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2010-07-30 Anmerkungen:

Bedauern über Unesco-Zustimmung zu neuer Rheinquerung
im Welterbe Oberes Mittelrheintal


Die Loreley-Brücke ist Humbug


ape. Rheintal. Ums gleich klar zu sagen: Ich bedauere die zustimmenden Signale der Unesco für den Brückenbau nahe der Loreley im Welterbegebiet Oberes Mittelrheintal.

Zwar wird - sobald der Beschlusstext des Welterbekomitees aus Brasilien im Wortlaut vorliegt - noch zu prüfen sein, ob die euphorische Deutung der RLP-Landesregierung auch zutrifft. Denn dass die Unesco ohne Wenn und Aber, ohne Einschränkungen und Bedingungen grünes Licht für eine neue Rheinbrücke nahe der Loreley gegeben hat, ist nach allen bisherigen Erfahrungen eher unwahrscheinlich. Die  bislang von der Tagung in Brasilia hereingekommenen Nachrichten sprechen bei genauerem Hinsehen auch nur von der Zustimmung dafür, dass mit den nationalen PLANUNGEN für den Brückenbau begonnen werden könne. Obendrein ist von der Ausarbeitung eines Gesamtentwicklungskonzepts für das Welterbegebiet die Rede. Was da vielleicht wie als Bedingung aneinander geknüpft ist, wäre noch zu erhellen.

Dennoch gibt es auf seiten der Unesco offenbar keine grundsätzlich ablehnende Haltung mehr gegenüber dieser Brücke. Weshalb man davon ausgehen darf, dass die  SPD-Landesregierung  - oder nach dem Wahlen im Frühjahr 2011  eine Nachfolgeregierung, sofern sie rot-gelb oder schwarz-gelb ausfällt - den Brückenbau forciert in Angriff nehmen wird. Lediglich im Falle einer grünen Regierungsbeteiligung müssten die Karten womöglich noch einmal neu gemischt werden.

Ob die Brücke tatsächlich dem Wunsch und Bedürfnis der Menschen am Mittelrhein entspricht, muss aber nach wie vor dahingestellt bleiben. Die (wirtschafts-)politischen Verfechter des Projekts wiederholen diese Behauptung seit Jahren gebetsmühlenartig, sodass sie in der Öffentlichkeit, nicht zuletzt bei den regionalen Medien, inzwischen als schiere Tatsachenfeststellung gilt. Doch gefragt hat die anliegende Bevölkerung bislang noch niemand. Es gibt das Brücken-Verlangen einiger Bürgermeister und Räte, und es gibt eine zustimmend ausgegangene Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) bei ihren örtlichen Mitgliedern. Nichts sonst! Es gibt demgegenüber die erklärten Brückengegner: Ebenfalls einige Bürgermeister und Räte, die Landes- und Orts-Grünen, sämtliche in der Großregion vertretenen Umweltorganisationen sowie eine ganze Reihe von Denkmalschützern. Die Bevölkerung als Ganzes hatte bis dato keine Möglichkeit, ein Votum abzugeben.

Wie ein solches ausgehen würde, steht durchaus in den Sternen. Mir sind während der vergangenen Jahre am Mittelrhein jedenfalls eine ganze Menge Anwohner begegnet, die den Glauben an einen mit der Brücke verbundenen Wirtschaftsaufschwung in ihrem Rheintal-Abschnitt für baren Unfug halten. Da heißt es etwa: Hüben der Taunus, drüben der Hunsrück; hüben die A3 weit weg, drüben die A60/61 weit weg; nach Koblenz oder Rhein-Main ist es hüben genauso weit wie drüben. Und die paar Aufträge mehr, die Handwerker hüben wegen schnellerer Stromquerung von drüben vielleicht ergattern könnten, gehen ihnen hüben verloren, weil die Mitbewerber von drüben dann ja ebenfalls schneller herüber kommen können.

Wer gewinnt was? Es wird ausgehen wie bei der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten bis in die Nacht und ins Wochenende hinein: Im Durchschnitt wird kein müder Euro Umsatz mehr gemacht, werden nur die Umsätze anders verteilt - der Wettbewerb verschärft sich und der gesellschaftliche Lebensrhythmus wird weiter atomisiert. Wer gewinnt was durch die Brücke? Am Ende die Gesamheit der Mittelrhein-Bevölkerung nichts. Für den Tourismus spielt die Brücke sowieso keine Rolle: Touristen mögen im Urlaub die Authentizität des Fährfahrens viel lieber.  Und abschließend bei Anwohnern immer wieder diese Aussage: "Was statt der Brücke wirklich und ganz sicher helfen würde, wäre die Beendigung des Bahn-Terrors an beiden Ufern!"

Ob die Brücke schlussendlich auch nur so viele neue Jobs generiert, wie durch die bankrott gehenden Fährbetriebe abhanden kommen, weiß der liebe Gott allein. Das einzige, was die Brücke gewiss mit sich bringt, ist: Kosten, Eingriff in Natur und Kultur, Beschleunigung und Beunruhigung des Lebens am Strom. Die wirtschaftliche Begründung für den Brückenbau ist fadenscheinig, beruht letztendlich - wie schon der Vergnügungszirkus am Nürburgring - auf reinem Wunschdenken. Aber das eigentlich Traurige an dieser Brückengeschichte ist, wäre es auch im Falle einer Tunnelgeschichte: Einmal mehr obsiegt das Primat des Ökonomismus, der Wachstumsfetisch, über Natur, Kultur und regionale Lebensart. Und das ganz ohne absehbar realistische Aussicht auf irgendeinen wirklich ins Gewicht fallenden nachhaltigen Nutzen.   Andreas Pecht


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