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2010-10-26 Porträt:

Katholische Hochschulgemeinde (KHG) Koblenz: Nach 40 Jahren geht es jetzt um Sein oder Nichtsein
 

Für Studierende die
etwas andere Seelsorge


 
ape. Koblenz. Es gibt sie im Bistum Trier drei mal, die Katholische Hochschulgemeinde (KHG). Und zwar in den Universitätsstädten Trier, Saarbrücken und Koblenz. Ob das allerdings auch im nächsten Jahr noch so sein wird, wussten bis zum Abgabeschluss für diesen Artikel nicht einmal die beiden Macher in der Koblenzer KHG: Hochschulpfarrer Johannes Stein und Pastoralreferent/Geschäftsführer Guido Groß (siehe unten Nachtrag vom 27.10.). Denn im Bistum Trier weht derzeit ein recht weltlicher Geist – Spargeist. Davon später mehr. Zunächst sei mit der KHG Koblenz eine seit vier Jahrzehnten munter aktive Institution vorgestellt. Ihr 40. Geburtstag fällt ins Jahr 2011, und hoffentlich nicht mit ihrem Ableben zusammen.


Koblenz, Oberwerth, Rheinau 12. Ein hübsche alte Villa in der vordersten Reihe, freier Blick auf Rheinwiesen und Strom. Das Domizil der KHG liegt wunderschön und sehr, sehr ruhig. Genau das aber ist ein Problem. Denn um Studierende soll die Einrichtung sich kümmern. Doch Studierende gibt es seit einiger Zeit hier weit und breit keine mehr. Erst wurde die einst nur ein paar Meter weiter untergebrachte Erziehungswissenschaftliche Hochschule (EWH) zur Universität umgemodelt und verzog nach Koblenz-Metternich. Hernach machte sich in den Gebäuden auf dem Oberwerth vorübergehend die FH-Koblenz breit. Nach Sanierung und Ausbau ihres Campus auf der Karthause verschwanden indes auch die Fachhochschüler wieder.

Der Letzte macht das Licht aus. So es ihr vergönnt sein sollte, wird wohl die KHG demnächst das einzig noch verbliebene Lämpchen studentischen Lebens auf dem Oberwerth ausknipsen: „Wir wollen in den Innenstadtbereich umziehen, wo wir für Studierende der Universität und der FH besser erreichbar sind“, erklärt Guido Groß. Schon seit ein paar Jahren haben er und Johannes Stein verstärkt KHG-Aktivitäten in die Hochschulareale auf der Karthause, in Remagen und Metternich verlagert, lassen dort Veranstaltungen stattfinden, oder stehen den Studierenden als Gesprächspartner zur Verfügung. Und wenn mal keiner zu ihnen kommt, gehen sie halt zu den jungen Leuten hin, egal ob Katholik, Protestant, Muslim, Buddhist oder Atheist: in der Mensa, auf dem Hof, in der Raucherecke.

"Wir missionieren nicht"

Um was zu besprechen? „Alles, was den Studierenden im Einzelfall auf den Nägeln brennt oder auf der Seele liegt“, sagt Groß. Also Schäfchen sammeln für die katholische Kirche? Hochschulpfarrer Stein wehrt beim Gespräch entschieden ab: „Wir missionieren nicht!“ Wozu ist die Katholische Hochschulgemeinde sonst da? Es ist an der Zeit, klarzustellen, dass man bei der Begegnung mit der KHG vorgefasste Urteile gegenüber kirchlichen Einrichtungen getrost an der Garderobe abgeben kann. Das fängt schon damit an, dass der Unkundige den in weltlicher Alltagsmontur und -manier auftretenden Herren Stein und Groß nicht ansehen kann, welcher von beiden der Pfarrer ist.

„Natürlich kümmern wir uns um die Betreuung katholischer Studierender, aber die KHG ist immer schon ein offener Kreis für alle“, erklären sie. Kurzum: Es geht um interessante und/oder hilfreiche Angebote an die Studierenden generell. An junge Menschen, die in einer Phase des Umbruchs stecken, des Aufbruchs, der Abnabelung vom Elternhaus, der Auseinandersetzung mit noch unbekannten Herausforderung im privaten wie im universitären oder bald beruflichen Leben. Zu diesem Zweck wurde die KHG Koblenz 1971 gegründet. Erster richtiger Studentenpfarrer dort war damals Günter Reinert; bis dahin hatten örtliche Priester die Studentenbetreuung quasi nebenbei machen müssen. Auf Reinert folgten etliche Hochschulpfarrer; jüngster in der Reihe ist seit acht Jahren Stein. Sein ebenfalls theologisch studierter, aber nicht Priester gewordener Kollege Groß gehört schon seit 25 Jahren zum aktiven Inventar auf dem Oberwerth.

Einst auch ein stark politischer Faktor

Groß erinnert sich an die 80er, da die KHG in Koblenz noch wesentlich stärker auch ein politischer Faktor war. Etwa als Beratungsstelle für Kriegsdienstverweigerer. Oder als Ausrichter von Arbeitskreisen, die sich in umwelt-, sozial- und entwicklungspolitischen Fragen engagierten.  Der bis heute existierende „Weltladen“ (früher „Dritteweltladen“) ist aus solch einem KHG-Arbeitskreis hervorgegangen, ebenso der Verein „Die Schachtel“ mit dem Obdachlosenrestaurant „Mampf“. Die hohe Zeit der festen Arbeitskreise sei inzwischen vorbei, resümiert Groß, „aber die Themen sind geblieben“. Und entsprechende Veranstaltungen nehmen auch im aktuellen KHG-Programm   einigen Raum ein.  Da geht es um Klimawandel am Beispiel Bangladesh, um Gesellschaftswandel in Tansania oder um das Gespräch mit einer KZ-Überlebenden.

Vorbei auch die Zeit legendärer KHG-Feten, die vor 20 und 30 Jahren noch Studenten jedweder Couleur anzogen, weil Koblenz für diese Altersklasse seinerzeit nicht eben allzuviel bot.  „Das Angebot ist mittlerweile derart opulent, dass es keinen Sinn macht, wenn wir da auch noch mitmischen“, meint Stein. Dann lieber in der Rheinau 12 sommers eine gemütliche Gartengrillerei, winters einen knuffig-studentischen Nikolausabend am Kamin. Ansonsten aber die Kräfte konzentriert auf beispielsweise: eine anspruchsvolle Filmreihe in Zusammenarbeit mit dem Apollo-Kino; Themenabende, die sich kritisch mit Perspektiven der Bildung auseinandersetzen, über Gott im Biologieunterricht orientieren oder kontrovers der Frage nachgehen „Kann man Gott lästern?“; eine Reihe über Spiritualität , die von der Einführung in die ZEN-Meditation über Gebetsstunden bis zum Wochenende im Kloster reicht.

Der Spargeist geht um im Bistum Trier

Und die Fortführung all dieser Arbeit steht nun auf dem Spiel? Weil das Bistum Trier sich selbst eine düstere Finanzzukunft prognostizierte und deshalb seine Hochschulgemeinden zur Disposition stellt? Stein und Groß sind bekümmert, geben aber die Hoffnung nicht auf. Denn nach Bekanntwerden der Pläne zur KHG-Schließung im Juni brach ein Sturm des Widerspruchs los. Die Bistums-Oberen sahen sich einer Postkarten- und Briefflut des Protestes ausgesetzt. Ja es standen sogar die Hochschulpräsidenten der drei KHG-Standorte in Trier auf der Matte, um dem Bischof ins Gewissen zu reden. Eine so starke Verankerung der KHGs vor Ort machte die Bistums-Verantwortlichen staunen und nachdenklich. Weshalb Johannes Stein und Guido Groß wieder etwas zuversichtlicher sind, dass die Arbeit der KHG Koblenz irgendwie doch weitergehen kann.                                                                            Andreas Pecht

Info/Kontakt: www.khg-koblenz.de 

(Erstabdruck 43. Woche im Oktober 2010)


Aktueller Nachtrag am 27. Oktober:

Kurz nach dem Druck dieses Artikels und wenige Stunden nach seiner gestrigen Veröffentlichung hier gab das Bistum Trier eine Pressekonferenz. Dort stellte es seine etwas entschärften und zeitlich gestreckten Sparpläne vor. Danach treten die im Artikel angesprochenen schlimmsten Befürchtungen nicht ein: Die KHGs Saarbrücken, Trier, Koblenz bleiben erhalten. Allerdings kommt es zu einer Neukonzipierung auf Basis eines um knapp 30 Prozent gekürzten Budgets. Auch werden bis 2016 die Stellen der hauptamtlichen Hochschulpfarrer bei den KHGs wegfallen.      


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Hochschule, Katholische Hochschulgemeinde, Koblenz, Existenznöte, 40 Jahre am Ort, Porträt
 
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