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2010-08-06c Musikwelt/Feature:

Hansgünther Heyme will mit
Wagners "Ring" (etwas) bewegen

Gemeinschaftprojekt Ludwigshafen/Halle versucht mannigfache Brückenschläge


ape Ludwigshafen/Halle. 2013 jährt sich der Geburtstag von Richard Wagner zum 200. Mal. Die Theater werden aus diesem Anlass reichlich Gebrauch machen vom nachgelassenen Oeuvre des Bayreuther Meisters. Bereits angekündigt hat manches Haus für das Vor- und Umfeld des Jubiläums neue Produktionen von Wagners opus magnum, dem „Ring des Nibelungen“. Zur großen Überraschung der deutschen Opernszene kam eine solche Ankündigung auch aus Ludwigshafen: Das Theater im Pfalzbau bringt von 2010 bis 2013 die gesamte „Ring“-Tetralogie als Inszenierung seines Intendanten Hansgünther Heyme auf die Bühne.

Die Ankündigung sorgte weithin für Verwunderung, im benachbarten Mannheim gar für Verstimmung: Man mochte in der baden-württembergischen Stadt mit ihrer langen Wagner-Tradition nicht einsehen, dass die rheinland-pfälzische Chemiestadt am anderen Rheinufer ganz ohne Wagner-Tradition mit einem eigenen „Ring“ auf den Markt geht. Wenige Tage nach Bekanntgabe der Ludwigshafener Pläne, zog der Nachbar dann mit der Nachricht nach: Das Nationaltheater Mannheim löst zum Wagner-Jubiläum die seit 1999 laufende „Ring“-Produktion von Martin Schüler durch eine neue ab. Die Regie übernimmt Christof Nel. Diese Personalie führt    im von der Lokalpresse schon so genannten „Ring-Kampf am Rhein“ zu einer pikanten Konstellation: Der heute 66-jährige Nel hatte seine ersten Regiearbeiten einst unter der Kölner Schauspieldirektion des zehn Jahre älteren Heyme abgeliefert.

Wie aber soll das nun gehen, ein „Ring“ in Ludwigshafen? Der Gigant aus vier großen Opern mit insgesamt 16 Stunden Spieldauer produziert von einem Theater, das zwar als Bühne für hochrangige Gastspiele einen guten Namen hat, aber weder eigene Werkstätten noch ein eigenes Ensemble besitzt? Das geht logischerweise gar nicht. Und doch wird es gemacht: Heyme steckt bereits bis über beide Ohren in der Regiearbeit, die ersten Proben laufen, am 5. November startet der „Ring“ mit der Premiere von „Rheingold“ in Ludwigshafen.

Dirigent ruft zur "Ring"-Gemeinschaft

Wie also funktioniert das? Als Gemeinschaftsprojekt des Theaters im Pfalzbau, der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen, dem Opernhaus Halle an der Saale und der dortigen Staatskapelle. Zwischen diesen vier Elementen gibt es einen Berührungspunkt, und der heißt: Karl-Heinz Steffens, seines Zeichens Chefdirigent des Ludwigshafener Orchesters und zugleich Generalmusikdirektor in Halle. Der aus Trier stammende Musiker hatte die Idee, diese vier Institutionen zur „Ring“-Gemeinschaft zusammenzuführen: Heyme, einer der großen alten Männer des deutschen Regietheaters, übernimmt die Inszenierung; Steffens die musikalische Leitung;  produziert wird am Opernhaus Halle, gespielt wechselweise dort und in Ludwigshafen; an den jeweiligen Heimatorten kommen dann die jeweiligen Orchester zum Einsatz.

In beiden Städten 2010 „Rheingold“, 2011 „Walküre“, 2012 „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. Im Wagner-Jahr 2013 dann die ganze Tetralogie noch einmal am opulenten Stück. Der Ludwigshafener/Hallenser „Ring“ ist eine Form deutsch-deutscher Kulturzusammenarbeit, wie es sie bislang noch nicht gegeben hat. Und auch die Herangehensweise an das Projekt unterscheidet sich teils beträchtlich vom langjährigen „Ring“-Usus andernorts. „Ring plus“ nennt sich ein Konzept, das eine Art Rahmenprogramm umreißt, aber weit über das hinausgeht, was man gemeinhin unter Rahmenprogramm versteht. Sämtliche Aktivitäten zusammengenommen ergibt sich dieses Bild: Hier will jemand offenbar mit Hilfe und rund um Wagners „Ring des Nibelungen“ etwas in Bewegung setzen.

"Das sind brennend aktuelle Opern"

Treffen mit Hansgünther Heyme und gleich die Frage: Was meint „Ring plus“? Antwort: „Eine Fülle von Veranstaltungen und Aktionen, mit denen wir vier Jahre lang das Theaterereignis unterfüttern. Das ist Basisarbeit, wenn sie so wollen, mit der wir Wagners Werk und heutige Menschen aus allen Bevölkerungsschichten zusammenbringen wollen.“ Und diese Basisarbeit hat bereits im Frühsommer 2010 mit dem Projekt „Vorhang der Hoffnung“ begonnen. Kinder- und Jugendliche geben ihren Hoffnungen und Zweifeln für die Zukunft malend Ausdruck. Die so entstandenen Bilder werden zum Theatervorhang für die „Ring“-Aufführungen montiert, dazwischen Texte aus dem philosophischen Werk „Prinzip Hoffnung“ des 1855 in Ludwigshafen geborenen Ernst Bloch.  Rund 4000 Kinder/Jugendliche haben sich laut Heyme bislang aus Schulen und anderen Einrichtungen in Ludwigshafen und Umgebung sowie in Halle daran beteiligt.

Was hat unsere Gegenwart und Zukunft mit Wagners „Ring“ zu tun? „Fast jedes Thema, das heute auf den Nägeln brennt,“ erklärt Heyme, „wird im Ring verhandelt: Veränderung von Staat und Familie, Moral und Unmoral des Kapitals, Verhältnis Mensch vs. Natur etc. Es ist ungeheuer, es ist toll von welcher Aktualität diese Opern sind.“  Dirigent Steffens formulierte es an anderer Stelle so: „Seine Kritik an einer immer brutaler werdenden industrialisierten Welt kleidete Wagner in das mythologisch-entrückte Kunstgewand einer vorzeitlichen Götter- und Fantasiewelt. In Ludwigshafen und Halle soll nun die Allegorie von Wagners Ring auf die moderne Zeit stattfinden.“

Beide wollen die Operntetralogie auf keinen Fall als bloß ästhetisches Ereignis für kunstsinnige Bürgerkreise verstanden wissen. Beide wehren sich deshalb auch vehement gegen mehrfach von verschiedener Seite zu hörendes Naserümpfen, Wagners opus magnum sei in der Arbeiterstadt Ludwigshafen fehl am Platze, sozusagen Verschwendung. „Der Heyme sagt, für uns ist das Beste gerade gut genug“, so wird in der Legende der Ruhrfestspiele Recklinghausen ein Arbeiter zitiert. 13 Jahre lang hatte Heyme das Bühnenfestival im Revier geleitet, und er erinnert sich gern an jenen Satz.

Wagner für alle und ein "Vorhang der Hoffnung"

Natürlich wissen Regisseur und Dirigent um Hemmschwellen, Vorbehalte oder Gleichgültigkeit breiter Bevölkerungsteile gegenüber Wagner. Für sie ist das nur ein Grund mehr, mannigfache Brückenschläge zu versuchen. Der „Vorhang der Hoffnung“ ist einer davon. Eine Tanz-Performance Jugendlicher zum Thema Macht und Liebe aus der „Rheingold“-Ouvertüre ein anderer. Da gibt es ferner im Rahmen von „Ring plus“ Kindertheater, das nach Tatort-Manier im Mordfall Siegfried ermittelt oder eine Wagner gewidmete Edda-Lesung. Da legen sämtliche Ludwigshafener Kulturinstitutionen vom Hack-Museum über die Musikschule bis zum Bloch-Zentrum Sonderaktivitäten zum Thema „Ring“ auf. Da laden Philharmonie und Theater Besuchergruppen aus allen sozialen Schichten zu ihren offenen „Ring“-Proben ein, inklusive erhellender Aussprache mit Heyme und Steffens.

„Es geht nicht darum Richard Wagner zu huldigen“, sagt Heyme. „Es geht darum, seine Werke für die Bevölkerung anschaulich und erlebbar zu machen sowie ihre aktuellen Schärfen für unsere gegenwärtigen Problematiken zu erschließen. Dabei knüpfen wir mit dem Programm Ring plus an die ursprüngliche Absicht Wagners an, aus Bayreuth ein Theater und eine kulturelle Begegnungsstätte fürs ganze Volk zu machen.“   Andreas Pecht

Infos: www.theater-im-pfalzbau.de   

(Erstabdruck August 2010)

Wer oder was ist www.pecht.info?

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Richard Wagner, Ring des Nibelungen, Ludwigshafen/Halle, Karl-Heinz Steffens, Hansgünther Heyme, Feature

 

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