Kritiken Theater
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2010-09-13 Schauspielkritik:

"Buddenbrooks" am Schlosstheater Neuwied.
Regie: Frank Matthus


Das Geschäft zersetzt eine Familie


 
ape. Neuwied.  Nicht schlecht! Die Truppe, die derzeit im Schlosstheater Neuwied „Buddenbrooks“ gibt, hat schauspielerisch einiges drauf. Grundlage des gut zweieinhalbstündigen Abends ist der berühmte Roman von Thomas Mann. Die textliche Bearbeitung für die Bühne besorgte vor einigen Jahren der Dramaturg und Schriftsteller John von Düffel; Uraufführung war 2005 in Hamburg. Die jetzt in Neuwied zu sehende Inszenierung von Frank Matthus schafft mit sparsamen Mitteln eine kleine feine Umsetzung.

 
Der Literaturfreund vermisst zwar manches Detail des Romans. Aber eine 700-Seiten-Story auszuspielen, würde die Möglichkeiten des Theaters sprengen. Gefordert ist also Konzentration auf des Buches Kern, bei Erhalt von Geist und Atmosphäre der Vorlage. Düffel hat das mit seinem Textzuschnitt schön hingekriegt, Matthus auf der Bühne geschickt nachvollzogen.

Auf angeschrägtem Boden ein Tisch, wenige Stühle; der Raum seitlich begrenzt durch klassizistische Säulen, deren Zwischenräume mit weißem Stoff verhängt sind. Darauf immer wieder projiziert: Stadtbilder um 1900, Fotos von Thomas Mann, Passagen aus seinem Roman. Rolf Spahns Bühne skizziert literarisch gefärbtes Zeitkolorit. Dem ist auch das theatrale Spiel verpflichtet, ohne sich indes in plattem Realismus zu verlieren.

Was Thomas Mann „Familienchronik“ nannte, könnte hier „Szenen aus einer Familiengeschichte“ heißen. Beginnend mit dem noch jugendlich aufgeregten Blättern der drei Kinder von Kaufmann und Konsul Johann Buddenbrook im Familienbuch, hangelt sich die Inszenierung in sauber montierten Einzelszenen durch Momentaufnahmen aus dem Leben der Großbürgerfamilie. Sehr dezent, aber konsequent wird die Darstellung Zug um Zug tragisch verdichtet.

Anfangs steht der alte Buddenbrook (Klaus Mikoleit) in patriarchalischem Ernst wie ein Fels inmitten der fast boulevardesk überzogenen Leichtigkeit seiner Umgebung. Dann schlägt des Lebens Lauf Schrunden ins Wesen der so verschiedenen Charaktere. Tochter Tony (Nadine Nollau) geht durch zwei jämmerliche Zweck-Ehen. Sohn Christian (Jörg Walter) –  Schöngeist, Hypochonder und schwarzes Schaf der Familie – findet nicht zur bürgerlichen Tugendstrenge. Sein Bruder Thomas (Jan-Hinnerk Arnke) tritt in die Fußstapfen des bald verstorbenen Vaters, zerbricht schließlich an dieser Aufgabe.

Geld regiert die Buddenbrook'sche Welt. Die Sorge ums Wohl der Firma bestimmt auch das private Miteinander dieser Familie, dominiert Eheschließung, Erbwaltung, Lebenspläne. Sie prägt, besser: untergräbt Ethos, Moral, Kultur. Unter dem Diktat der Ökonomie erweisen sich die bürgerlichen Tugenden als fadenscheinig. Mit dem heraufziehenden wirtschaftlichen Niedergang der Dynastie geht ihren Menschen die Lebensmitte verloren. In der kompakten Theaterfassung kommt dieser Gedanke noch wuchtiger zur Wirkung als im Roman. 


Infos: www.schlosstheater-neuwied.de

(Erstabdruck 14. September 2010)

---------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
---------------------------------------------------------

Thomas Mann, John von Düffel, Buddenbrooks, Schlosstheater Neuwied, Regie Frank Matthus, Kritik

Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken