Thema Politik
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2010-06-19 Analyse:

Die Möglichkeit wechselnder Mehrheiten in Düsseldorf bietet Chance auf Versachlichung der Politik

 

Keine Angst vor einer
Minderheitsregierung in NRW!

 
ape. Im Schatten der Fußballweltmeisterschaft von der Öffentlichkeit fast nur mit halbem Auge verfolgt, vollzieht sich in Nordrhein-Westfalen eine hochinteressante, für manchen Beobachter vielleicht auch erschreckende Regierungsbildung. Eine rot-grüne  Minderheitsregierung soll es werden - eine  Stimme fehlt ihr zur absoluten Mehrheit. Weshalb auf interessierter Seite nun die erwartbaren Vorwürfe erhoben werden, Hannelore Kraft und Co. begäben sich in die Umklammerung durch die Linkspartei. Erinnert sei ans Wahlergebnis: Grün verdoppelte seinen Stimmanteil beinahe, die Linke ähnlich; die SPD verlor ganz ordentlich, während die CDU brachial abgewatscht wurde und die Liberalen nach dem zweistelligen Höhenflug bei der Bundestagswahl wieder auf ihr NRW-Normalmaß abstürzten. Rechnerisch ergibt das eine satte rot-rot-grüne Mehrheit mit  anhaltend schwächelnder SPD mittendrin.

Natürlich hätten CDU und SPD eine große Koalition der Wahlverlierer bilden können, mit dem Hauptwahlverlierer Rüttgers als Ministerpräsident. Auch hätten die erfolgreichen Grünen mit dem Wahlverlierer SPD und ihrem derzeitigen Erzfeind FDP zusammengehen können - damit ihren Wählerauftrag aufgeben und ihren Erfolg sofort wieder verspielen. Ähnlich bei einer Jamaika-Koalition mit den Wahlverlierern CDU und FDP. Die naheliegendste Option einer rot-rot-grünen Koalition war wohl von keiner der drei betreffenden Parteien wirklich gewollt. Vielleicht braucht es einfach noch ein bisschen, bis alle sich an die tendenzielle  Unausweichlichkeit dieser Konstellation als Spiegel heutiger Gesellschaftsrealität und damit als normale parteipolitische Kombinations-Möglichkeit gewöhnt haben.

Eine Minderheitsregierung also. Was soll so furchtbar daran sein? Mal davon abgesehen, dass nicht zuletzt die europäische Demokratiegeschichte reich ist an Mindergeitsregierungen selbst auf nationaler Ebene. Bei der Lage in NRW und vor dem Hintergrund der Situation im Bund könnte das auf einige Zeit womöglich eine recht stabile, vielleicht sogar politisch produktive Konstruktion werden. Die FDP in Düsseldorf wird sich hüten, eine Blockadepolitik zu fahren, die auf Neuwahlen hinausläuft: Wahlen möchten ihr im Augenblick und wohl noch eine Weile mit weniger als fünf Prozent im Ergebnis den Kopf kosten. Auch die Linke wird es auf Neuwahlen nicht ankommen lassen wollen: Ausgang zu ungewiss und die Gefahr einer dann großen Koalition zu groß. Für SPD und CDU wären Neuwahlen ohnehin ein unberechenbares Spiel.

Ergo: In NRW werden sich alle bis auf Weiteres mit einer Minderheitsregierung arrangieren müssen - und sie werden sich  intensiv auf die Auseinandsetzung um politische Einzelfragen einlassen müssen. Denn die Möglichkeit wechselnder Mehrheiten bei unterschiedlichen Themen beinhaltet auch den Zwang, bisweilen Abstimmungen in der Sache von der parteilichen Farbenlehre, vom  Kalkül der Parteiräson abzukoppeln. Die Öffentlichkeit dürfte sehr genau beobachten, wer im Düsseldorfer Landtag welche Entscheidungen in der jeweilige Sache trifft, oder wer nur selbstsüchtiger Parteitaktik folgt. Ob die Medien lernen können/wollen, den Sachthemen das Primat einzuräumen gegenüber dem genüsslich-wohlfeilen Herumreiten auf der "Performance", auf den personifizierten Nuancen der Farbenlehre, steht noch dahin.

Die Minderheitsregierung in NRW bietet unter den derzeitigen  Bedingungen durchaus eine Chance zur inhaltlichen Aufwertung der Politik. Ob die Chance auch wahrgenommen wird, ist eine andere Frage. In Kenntnis der gewachsenen Eigenarten politischer Akteure in Deutschland bleibt diesbezüglich allerdings erstmal jede Menge Skepsis.                                        Andreas Pecht 

Erstabdruck 21. Juni 2010

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Politik, Regierungsbildung NRW, rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf, Analyse.
 
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