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2010-06-06 Schauspielkritik:

Stadttheater Koblenz geht zum Ende der Spielzeit mit Shakespeare-Komödie außer Haus


"Der Sturm“ im Rathaushof:
laut, lau, nett


 
ape. Koblenz.  Theater Koblenz in der Sommerfrische. Die letzte Premiere der Spielzeit gab es  jetzt aushäusig open-air: Shakespeares „Sturm“ im Innenhof des Rathauses II. Dort sitzt es sich an lauem Sommerabend im Karree um die mittig eingerichtete Spielfläche angenehm. Hübsche Atmosphäre mit Freizeitwert. Aus der Nachbarschaft flirrt Urbanität herüber, wird etwa grölend ein Junggeselle ins Eheglück verabschiedet. Gelöst hält der Theaterbesucher auf seinem Platz ein Gläschen Wein in der Hand. Das wird zum Handicap als ein Affe (Caliban) auftritt und die Besucherränge zu stürmender (!) La Ola animiert. 
 

Womit wir bei der Inszenierung wären. Und bei der Kunstkritik. Die ist leider unvermeidbar, denn  es geht ja nicht um Ringelpietz, sondern um eines der komplexesten Spätwerke von William Shakespeare. Zwar ist „Der Sturm“ eine Komödie, was bei diesem Autor indes bedeutet: Es darf, muss auch noch der letzte deftige Kalauer als Pforte in die labyrinthischen Abgründe des Menschlichen und Allzumenschlichen verstanden werden.

Shakespeare bedient sich dazu der märchenhaften Geschichte vom zaubermächtigen, gelehrten  Prospero, den es Jahre zuvor mitsamt Töchterchen Miranda auf eine Insel verschlagen hat. Dort gebietet er über Geister (Ariel) und Monster (Caliban). Eines Tages lässt Prospero per Zaubersturm das Schiff des Königs nebst Gefolge an seiner Insel stranden, um sich an den einstigen Widersachern zu rächen. Es folgt ein vielschichtiges Spiel zwischen (Alb-)Traum und Wirklichkeit. Das konfrontiert verschiedene Gruppen von Akteuren mit Verlust und Leid, Intrigen und Herrschsucht,  Libido und Geniertheit, Abhängigkeit und Außenseitertum, hehren Gefühlen und deppertem  Kleingeist . . .

Dies alles findet auf dem rohen, von reichlich Sand und Zivilsationsmüll umgebenen Bretterpodium im Rathaushof (Bühne: Dirk Steffgen Göpfert) zwar irgendwie statt. Es bleibt indes bei einer ziemlich verzettelten Szenen-Abfolge und auf äußeren (Knall-)Effekt abzielende Ideen. Doch, doch, bei  Shakespeare darf’s schon saftig-deftig zugehen. Auf einen verständlichen Erzählfluss möchte man aber dennoch bestehen. Den kriegt die fahrige Inszenierung nicht hin. Weshalb Zusehern, die die Story nicht kennen, oft etwas undurchsichtig vorkommen dürfte, wer da mit wem  warum was anstellt. An Shakespeare liegt das nicht, sondern an der Regie von Karsten Dahlem.
 
Publikum auf allen Seiten heißt: Man muss nach allen Seiten spielen. Naturton plus Verstärkung durch Körpermikrofone in einem nicht überall einsehbaren Spielraum: Da kommt bisweilen  Rästelraten auf, wer gerade was tönt. Mag sein, dass deshalb so viel geschrien wird; andern Sinn macht es selten.

Schade, dass wichtige Beziehungen zwischen einzelnen Figuren nur vorbeihuschen. Etwa die zwischen Prospero und Luftgeist Ariel (Ruth Spichtig), oder zwischen Caliban (Felix Meyer) und Miranda. Schade, dass die Spannung Natur versus Konvention bei der Liebelei  Miranda und Prinz Ferdinand so stereotyp abgehandelt wird. Dennoch bleibt die Szene dank Dorothee Lochners Besinnung auf mädchenhafte Natürlichkeit und Sami El Gharbis Esprit eine der schönsten. Interessant Olaf Schaeffers  von der Regie ungebremster Prospero: Ein bis ins Mark verbitterter, boshafter Mann, der selbst beim versöhnlichen Schluss noch knarzend vor Wut schnaubt.

Zwei kurze Stunden „Sturm“ in Koblenz:  laut, lau, nett – und im Rathaushof kaum besser aufgehoben als sonstwo.   Andreas Pecht

Infos: www.theater-koblenz.de


(Erstabdruck 7. Juni 2010)


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