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2010-08-10 Analyse:

Feuersbrunst in Russland, Flutkatastrophe in Asien: 

Die  Wirkungen des Klimawandels treffen uns

gänzlich unvorbreitet an



 

"Wir sind dem nicht gewachsen"



 
ape. 

Hunderte Brandherde in Russland während einer noch nie dagewesenen Hitzewelle. Pakistan durch so noch nie erlebte Regenfluten auf 1000 Kilometer überschwemmt. Regierungen und Katastrophenhelfer sind völlig überfordert. Die jüngsten Wetterextreme offenbaren: Die Wirkungen des Klimawandels treffen uns unvorbereitet und zugleich rächt sich falsche Infrastrukturpolitik.

Bilder aus Russland: Moskau im Smog verschwunden, erschöpfte Bürger mit Atemmasken; auf dem Land verbrannte Dörfer, Wälder in Flammen, Atomanlagen in Gefahr; Menschen, die mit der Handspritze Brandherde bekämpfen. Und Politiker, die hemdsärmelig tun, als hätten sie die Lage im Griff.


Bilder aus Pakistan: Überflutetes Land so weit das Auge reicht; vom Wasser zerstörte Häuser und Ortschaften; dahintreibende Tierkadaver; Erdrutsche, die zahllose Menschen unter sich begraben; Lager für Flutflüchtlinge, die schon wieder im Wasser stehen; Katastrophenhelfer, die bekennen: „Wir sind völlig hilflos.“ Und Politiker, die das Ausland um Hilfe anflehend eingestehen: „Wir sind dem nicht gewachsen.“


Horrorszenarien, die auch den Betrachter in der Ferne auf mehreren Ebenen erschüttern. Da ist zuerst das mitleiderregende Mosaik aus Einzelschicksalen, der individuelle Verlust von Haus, Hof, Gesundheit, Leben. Da ist dann das ungläubige Staunen, besser: Entsetzen, sobald einem die Dimension der Katastrophen bewusst wird. Da ist der Zorn über das Versagen des Katastrophen-Managements, verbunden mit der Befürchtung, dass womöglich auch bessere Organisation an der Größe der Herausforderung verzweifeln müsste.


Und da ist schließlich die böse Ahnung, es möchte sich erst um die Frühphase jener Extreme handeln, die der Klimawandel noch mit sich bringt. "Das, was wir jetzt erleben, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns bald erwartet", erklärte am Wochenende der Klimaforscher Mojib Latif. 


Seit mehr als zwei Wochen toben in Russland gleichzeitig bis zu 700 Großfeuer. In Pakistan sind nahezu 14 Millionen Menschen direkt von der Flut betroffen, bald 2000 zu Tode gekommen. Die Katastrophe wälzt sich über 1000 Kilometer Länge und mehrere Hundert Kilometer Breite den Indus entlang durchs Land.


Bei der Ursachenforschung stößt man zunächst auf extreme, möglicherweise historisch erstmalige Wetterlagen. Eine derart lange und heiße Trockenperiode hat es in Russland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren noch nie gegeben. Der russische Chef-Meteorologe Alexander Frolow geht noch weiter: Aus 1000 Jahren sei nichts Vergleichbares überliefert. Im Falle Pakistans kommt der UN-Sondergesandte Jean-Maurice Ripert zu einem ähnlichen Befund: „In der Erinnerung findet sich kein derartiges Drama. Es sind die schlimmsten Überflutungen aller Zeiten in Pakistan.“


Gerade die russische Feuersbrunst macht darauf aufmerksam: Die katastrophalen Auswirkungen der Wetterextreme rühren nicht allein vom längerfristigen Klimawandel, sondern teils auch von kurzfristigen Versäumnissen und Fehlern. Die russische Regierung hat in den letzten Jahren die staatliche Forstaufsicht fast völlig abgeschafft. Mehrere zehntausend Forstbedienstete wurden entlassen, somit die Aufsicht über die Wälder eingestellt. Sich selbst überlassen blieben auch die zu Sowjetzeiten trockengelegten und zur Torfgewinnung genutzten Moore, die jetzt unterirdisch glühen.


Zwar werden die russischen Wälder heute eifrig, vielfach von Privatfirmen, ausgebeutet. Von einer systematischen, vernünftigen Forstbewirtschaftung inklusive Aufforstung sowie Wald- und Brandschutz kann indes keine Rede sein. Alles, was Kosten verursacht, gerät ins Hintertreffen. Der missliche Zustand des russischen Feuerwehrwesens in der Provinz ist Ausdruck davon – und die neuen Wetterextreme bestrafen solche Schwächen unbarmherzig.


Das bestätigt auch die aktuelle Flut im Dreiländereck Tschechien, Polen, Deutschland. Wieder sehr starke Niederschläge führten nicht nur per se zu Überschwemmungen, sondern offenbaren zugleich: Viele Dämme sind den Anforderungen durch die neuen Wetterlagen auf Dauer nicht gewachsen. Folge waren in diesen Tagen etwa der Staumauerbruch eines polnischen Wasserspeichers mit dramatisch verschärfender Wirkung auf die Hochwasserlage sowie Deichbrüche in Brandenburg.


Wenn die Wettervorhersagen recht behalten, könnte es in Russland alsbald regnen und kühler werden. Für Pakistan, Indien und China sind die Aussichten schlechter: Die Regenzeit hat erst begonnen und die Angst geht um, dass der einst so segensreiche Monsun sich zur lebensgefährlichen Plage entwickelt. Fluten, Stürme, Dürren – die Extreme werden zum Normalfall. Doch die Menschheit hofft noch immer, die großen Katastrophen mögen Jahrhundertausnahmen bleiben. Deshalb ist sie für die neue Normalität nicht gerüstet: weder politisch noch wirtschaftlich, weder beim Klima- noch beim Katastrophenschutz. 

                                                                                       Andreas Pecht



(Erstabdruck 11. August 2010)


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