Kritiken Theater
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2010-05-01 Schauspielkritik:

Oelbermanns Bühnenadaption des Romans „Die Abschaffung der Arten“ von Dietmar Dath in Mainz


Verschwurbeltes SciFi-Kasperltheater für Erwachsene


 
ape. Mainz.  Ist das nun Avantgarde, Neosurrealismus oder bloß überspanntes SciFi-Kasperltheater? Nichts gegen dies, das oder jenes per se. Nur verstehen würde man gerne, was Regisseur Martin Oelbermann fürs Staatstheater Mainz aus Dietmar Dath' Roman „Die Abschaffung der Arten“ eigentlich gemacht hat. Tut man aber nicht. Bald gibt selbst der geneigte Zuseher es auf, ein Stück, und sei's eine moderne Fabel, erkennen zu wollen. Am Ende dreier Theaterstunden bilanziert er etwas gereizt: Habe Schauspielerei vom Feinsten gesehen - weiß aber nicht, wovon die handelte.

 
Zu Beginn tanzen neun junge Leute vergnügt Disco. Sie formieren sich zum schulbuch-bekannten Abstammungsbild vom Affen zum aufrechten Homo sapiens. Dann vergnügen sie sich mit einem seltsamen Spiel, bei dem Wurm, Vogel, Löwe und anderes Getier ständig die Rollen tauschen. Das zum Prolog. Hernach wird's ernst und sofort unübersichtlich: Aus Tieren werden „Gente“, über die der Löwe herrscht; wo einst Menschen wandelten, dominiert nun gescheites Feder- und Pelzvieh. Allerdings sind Löwe und Co. via Gen-Experiment modifizierte Menschen, die die Nase voll hatten von der (unserer) absurden Erdkultur. Dass unsereins die Evolution mutwillig auf neue Gleise stellte, erfahren wir indes erst nach zweidreiviertel Stunden.

Zwischendurch munteres Rästelraten: Die Zeit macht Sprünge über Jahrhunderte, Gente wandern auf den Mond aus, schlagen sich auf Mars und Venus mit Roboterwesen und zu Wissenschaftlern  mutierten Hühnern herum. Ein venusianischer Feuer-Mann verliert auf der Suche nach irgend einem ollen Tempel sein properes Glied und wird Frau. Im Gegenzug geht eine reizende Drachenmaid leider ihrer Brüste verlustig und wird zum satt bestückten Mannsbild. Ein genetisch veränderter Wolf frisst den Löwen, der dennoch weiter mitspielt; ein Fuchs verwandelt sich in Kaffee und plaudert aus der Tasse heraus mit der Komponistin Cordula Späth, die - aber das ist nur ein Mutmaßung - das ganze Tohuwabohu als Experimentleiterin überwacht.

Sie finden verwirrend, wie hier die Grenzen zwischen Zeitaltern, Planeten,  Spezies, Geschlechtern und Erzählweisen aufgehoben werden? Dann sollten sie erstmal die mathematische Philosophie oder die philosophische Mathematik erleben, mit der das verschwurbelte Bühnengeschehen in Monologen, Dialogen, Filmeinspielern, Schattenspielen grundiert wird. Sollte da ein Sinn hinterstecken, so bleibt er dem  Zeitgenossen mit schlichtem Hochschulabschluss verborgen. Damit hatte 2008 bei Erscheinen des Buches bereits die Literaturkritik zu kämpfen. Die Adaption des Romans für die Bühne machte den Stoff auch bei der Uraufführung 2009 im Deutschen Theater Berlin nicht eben zugänglicher.

Oelbermanns Mainzer Zugriff ergeht es jetzt genauso. Dass der von vergeblichen Mühen um Verstehen bald wunde Zusehergeist während der drei Stunden nicht abschaltet, liegt am fabelhaften Ensemble. Hühner, Löwe, Roboter, Drache, Geldsack, Amöbe e tutti quanti bieten ein in Bewegung, Timing, Mimik, Charakteristik genaues, humoriges, ausdrucksstarkes  Schauspielerballett. Kasperltheater für Erwachsene auf höchstem Spielniveau. Da gibt es richtig viel zu gucken. Aber was zum Denken?
                                                                               Andreas Pecht          


Infos: www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck 3. Mai 2010)


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