlichen alten Herrschaftsapparates wild um sich.

Nützen wird das nichts: Die Zeit der Despotie ist vorbei. Die jetzigen Angriffe auf die freiheitliche Massenbewegung sind infam, hässlich, brutal. Aber es handelt sich doch um das finale Aufbäumen einer untergehenden Ordnung. Darin steckt das Potenzial für Chaostage und momentanes Leid, aber nicht das Potenzial für eine Konterrevolution. Erreicht haben  die Übergriffe indes, dass es nun vollends undenkbar ist, Mubarak noch bis September im Amt zu lassen. Niemand darf nach den Gewaltexzessen am Mittwoch und Donnerstag von den Ägyptern erwarten, dass sie Mubarak und seinen Machtapparat sieben weitere Monate gewähren lassen.

Wie lange die alten Kräfte noch prügeln und den Wandel des Landes hinauszögern können, hängt wesentlich von der Armee ab. Sie wird den Volksaufstand nicht niederkartätschen, das steht schon seit Tagen fest. Die Generalität will das nicht –  und selbst wenn sie es wollte, so könnte sie es nicht: Ägyptens Armee ist eine Wehrpflichtigen-Armee, die einfachen Soldaten würden einen Schlag gegen das eigene Volk kaum mitmachen. Im Augenblick sieht es vielmehr danach aus, als bemühten sich die Truppen, den Terror der Mubarak-Anhänger zu unterbinden. Behalten die Generäle diese Linie bei, werden die Straßenkämpfe später einmal bloß als Fußnote der großen ägyptischen Revolution von 2011 notiert sein.

Derweil in Tunesien und Ägypten die Grundsatzentscheidung für einen Weg des Wandels wohl gefallen ist, besser: von den Völkern auf der Straße erstritten wurde, spitzen sich im übrigen maghrebinisch-arabischen Raum die Entwicklungen erst noch zu. Demonstrationen und Streiks in Algerien, Proteste in Marokko, sogar in Syrien. Der jordanische König versucht sein massenhaft demonstrierendes Volk mit einer banalen Regierungsumbildung zu beruhigen. Das arabische Armenhaus Jemen ist ein Pulverfass, an dem die brennende Lunte sehr kurz geworden ist.

Was wird nun wie, wann geschehen? Die tunesischen und ägyptischen Umbrüche hatte der Westen nicht erwartet. Er war zu sehr mit der Pflege der verbündeten, geostrategische Stabilität versprechenden Despoten beschäftigt. Auf die Bevölkerung dort hatte einfach keiner geachtet. Die Menschen aber sind in Bewegung geraten, wollen Freiheit und Selbstbestimmung, drehen stolz und energisch am Rad der Geschichte. Jetzt kann –  wie 1989 in Deutschland – alles ganz schnell ganz anders werden. Schneller, und anders als gedacht. Wenn am Wochenende die Strategen des Westens zur Münchner Sicherheitskonferenz zusammenkommen, dürften sie ziemlich ratlos vor Veränderungen stehen, mit denen so keiner gerechnet hatte – weil die Arroganz der Macht blind macht.                         Andreas Pecht               

(Erstabdruck 04. Februar 2011)

Siehe zum Thema ferner

 
2011-01-30a Analyse/Kommentar:
Revolution auch in Ägypten - "Die Straße" schreibt Weltgeschichte


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