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2010-04-19c:

 

Die Matthiaskapelle in Kobern (Mosel)
 
 
Prolog: Kurzeinführung

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 Bei jedem, der ihr erstmals gegenübersteht, löst die Matthiaskapelle eine Reaktion zwischen Verwunderung und Befremden aus. Denn dieses bauhistorische Kleinod auf einem Bergrücken oberhalb des Ortes Kobern-Gondorf an der Untermosel (17 Kilometer von Koblenz), entspricht kaum den Vorstellungen, die man gemeinhin mit dem Begriff Kapelle verbindet. Die Matthiaskapelle zeigt sich als ein  sechseckiger Zentralbau mit turmartig erhöhter Mitte. An einer Seite ist ein kleiner, runder Chor-Bau mit Spitzdach angeflanscht, der wie eine aus dem Hauptgebäude „wachsende“ Knospe wirkt.

Woran erinnert der erste äußere Eindruck dieses eigentümlichen Bauwerkes? An die Grabeskirche zu Jerusalem. Das Gefühl, hier orientalisch beeinflusstem Baustil zu begegnen, verstärkt sich noch beim Betreten: Der mit buntem Bodenmosaik ausgelegte, kreisförmige Innenraum umschließt seinerseits ein von sechs Säulenbündeln umringte, als Hexagon geformte Apsis im Zentrum. Die Gemeinde würde nicht in Bankreihen sitzen, sondern sich mit dem Gesicht zur Mitte in Sitznischen niederlassen, die sich dem Rund der Außenmauer entlang aneinanderreihen.

Die Matthiaskapelle verbindet auf faszinierende Weise unterschiedliche Ausprägungen spät-staufischer Architektur aus dem 13. Jahrhundert mit den Bemühungen preußischer Könige 600 Jahre später um den Erhalt mittelalterlicher Prachtstücke in ihrer Rheinprovinz. Ursprünglich vielleicht als Aufbewahrungsort für das Haupt des Hl. Matthias erbaut, erlebte die Kapelle eine wechselhafte Geschichte. Diese hätte wohl im 19. Jahrhundert mit dem völligen Verfall des Gebäudes geendet, wäre nicht dem König Friedrich Wilhelm IV. bei einem Besuch 1836 – da war er  noch Prinz –  der kulturhistorische Wert der Kapelle ins Auge gefallen.

Der Preußenherrscher beauftragte den eng mit Karl Friedrich Schinkel zusammenarbeitenden Koblenzer Architekten Johann Claudius Lassaulx, das Kirchlein aufs Schönste zu restaurieren. Damit war die Grundlage geschaffen, eine der interessantesten Sakralbauten des Rheinlandes für die Gegenwart zu erhalten.        


Haupttext:

Sakrales Kleinod aus der Staufer-Zeit

Von der Mosel hinauf geschaut oder aus Eifel-Höhen hinunter, ist erkennbar: Die Matthiaskapelle steht nicht allein auf dem Bergrücken über dem Stadtteil Kobern der Moselgemeinde Kobern-Gondorf. Vielmehr ist sie der einzig vollständig erhaltene Teil eines historischen Ensembles. Direkt neben dem weithin in hellem Putz strahlenden Kirchbau erhebt sich der in den 1990er-Jahren restaurierte und ausgebaute natursteinerne Bergfried der „Oberburg“,  Ein kleines Stückchen unterhalb thront auf einem aus Weinbergen herausragenden Felssporn eine weitere Burganlage: die Ruine der „Niederburg“. Die Ursprünge beider Burgen lassen sich bis ins späte 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Über Generationen waren sie gleichzeitig bewohnt. Das spricht für ein reges Mittelalterleben an dieser Stelle, die auch schon in keltischer Zeit besiedelt war.

Wann genau die Burgen jeweils erbaut wurden, lässt sich nicht zweifelsfrei datieren. Fest steht allerdings, dass der Burgherr Gerlach von Kobern – aus der am Mittelrhein und im Westerwald damals bedeutenden Adelsfamilie der Isenburger (Stammsitz bei Neuwied) – an der Wende zum 13. Jahrhundert beide Burgen dem Trierer Erzbischof zum Lehen auftrug. Die Beziehungen zwischen Kobern und den Trier waren von da an eng, aber selten wirklich gut: Burgen und Matthiaskapelle wurden wiederholt zur Verschiebemasse im Spiel der großen Mittelalter-Politik.

Ein Wahlgeschenk des Königskandidaten Adolf

So beispielsweise im Jahre 1292. Da verpfändete Adolf von Nassau einen Teil der Koberner Liegenschaften an den Trierer Erzbischof Boemund I., damit der ihm die Stimme bei der Wahl zum deutschen König gebe.  Dieses Wahlgeschenk war nötig, weil der Nassauer bis dahin sich vor allem als Bundesgenosse der Kölner und Mainzer Bischöfe profiliert hatte. Was ihn für die Trierer nicht gerade zur ersten Wahl machte. Denn die drei benachbarten Erzbistümer dienten zwar demselben Gott, waren aber hinsichtlich ihrer irdischen Interessen im Mittelrhein-Mosel-Gebiet selten in brüderlicher Eintracht verbunden. Dieser Adolf war übrigens der erste deutsche König, der trotz bester Gesundheit und ohne päpstlichen Bann von den Kurfürsten des Reiches seines Amtes enthoben wurde. Das war 1298.      

Doch zurück in die Frühphase des 13. Jahrhunderts. Ähnlich ungewiss wie bei den beiden Koberner Burgen, ist auch das Geburtsjahr der Matthiaskapelle. Fest steht nur, dass sie etwas jünger ist. Man nimmt eine Bauzeit ab 1220 an, die sich in zwei Phasen gliederte: Zuerst wurde der kleine Rundchor errichtet, danach das sechseckige Zentralgebäude. Analysen der Baustilistik und der Gewerktechniken  lassen erkennen, dass Ersterer eine Arbeit oberrheinischer Handwerker war, Letzteres von Bauleuten aus dem mittel- und niederrheinischen Gebiet ausgeführt wurde. Es ist   unter anderem dieses Ineinandergreifen unterschiedlicher Ausprägungen spät-staufischer Architektur, der die Matthiaskapelle ihre besondere kunsthistorische Bedeutung verdankt.

Die Sage vom Kopf des Hl. Matthias

Zu welchem Zweck aber wurde dieser Sakralbau ursprünglich errichtet, dessen Anlage und Pracht weit über die Bedeutung einer gewöhnlichen Burgkapelle hinausweist? Die seit Generationen verbreitete Überlieferung geht so: Ein Sohn Gerlachs von Kobern, Heinrich, habe  am „Kreuzzug von Damiette“ (1217 – 1221) teilgenommen. Die Kreuzfahrer wollten das muslimisch besetzte Jerusalem zurückerobern, verausgabten sich aber unterwegs im Kampf um die oberägytische Stadt Damiette, wurden schließlich am Nil geschlagen. Heinrich soll während dieser Kriegsfahrt in den Besitz einer bedeutenden Reliquie gekommen sein. Es heißt, er habe aus Ägypten den Kopf des Hl. Matthias auf seine Vater-Burg an der Mosel mitgebracht. Und um dieser Reliquie einen angmessenen Aufbewahrungsort zu schaffen, sei schließlich auf dem Areal der Koberner Oberburg die Matthiaskapelle gebaut worden.

Eine schöne Überlieferung, die es in unterschiedlichen Varianten gibt. Nur leider: Nach den  Maßstäben der historischen Wissenschaft lässt sie sich nicht beweisen. In Frage steht sogar, ob überhaupt einer der Isenburg-Abkömmlig in Kobern an jenem Kreuzzug teilnahm. Der Kopf des Matthias soll bis 1347 in der Kapelle aufbewahrt worden sein. Wofür aber ebenfalls der Beweis fehlt, denn die Matthiaskapelle selbst wurde 1359 erstmals überhaupt urkundlich erwähnt. In jener Schrift ist allerdings von einem Heiligenkopf keine Rede, sondern bloß von der Stiftung einer Ölampel als ewiges Licht. Also alles nur hübsche Legenden? Durchaus nicht, wie ein langwieriger Streit zwischen dem Erzbistum Trier und den Herren zu Kobern um die Reliquie belegt. Es muss demnach tatsächlich einen dem Hl. Matthias zugeschriebenen Kopf gegeben haben. Wenn nicht im 13., so doch im 14. Jahrhundert.

Just im Jahre 1347 begann auch der sukzessive Verkauf der Koberner Liegenschaften durch die späteren Nachfolger von Gerlach an das Erzbistum Trier. Die noch in ihrem Besitz befindliche, aber von Trier beanspruchte Reliquie ging indes wohl nicht zufällig auf eine langjährige Wanderschaft. Die führte im Verlauf mehrerer Jahrzehnte über Burg Sayn, Hachenburg und Burg Helfenstein nach Ehrenbreitstein. Im Jahre 1420 endete sie dann aber doch in Trier. Es kam zusammen, was – vielleicht – mal zusammengehört hatte: Der Koberner Matthias-Kopf traf in Trier auf eine Matthias-Leibesreliquie, die angeblich die Mutter des römischen Kaisers Constantin im 4. Jahrhundert dorthin gebracht hatte. Was ist Historisch, was Legende? Gerade bei Reliquien häufen sich die Fragezeichen. Im Falle Matthias beanspruchen auch die Kirchen S. Maria Maggiore in Rom und S. Justina in Pavia, Grabstätte dieses Heiligen zu sein.

Dann kamen die Preußen als Retter

Es bleibt somit bis auf Weiteres im Dunkel der Geschichte verborgen, ob das Beutestück eines Kreuzfahrers, der Heiligen-Kopf, tatsächlicher Anlass für den Bau der so ungewöhnlichen  Matthiaskapelle war, oder welch andere Gründe den Burgherrn zu Kobern anno 1220 folgende dazu bewogen hatten. Fakt ist: Die Kapelle existiert, wurde zusammen mit den Burgen im 14. Jahrhundert Eigentum der Trierer Bischöfe und blieb es – bis die Preußen kamen. In den fast 500   Jahren dazwischen erging es der Kapelle oft mehr schlecht als recht. Es gab allerhand Zwist zwischen den Trierer Oberherren und örtlichen Sachwaltern  über Nutzung und Pflege des Gebäudes.

Mit der aufziehenden Neuzeit gerieten die Koberner Mittelalter-Burgen als Lebensraum ins Abseits und begannen zu verfallen. Von 1770 bis 1807 lebte ein einsamer Eremit im maroden Bergfried der Oberburg und wachte über die Matthias-Kapelle. Die sollte nach seinem Tod abgerissen werden, was jedoch eine katholische Pfarrgemeinde im letzten Moment verhinderte. Diese Gemeinde verkaufte die Kapelle 1819 an den preußischen Staat. Ihr Zustand war gewiss erbarmungswürdig, als sie der Preußenprinz Friedrich Wilhelm 1836 persönlich in Augenschein nahm. Und dennoch muss er den ästhetischen Reiz gespürt haben, der diesem Bauwerk innewohnt.  Die von ihm veranlasste durchgreifende Restaurierung darf als der entscheidende Schritt betrachtet werden, die Matthiaskapelle für die Nachwelt zu erhalten. Darauf konnten und können Denkmalpflege und Altertumsverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz, in dessen Verantwortung das gesamte Ensemble der auf dem Bergrücken bei Kobern 1948 übergegangen ist, in der Gegenwart aufbauen.                                            Andreas Pecht

  
 
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