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2010-10-01 Buchkritik:

Hanns-Josef Ortheil publiziert seine
Kindheitsnotate über „Die Moselreise“


 
Der Bub, der Vater und der Fluss

 
ape. Anno 1963. Ein Vater begibt sich mit seinem Sohn auf die Reise. Eine langsame Reise, von Koblenz die Mosel hinauf nach Trier. Für einige Abschnitte nutzen die beiden Bahn oder Schiff, meist jedoch sind sie zu Fuß unterwegs. Die Mutter blieb daheim in Köln. Doch der 11-jährige Hanns hält Verbindung zu ihr: Täglich schreibt er ihr Postkarten, berichtet kurz, was er mit dem Vater bei der Wanderung am Fluss erlebt und wie er sich dabei fühlt.
 
Die Postkartentexte sind wiederkehrender Bestandteil in Hanns-Josef Ortheils jüngstem Buch „Die Moselreise“. Sie sind eingeblockt in Impressionen und Reflexionen, die der im Westerwald aufgewachsene Autor damals als Bub während einer tatsächlichen Moselreise in seiner Schreibkladde notierte. Der Leser kennt den Knaben aus Ortheils autobiografischem Roman „Die Erfindung des Lebens“. Darin war er zusammen mit der Mutter verstummt, die vier Söhne verloren hatte. Darin hatte er bei Wanderungen mit dem Vater und über das Schreiben wieder zum Sprechen gefunden.

An jenen Roman knüpft „Die Moselreise“ an, erlaubt nun einen intensiven Blick auf das Schreiben des Kindes. Das Buch ist sein Reisetagebuch, und lesend verfolgen wir, wie Hanns  seinerzeit die Wanderung mit dem Vater erlebte. Romane in kindlicher Sprache aus Kinderperspektive sind nicht jedermanns Sache. Man muss die Art mögen; das gilt auch für dieses Buch.

Der Autor, oder richtiger: der 11-jährige Ortheil macht einem die Lektüre allerdings angenehm, ja anrühernd. Er schreibt zwar in geradliniger Jungensprache, langweilt aber nicht mit Aufzählung nach Manier „und dann, und dann, und dann ...“.  Vielmehr beobachtet er auf kindliche Weise sehr genau: die Menschen am Fluß, die Lokalitäten, die Landschaften, den Vater und dessen Verhalten, sich selbst. Und der Knabe, dem das tägliche Schreiben schon seit einigen Jahren lebensnotwendig ist, findet passende, reizende Worte und Sätze.

Dies Buch handelt in erster Linie über eine Reise von Vater und Sohn zueinander. Aber das geschieht nicht über psychologisches Tiefschürfen, sondern mittels teils naiver, doch stets sensibler Beleuchtung der unterwegs handfest erlebten Realitäten. Das macht „Die Moselreise“ für hiesige Leser auch zu einer Art rückblickendem Heimatroman. Man erinnert die Örtlichkeiten, die die beiden abschreiten, besuchen, besichtigen: den Koblenzer Rittersturz, damals noch mit Hotel; den Abstecher zur Burg Elz, mit damals noch trockener Führung; die Jugendherberge Cochem, mit damals noch grantigem Herbergsvater...

Vor allem aber provoziert Ortheil hier ein fast wehmütiges Verständnis für den Wert des gemächlichen, ganz schlichten Reisens. Für die Nähe, die es zwischen Menschen herstellen kann. Und es gibt Preziosen in dem Buch, die man nicht mehr missen möchte. Etwa diese wunderbare Beschreibung der Mosel: „Die Mosel ist grünblau und grünbraun, an den Rändern aber eher grün. In der Mitte ist die Mosel wie ein dunkler, stiller Teich, fett und dunkelgrün und unheimlich.“                            Andreas Pecht

Hanns-Josef Ortheil: "Die Moselreise". Luchterhand, 220 Seiten, 16,99 Euro.       


(Erstabdruck 40. Woche im Oktober 2010)


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Literatur, Neuerscheinung, Ortheil, Moselreise, Rezension
 
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