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2010-05-31 Vortrag/Konzerteinführung:

Einführung zum Orchesterkonzert im Görreshaus Koblenz am 30. Mai 2010 (unkorrigiertes Redemanuskript, gesprochenes Wort leicht abweichend).

Programm: Bläserserenade Es-Dur op. 7 von Richard Strauss, Trompetenkonzert Es-Dur von Joseph Haydn, Serenade Nr.1 D-Dur von Johannes Brahms. Ausführende: Andreas Stickel (Trompete), Marc Tardue (Dirigent), Rheinische Philharmonie.


Serenaden-Konzert zum letzten Maien-Sonntag 


 
ape.  Meine sehr verehrten Damen und Herrn, liebe Musikfreunde,

seien Sie herzlich willkommen zum vierten und damit letzten Görreshaus-Orchesterkonzert in der Saison 2009/2010. Die Spielzeit endet in dieser Konzertreihe, wie sie im Dezember begonnen hatte: Mit einem Nachmittag unter der Überschrift „Serenaden“. Wie damals, so bildet auch nachher eine spezifische Art von Instrumentarium und Musik einen Schwerpunkt –  Blasmusik.


„Aber lieber Pecht, wie kannst du nur im Zusammenhang mit einem Auftritt der Rheinischen Philharmonie von BLASMUSIK reden?“, so könnte jemand von Ihnen sich empören. Ja nu, das Konzert gleich geht los mit einem Stück, das Richard Strauss geschrieben hat für eine Besetzung aus 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 4 Hörnern, 2 Fagotten und dazu wahlweise ein Contrafagott oder eine Basstuba. 13 Blasinstrumente, Holz und Blech, nichts sonst dazu. Was ist das anderes als geblasene Musik, mithin Blasmusik?

Objektiv ist der Begriff also richtig verwendet. Und doch sträubt sich unser kollektives Sprachgefühl gegen die Verwendung des Wortes Blasmusik im Bezugsrahmen ernsthafter klassischer Musik. Wir empfinden es dort als fehl am Platze. Warum? Weil das Wort umgangssprachlich heute mit einem Sinn gefüllt ist, der aus einer anderen als der klassischen Kultursphäre stammt. Gemeinhin verstehen wir heute unter Blasmusik, was Militär-Musikkorps, städtische und dörfliche Vereinskapellen oder folkloristische Blaskapellen praktizieren. Bisweilen werden Jazz- und Swing-Bigbands noch der Blasmusik zugeschlagen, meist aber belässt man es inzwischen beim englischen Bigband oder Bigband-Sound als Genre-Bezeichnung.

Wenn wir Blasmusik im Sinne von klassischer Kunstmusik meinen, sprechen wir von Bläsermusik oder von Musik für Bläser, um den Unterschied zur volkstümlichen Blasmusik zu verdeutlichen. Sprachhistorisch indes dürfte diese Unterscheidung ziemlich jung sein. Wahrscheinlich stammt das allgemeine Verständnis von „Blasmusik“ als  pauschale Bezeichnung für volkstümliche und militärische Blechblasmusik erst aus dem 20. Jahrhundert. Zurückgehend auf die dort einsetzende Differenzierung zwischen E- und U-Musik, also zwischen ernster Musik und Unterhaltungsmusik.

Historisch war solche begriffliche Unterscheidung unbekannt, zumindest  nicht gängig. Wie auch, betätigten sich doch die meisten Musiker in früheren Jahrhunderten auf allen Feldern. Denken sie nur an die mehr als 350-jährige Geschichte des Koblenzer Orchesters: Das wäre vor allem im 18. und 19. Jahrhundert nie was geworden, hätten nicht immer wieder in beträchtlicher Zahl Militärmusiker aus jenen Truppenteilen mitgemacht, die jeweils in der Großgarnison Koblenz stationiert waren. Denken sie auch an die zahlreichen hochkarätigen Komponisten, von denen an dieser Stelle schon die Rede war, und die vor allem in jungen Jahren ihr Brot mit Kaffeehausmusik verdienen mussten.

 Denken sie an die Leipziger Ensembles aus Turmbläsern, Stadtmusikanten und Laien, mit denen sich der Herr Thomaskantor Bach nach eigenem Bekunden immer herumärgerte. Und denken Sie nicht zuletzt daran, dass wir heute so manches Musikstück als ewigen hehren Konzertklassiker genießen und verehren – obwohl es ursprünglich vielleicht nur als profane Hintergrundmusik zur fürstlichen Tafel komponiert ward, oder zur kurzweiligen Unterhaltung gelangweilter Höfe diente.

Womit wir beim Ursprung des musikalischen Phänomens Serenade wären. Ich darf kurz in Erinnerung rufen, was wir dazu beim ersten Serenaden-Konzert im Dezember gehört hatten:

Im Wort Serenade steckt das Italienische „sereno“ für heiter und unter unbewölktem Himmel. Ebenso „al sereno“ für „im Freien“.  Zugleich bezeichnet der Wortbestandteil „sera“ den Abend. All dies zusammengepackt, steht Serenade als Ausdruck für ein heiteres Ereignis unter freiem Himmel, und zwar am Abend. Serenade meint also keine spezielle Kompositionsform wie Sinfonie oder Sonate. Vielmehr  bezeichnet Serenade die für ein eher geselliges Ereignis gemachte oder zusammengestellte Musik. Und da es ursprünglich vor allem um Ereignisse im Freien ging, spielten sehr oft die kräftiger tönenden Bläser bei Serenaden eine besonders gewichtige Rolle.

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit, denn bereits zu Mozarts Zeit hielt die Serenade Einzug auch in die Konzertsäle. Wodurch die Möglichkeit zur Klangerweiterung auf Streicher erwuchs. Am Ende nahm's keiner mehr so genau mit dem Titel Serenade; es blieb davon allenfalls das Verständnis von Konzerten, bei denen eine gewisse Leichtigkeit und Heiterkeit den Vorzug haben sollte.

Heute also Serenade im Görreshaus – das Wetter stimmt, die Uhrzeit passt auch einigermaßen. Und sowieso darf man am Sonntag doch mal wohlgemut Abstand nehmen von den Kümmernissen, mit denen die Menschenwelt uns seit Monaten wieder besonders heftig drangsaliert: Vorneweg, ach, die Sorge ums liebe Geld!

Los geht das Konzert gleich mit dem jüngsten der heutigen Komponisten:  Wie bereits angedeutet, mit Richard Strauss. Der jüngste ist er, weil er - anders als Joseph Haydn und Johannes Brahms - für viele hier im Saal noch als Zeitgenosse gelten darf. Geboren 1864 in München (das war natürlich vor Ihrer Zeit), erlebte er noch die gesamte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er starb 1949 im Alter von 85 Jahren in Garmisch-Partenkirchen. Übrigens, wenn ich das anmerken darf –  wahrscheinlich überflüssigerweise, aber doch zur Sicherheit: Richard Strauss war weder verwandt noch verschwägert mit der Wiener Walzer-Familie Strauss.

Der jüngste im heutigen Konzert ist er auch, weil es sich bei seiner Serenade Es-Dur op. 7 für 13 Bläser um ein Jugendwerk handelt. Richard war 16 Jahre alt als er es komponierte. Und einmal mehr dürfen wir darüber staunen, zu welchen Leistungen blutjunge Talente fähig sind, wenn man sie lässt und angemessen fördert. In Richards Fall mangelte es weder an Förderung, noch musste er sich in den Anfangsjahren mit mühseligem Broterwerb herumschlagen: Der Vater war staatlich bestallter Berufsmusiker, er gehörte als erster Hornist dem Münchner Hoforchester an. Und hätte der Senior nicht genug verdient, die Familie wäre dennoch bestens versorgt gewesen. Denn die Mutter entstammte der Bierbrauer-Dynastie Pschorr, seinerzeit eine der wohlhabendsten Familien Münchens.

Das war bei Straussens dann doch etwas ganz anderes als etwa bei Johannes Brahms. Dessen Vater war zwar ebenfalls Berufsmusiker, aber halt nicht bei Hofe wie der alte Strauss, sondern bloß hamburgischer Stadtmusikant. Im Hause Brahms ging es sehr ärmlich zu. Weshalb Johannes schon im Kindesalter sich in Gasthäusern als Klavierspieler verdingen und zum Familienunterhalt beitragen musste.

Zurück zu Richard Strauss. Der wurde berühmt vor allem mit Opern wie Salome, Elektra, Rosenkavalier sowie mit seinen großen dramatischen Tondichtungen. Sie erinnern Tod und Verklärung, Also sprach Zarathustra, ein Heldenleben oder die Alpensinfonie, die wir neulich beim Koblenzer Musik-Institut unter dem Dirigat von Daniel Raiskin hören durften.

Einen unüberhörbar erzählerischen, also dramatisch gestaltenden Habitus oder Blickwinkel finden wir auch schon bei der Es-Dur-Bläserserenade des 16-jährigen Richard. Obwohl das Stück nur knapp neun Minuten lang ist, enthält es eine Vielzahl fein abgestimmter, unterschiedlicher Gefühlselemente, die sich zu einem übergreifenden erzählerischen Spannungsbogen zusammenfügen.

Der Einstieg erinnert an einen Choral. Dieser löst sich bald in gelassen romantisches Schwelgen auf. Ein Sonntagsspaziergang nach der Kirche durch Wald und Flur? So höre und interpretiere ich es. Sie mögen und dürfen Anderes hineindeuten. Plötzlich eine kleine Missstimmung, ein kurzes Signal, das raunt: Obacht, da könnte noch was passieren. Doch erstmal geht der Spaziergang in eine vergnügte, leicht hüpfende und tanzende Passage über,  die in friedlicher Rast ausklingt. Und dann passiert's doch! Was es ist, wissen wir zwar nicht, aber die Bläser blasen nun in Moll und drängend aufsteigende Begleitlinien symbolisieren: Da braut sich was zusammen, da spitzt sich was zu.

Indes, der Richard vorschwebende Tag ist wohl zu schön, um sich allzu weit in Tragik verwickeln zu lassen: Mit absteigenden Linien wird die negative Spannung bald wieder abgebaut; die Musik wandert wieder nach Dur, kehrt zurück zum Choralmotiv des Anfangs und entfaltet von dort aus neuerlich sanft beschwingte Heiterkeit. Sie werden den großen dramatischen Bogen erkennen: Licht, Schatten, Licht mitsamt Happy End, wie es sich für Serenadenmusik gehört.

Was Sie noch erkennen oder er-hören werden, ist die frühreife Raffinesse mit der der komponierende Junge die Ausdrucksmöglichkeiten des Bläserklangs behandelte. Mag sein, dass da Einflüsse des Vaters mitgespielt haben. Vielleicht nicht in dem Sinne, dass er Richard direkt half. Aber womöglich dadurch, dass der Bub über das berufliche Tun seines alten Herrn als Hornist schon früh recht gut vertraut gewesen sein dürfte mit den Möglichkeiten von Blasinstrumenten.              

 Kommen wir zum zweiten Programmpunkt des heutigen Serenaden-Nachmittags, dem Es-Dur Trompetenkonzert von Joseph Haydn. Handelt es sich bei der Strauss-Serenade um ein Jugendwerk, so bei diesem Trompetenkonzert um ein Alterswerk: Es war Haydns letzte Konzertkomposition für Orchester überhaupt. Er stellte sie 1796 im Alter von 64 Jahren fertig. Die nachfolgenden fünf Jahre bis 1801 befasste er sich überwiegend mit der Erschaffung seiner sechs großen Messen, die die breite Singe- und Oratorienbewegung des 19. Jahrhunderts auslösten. Später wurde Joseph Haydn so kränklich, dass er die verbleibenden acht Jahre seines Lebens kaum noch arbeiten konnte. Morgen auf den Tag vor 201 Jahren starb er in Wien.

Datum und Ort der Uraufführung des Trompetenkonzerts galten lange als unbekannt. Einige Musikhistoriker gehen inzwischen davon aus, dass das Werk am 28. März 1800 im Rahmen einer Akademie in Wien vor Publikum kam. Diese Akademie hatte ein Trompeter namens Anton Weidinger ausgerichtet,  und sie muss für die Zuhörer eine wahrlich außerordentliche Begebenheit gewesen sein. Denn bis dahin kannte die Musikwelt keine Trompete in unserem Sinn – so mit drei Ventilen und der Möglichkeit, sämtliche Töne der chromatischen Tonleiter darauf zu spielen.

Bis zu Meidingers Akademie verstand man unter Trompete ein Instrument, das wir vielleicht als eine Art Fanfare bezeichnen würden. Ein Blechblasinstrument, dem unterschiedliche Töne allein mittels unterschiedlich eingeblasenen Luftdrucks zu entlocken waren. Und allzu viele Töne waren das nicht: Eigentlich nur die Skala der Naturtöne. Die Einsatzmöglichkeiten dieses Instruments waren sehr beschränkt.

Besagter Anton Weidinger hatte nun aber eine neue Art von Trompete erfunden. Eine, die mit Hilfe eines Klappenmechanismus auf den gesamten Tonraum zugreifen konnte – und die dadurch zu einem vollwertigen Konzertinstrument wurde. Weidinger hatte bei etlichen Komponisten seiner Zeit Werke bestellt, in denen die musikalischen Potenziale seiner Erfindung zur vollen Entfaltung kommen sollten. Joseph Haydn ließ sich gewiss nicht lange bitten. Ohnehin zeitlebens für alle Neuerungen in der Musik aufgeschlossen, ja geradezu begierig danach, müssen ihn die Möglichkeiten der neuen Klappentrompete magisch angezogen haben.

Das Es-Dur-Trompetenkonzert, das wir nachher hören werden, ist auch danach: Ein Virtuosenstück, das das gesamte Ausdrucksspektrum des Instruments abschreitet und dem Solisten spieltechnisch enorme Schwierigkeiten zumutet. Im ersten Satz (allegro) bereitet eine Einleitung des Orchesters dem Auftritt des Stars, also der Solotrompete, die Bühne.  Es folgt eine schwungvolle und auch heitere Zwiesprache zwischen  Orchester und Trompete. Der ganze Satz ist in Sonatenform gepackt und monothematisch angelegt. Haydn verzichtet auf eine ausgeklügelte enge Motivarbeit, lässt dafür der Trompete Platz, zu zeigen, was in ihr und in ihrem Spieler steckt.

Sollten Ihnen im zweiten Satz des Trompetenkozerts, dem Andante, die ersten Töne des melodiösen Leitmotiv irgendwie bekannt vorkommen: Seien Sie gewiss, dass Sie damit nicht alleine sind. Ich will jetzt nicht verraten, woher die Bekanntheit rührt. Das würde den Effekt verderben. Nur so viel: Das Motiv entstammt ursprünglich einem kroatischen Volkslied und wurde von Haydn aufgegriffen für eine Komposition, die er dem letzten Kaiser des Hl. römischen Reiches deutscher Nation widmete. Sie alle kennen das Motiv heute allerdings aus einem anderen Zusammenhang.

Wie sehr Haydn bei seinem Trompetenkonzert darauf konzentriert war, die Möglichkeiten des neuen Klappeninstruments auszuloten und dem zeitgenössischen Publikum zu  demonstrieren, verdeutlicht der Mittelteil des zweiten Satzes: Haydn lässt dort das führende As-Dur des Satzes nach Ces-Dur modulieren. Ces-Dur ist eine Tonart, die seinerzeit so gut wie nie Verwendung fand. Problem jetzt für uns heutige Hörer: Wir können dieses fürs damalige Publikum überaus wunderliche Phänomen kaum mehr wahrnehmen. Sobald wir meinen: Ah, da könnte es gewesen sein, ist's auch schon vorbei. Die knallige, weil von keiner Trompete erwartete Überraschung, die geht uns ab. Warum? Weil wir gewöhnt sind an die noch weitergreifenden musikalischen Möglichkeiten der Ventiltrompete, die schon sehr bald  Meidingers Klappentrompete wieder verdrängte.

Wir können uns nachher an der virtuosen Kunst des Trompeters Andreas Stickel und der kraftvollen oder zarten oder auch gesanglichen Ausdruckskraft seines Instrumentes erfreuen. Für die Altvorderen anno 1800 war Haydns Trompetenkonzert viel mehr: Ein Wunder nachgerade, weil sie derartiges auf einer Trompete niemals zuvor gehört hatten.

Es mag den Menschen damals mit der Klappentrompete ergangen sein wie vielen von uns im 20. Jahrhundert mit der E-Gitarre, der elektrischen, der Rocker-Gitarre: Obwohl vom Prinzip her ein uraltbekanntes Instrument, eine Gitarre eben, erschloss ihre Weiterentwicklung zur E-Gitarre völlig neue Klangräume und musikalische Möglichkeiten. Ob man daran nun Gefallen findet oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Das war auch bei der Klappentrompete schon so: Felix Mendelssohn Bartholdy beispielsweise mochte sie überhaupt nicht leiden.

Abschließend noch einige Bemerkungen zum dritten und letzten Teil des heutigen Konzerts: Zur Serenade Nr. 1 D-Dur von Johannes Brahms. Mit 44 Minuten Länge kein eben kleines Werk. Wir wissen, es drängte den 1833 in Hamburg geborenen Brahms schon früh in Richtung großer Sinfonien. Aber der Zigarren schmauchende Rauschebart hatte eine Heidenangst vor dem gewaltigen Erbe und den Maßstäben, die der Gigant dieses Genres, Beethoven, hinterlassen hatte. Und doch zeichnet sich bereits Jahre vor der Vollendung seiner 1. Sinfonie 1876 ab, dass Brahms vor allem sinfonisch denkt. Seine Klavierwerke etwa sind durchdrungen von orchestralem Geist. Robert Schumann machte 1853 die Musikwelt auf dieses Brahms-Phänomen mit seinem berühmten Aufsatz „Neue Bahnen“ in der Neuen Zeitschrift für Musik aufmerksam.

Wie bei den Klavierstücken, so auch bei der 1860 in Hannover uraufgeführten Serenade Nr.1. Vor allem die ersten drei der insgesamt sechs Sätze dieses Orchesterwerkes zeigen deutlich sinfonische Ambitionen. Der erste Satz, ein satter Sonatenbau, hebt mit einigen munteren Takten nach Dudelsack-Manier an, bevor vom Horn das Hauptthema eingeführt wird. Bald darauf fügen Violinen und Celli ein weiches, kantilenes Seitenthema hinzu. Dann dürfen wir erleben wie Brahms mit thematischen und motivischen Varianten spielt, wie er sie zu einem schwungvoll-fröhlichen Vorwärtstreiben verwebt.

Mal ausgelassene, mal besinnliche Heiterkeit prägen das Werk vor allem. Serenade eben. Der zweite Satz, ein Scherzo in d-Moll, beginnt mit rollenden Sechszehnteln, die im ersten Moment etwas düster wirken. Der Eindruck hält indes nicht lange vor, zumal Brahms den Teil bald in einen Walzer wendet und im B-dur-Trio ganz ungeniert volkstanzartiger Ausgelassenheit frönt.

Im Zentrum dieser Serenade steht der dritte Satz, ein wunderschönes Adagio, das sich aus drei prägenden Elementen zusammensetzt: Eine wiegende Grundmelodie, eine innig dahinströmende Streicherkantilene und ein romantisches, vom Horn gespieltes Motiv. Überhaupt, wenn ich das aus ganz persönlichem Empfinden heraus sagen darf: Dieses Adagio  kommt mir vor wie ein musikalisches Sinnbild für einen noch tief im Denken und Fühlen der Romantik-Epoche verwurzelten Mensch. Und zwar einen, den wir im Augenblick friedlichen, entspannten Vor-sich-hin-Sinnens erleben –  und gerade nicht in den romantischen Gefühlsextremen himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt.

Es folgen in der Brahms-Serenade mit zwei Menuetten und einem zweiten Scherzo kleine, leichte Teile. Vergnügte Miniaturen, die mal mit hübschen Klarinetten-Partien, mal herzigen Jagdhornklängen bezaubern. Sehr farbig das alles. Wir kriegen ordentlich Abwechslungsreichtum geboten, der mit dem letzten Satz, einem Rondo, sich zu überschäumender Munterkeit aufschwingt.  In diesem Teil schreite das Hauptthema „rüstig in punktiertem Rhythmus einher“, habe ich irgendwo gelesen. „Rüstig einherschreiten“ ist schön gesagt, aber da hat nach meinem Dafürhalten der Herr Kollege oder die Frau Kollegin bei der Wortwahl doch ein bisschen daneben gegriffen.

Was Brahms da im Rondo komponiert hat, dürfte wohl eher als fideler Gallopp gedacht sein. Rüstiges Schreiten käme allenfalls heraus, stünde der Satz im Andante. Tut er aber nicht, die Vorschrift heißt allegro. Weshalb auch das kontrastierende Seitenthema des Satzes mit „unbekümmertem Schlendern“ zwar richtig charakterisiert ist, allerdings dieses Schlendern keineswegs als betuliches Flanieren missverstanden werden sollte.

Schauen wir mal wie unser heutiger Gastdirigent das Teil interpretatorisch anpackt. Es sollte mich sehr wundern, wenn es nachher in den letzten Minuten des Konzerts allzu gemütlich zugeht.

Damit, meine Damen und Herrn, wäre ich zuende mit dem heutigen  Vortrag.  Und nun der Werbeblock. Wenn Sie mögen, können Sie wie immer von Montagmittag an den Vortrag auf meiner Website im Internet nochmal nachlesen. www.pecht.info, da gibt’s auch noch manch andere interessante Lektüre.

Zum Abschluss eine Ankündigung für die nächste Saison, die mit dem Konzert am 5. Dezember 2010 beginnt: Sie werden in der Reihe der Görreshaus-Orchesterkonzerte weiter mit mir als Einführungsredner vorlieb nehmen müssen. Jetzt Achtung: Die Einführungen beginnen künftig allerdings eine Viertelstunde später, also um 15.30 Uhr. Und sie finden nicht mehr im Foyer, sondern drinnen im Konzertsaal statt. Dadurch schlagen wir drei Fliegen mit einer Klappe:

Erstens: Wer bislang wegen sonntäglich ausgedehnten Mittags-Menüs oder Mittagsschlafs es nicht zeitig zum Vortrag schaffte, der bekommt nun eine um 15 Minuten erhöhte Teilnahme-Chance.

Zweitens: Alle Besucher des Einführungsvortrages können künftig sitzen und ungestört von den Tumulten im Foyer meinen Worten lauschen.

Drittens: Alle Konzertbesucher, die sich für den Vortrag nicht interessieren, können künftig - ungestört von meinem Gerede - im Foyer miteinander plaudern und bis zum Konzertbeginn noch einen Sonntagsnachmittags-Schoppen nehmen.

Und nun viel Freude beim Konzert. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Andreas Pecht


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