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2010-10-07 Schauspielkritik:

"Leben des Galilei" im Schlosstheater Neuwied.
Regie: Hans Thoenies

Brecht-Klassiker als bodenständiges Historiendrama


 
ape. Neuwied.  „Das Leben des Galilei“ ist eines der meistgespielten Stücke Bertolt Brechts. Die Geschichte vom Physiker, der beweist, dass die Erde nicht fixer Mittelpunkt des Universums ist, hatte jetzt in Neuwied Premiere. Regisseur Hans Thoenies richtete dem Schlosstheater eine bodenständige Aufführung von etwas mehr als zwei Stunden ein.

 
Großes Schauspiel auf kleiner Bühne, die opulente Kulissenschieberei gar nicht zuließe. Damit ist die Umsetzung ganz auf schauspielerischen Ausdruck verwiesen. Szenenwechsel werden durch bescheidene Requisiten-Umstellung markiert – „Galilei“ tritt als Kammerspiel an. Das tut dem Stück gut, konzentriert die Aufmerksamkeit aufs Wort. Was Brechts Intentionen entgegenkommt: Disput ist das Medium des Werkes, nicht Action.

Was geht diese Story uns heute noch an? Die Kirche hat längst ihren Frieden mit der Naturwissenschaft gemacht. Kein mit inquisitorischem Terror behauptetes Religionsdogma kommt wissenschaftlicher Rationalität mehr in die Quere; kein Kleriker sucht Gott „oben“ im astronomischen Himmel. Dennoch motivieren im Theater schon die ersten Szenen aktuelle Gedanken.

Galilei hadert mit seinen Dienstherren wegen des kargen Lohnes. Es wird ihm beschieden, dass Wissenschaft und Gelehrsamkeit eben nur so viel wert seien, wie ihre Ergebnisse am Markt Profit erzielten. Sogleich steckt der Zuseher mit dem Kopf mittendrin im heutigen Diskurs über den Zweck von Bildung und Wissenschaft. Das geht an diesem Abend auch mit anderen Themen so. Etwa: Arroganz der Spezialisten gegenüber dem Volk; Borniertheit von Mainstream-Vertretern gegenüber Minderheitspositionen; pathetische Erwartungen von Heldentum gegenüber schlichtem Wunsch nach anständigem Leben....

Nicht, dass die Inszenierung auf Gegenwartssicht hinarbeiten würde. Thoenies' Regie zielt im Gegenteil auf ein Historiendrama. Und Kara Schuttes Kostüme greifen in sehr plakativer Manier zu altehrwürdiger Kleiderpracht. Die Brücke zu aktuellen Themen entsteht hier zwischen Brecht-Stück und Zuseher von alleine. Das Theater bietet dem Publikum das Werk zur eigenen Interpretation an.

Volker Weidlich gibt denn auch einen zurückgenommenen Galilei. Zwar fährt er gelegentlich wütend aus der Haut, meist aber wirkt er in sich gekehrt. Die Brecht'sche Lust am Denken wie an gutem Essen fällt hier kühler aus, als bei diesem Stück oft gesehen (unter anderem vor 20 Jahren in der Darstellung von Schlosstheaterintendant Walter Ullrich). Überhaupt hat die Inszenierung, sieht man von einigen satirischen Überzeichnungen ab, eine bis in die Spannungsbögen reichende Neigung zum Understatement.

Daraus werden bei Luna Metzroths Frau Sarti leise Sticheleien mütterlicher Alltagsweisheit, bei Laura Weiders Galilei-Tochter ein anfangs entwicklungsoffener Mix aus Naivität und Kiebigkeit.  Allerdings hat diese Spielweise auch zur Folge, dass vor allem einige Jungmänner-Figuren etwas blass bleiben. Darüber hilft Brechts Text hinweg, der in Neuwied ausnehmend sauber gesprochen wird.                                                        Andreas Pecht
                 

Infos: www.schlosstheater-neuwied.de

(Erstabdruck 8. Oktober 2010)

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