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2010-04-19b:

 

Die Koblenzer Festung Ehrenbreitstein
 
 
Prolog: Kurzeinführung

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 Jeden Besucher von Koblenz drängt es zu jener Stelle, der die Stadt ihre weltweite Bekanntheit verdankt: Das Deutsche Eck, wo die Mosel in den Rhein mündet. Von der Landspitze aus zieht ein gewaltiges, Stadt und Umgebung beherrschendes historisches Bauwerk über dem jenseitigen Rhein-Ufer den Blick auf sich: die Festung Ehrenbreitstein.

Sie verbindet wehrhafte wie repräsentativ schöne Bauten zu einer Gesamtanlage, die den 118 Meter hohen Uferberg Ehrenbreitstein vom Tal bis in die Höhe überzieht. Die wahre Dimension der Festung wird allerdings erst sichtbar, wenn man droben ist. Das von den Preußen zwischen 1817 und 1828 als wichtiger Teil einer von Wesel bis Rastatt reichenden Festungslinie errichtete Wehrwerk vereint in sich die gesamte Raffinesse damaligen Festungsbaues.

Die auf drei Seiten aus schroffen Steilhängen geformte Gebirgsnase ist seit grauer Vorzeit besiedelt. Kelten, Germanen, Römer, rund 800 Jahre lang Trierer Bischöfe und Kurfürsten, schließlich die Preußen: Sie alle schätzten diesen strategisch günstigen Flecken über dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel als Residenz und Bollwerk. Die preußische Wehranlage ruht als jüngster Zeitzeuge auf zahllosen Zivilisationsschichten, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen.

Die Festung Ehrenbreitstein ist nicht nur ein imposantes Bauwerk des 19. Jahrhunderts, Kernstück der „Festung Koblenz“ und damit der größten historischen Festungsanlage Europas nach Gibraltar. Sie ist nicht nur bester Aussichtspunkt für einen hinreißenden Rundblick über die Rhein-Mosel-Landschaft. Sie markiert zugleich einen Platz, an dem sich menschliche Geschichte über unzählige Generationen konzentrierte.

Weshalb es kein Zufall ist, dass an dieser Stelle sich zwei UNESCO-Welterbegebiete berühren: der obergermanisch-rätische Limes und die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal. Weshalb die Festung auch passendes Domizil ist für das Landesmuseum Koblenz mit seiner technisch-historischen Sammlung sowie einer Ausstellung mit archäologischen Funden aus der langen Kulturgeschichte der Mittelrhein-Region. Das bemerkenswerteste  Ausstellungsstück des Museums bleibt freilich die Festung selbst.


Haupttext:


Bollwerk über dem Deutschen Eck

Es hat eine seltsame Bewandnis mit der Festung Ehrenbreitstein: Ausgerechnet diesem Meisterstück preußischen Festungsbaus blieb die praktische Nagelprobe auf ihre Kriegstauglichkeit erspart. Der  Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. hatte gleich nach dem Wiener Kongress und der Flucht Napoleons von Elba dringlich den Aufbau der Festung als Teil einer antifranzösischen Wehrlinie im Herzen Europas befohlen. Bis zu 6500 Handwerker und Tagelöhner trieben den gigantischen Bau damals voran. Sie machten ihn bis 1828 zum Kernstück eines ganzen Festungsringes rund um Koblenz. Dadurch entwickelte sich die Stadt im 19. Jahrhundert zu einer der großen Militärgarnisonen des Kontinents – und blieb es bis ins späte 20. Jahrhundert.

Insgesamt acht mal wurde die Festung Ehrenbreitstein von 1830 an auf ihre volle Gefechtsstärke von 1500 Mann und 80 Geschützen mobilisiert. Doch weder bei den Revolutionen 1830/31 und 1848/49 noch beim preußisch-österreichischen Krieg 1866/67 oder beim deutsch-französischen 1870/71 war sie in relevante Kampfhandlungen verwickelt. Moderne Kriegsführung und Waffentechnik hatten die Festung schon bald nach ihrer Fertigstellung zu strategischer Bedeutungslosigkeit verdammt. Obwohl durch und durch nach militärischen Gesichtspunkten konstruiert, ist das gigantische Wehrwerk der Preußen bis heute geblieben, was es schon zu seiner Bauzeit war: ein beliebter Aussichtspunkt für Reisende; interessantes wehrarchitektonisches Ensemble und zugleich historisches Experimentierfeld für innovative Bauästhetik; die Rhein-Landschaft prägendes Monument und damit Inspiration für Maler und Dichter. Kurzum: Mehr rheinromantisches Kleinod als Bedrohung.

Wehrhafte Besiedelung seit grauer Vorzeit

Thronend auf drei steilen Bergflanken, wirkt die Festung von der Rhein-Seite her uneinnehmbar.  Ihre natürliche Schwachstelle offenbart sich auf der Rückseite, oben auf dem sanft zum Westerwald hin ansteigenden Plateau. Weites, offenes Gelände ohne jedes natürliche Hindernis: geradezu eine Einladung für Angreifer. Was die Natur dort an Schutz verweigerte, musste Menschenhand künstlich schaffen – zur Preußenzeit wie schon Jahrtausende zuvor. Bei archäologischen Grabungen im Festungsbereich wurden unlängst Hinweise auf Gräben und Holzpalisaden entdeckt, die wahrscheinlich bronzezeitliche Menschen zum Schutz ihrer Siedlungen auf dem Ehrenbreitstein in Richtung nördliches Plateau errichtet hatten.

Ähnlich verfuhren die Erzbischöfe von Trier im Mittelalter, nachdem ihnen vom Reich die Hoheit über Koblenz und die Mittelrhein-Region zugesprochen worden war.  Anfang des 11. Jahrhunderts begannen sie, eine auf dem Ehrenbreitstein bereits vorhandene kleine Burg zum wehrhaften Zentrum ihrer Macht am Rhein auszubauen. Ein Jahrhundert danach ließ Bischof Hillin einen gewaltigen Bergfried errichten und die Nordflanke durch den nach ihm benannten Hellengraben sichern. Es folgten Ausbau um Ausbau. Weitere 400 Jahre später strotzte unter Erzbischof Richard von Greifenclau die Nordfront des Ehrenbreitstein von steinernen Wehrwerken. Wie die Preußen im 19. Jahrhundert, so beherrschten bis dahin die Trierer Herren das Rhein-Mosel-Eck mit einer der raffiniertesten Festungsanlagen ihrer Zeit – armiert mit allem, was zeitgenössische Waffentechnik zu bieten hatte. Darunter der „Vogel Greif“, im 16. Jahrhundert eine der größten Pulverkanonen Europas und heute viel bestauntes Ausstellungsstück.

Der „Heilige Rock“ aus Trier in Koblenz

Übrigens: Die Trierer Bischöfe logierten gern und ausdauernd auf dem Ehrenbreitstein. So gern, dass sie ihre berühmte Reliquie, den „Heiligen Rock“, wiederholt für Jahre in Koblenz unterbrachten.  Mancher Trierer mochte gleich gar nicht mehr nach Hause gehen. Beispielsweise vor etwa 800 Jahren Bischof Arnold II., der sich einen aktenkundigen Rüffel seines Domkapitels einfing, weil er die Ehrenbreitstein  „quasi pro domicilio“ bewohne, also beinahe als sein eigentliches Heim betrachtete. Dieses Heim war schon über die kurtrierischen Jahrhunderte Kriegsmaschine und repräsentative Residenz gleichermaßen. Die Doppelfunktion spiegelt sich auch in der baulichen Anlage der nachherigen preußischen Festung.

Besucher, die sie heute vom Hochplateau her durchs Grabentor betreten, stehen zuerst meterdicken, himmelhohen, bedrohlichen Wehrmauern aus blankem Bruchstein gegenüber. Graben, Mauer. Dahinter das gleiche noch einmal. Durch Tunnel, Brücken, Tore  ebenso verbundene wie verschließbare Verteidigungslinien. Überall Schießscharten oder die großen Mauermäuler einstiger Kanonenbatterien. Das Labyrinth der nördlichen Befestigungen durchschritten, öffnet sich  überraschend die lichte Weite des Oberen Schlosshofes. Die Gebäude dort sind verputzt, farblich gelb-rot abgesetzt: Urplötzlich verliert die Festung hier ihren martialischen Charakter, wird zum attraktiven Höhenschloss. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich: Für die preußischen Baumeister war die Festung auch ein bauästhetisches Experimentierfeld – aus dem Rückgriff etwa auf gotische, romanische, barocke oder klassizistische Elemente hatten sie versucht, einen neuen, ganz eigenen Stil zu entwickeln. 

Militärische Zwecke an jeder Ecke

Doch der zivile Anschein auf dem Schlosshof täuscht. Schon die Namen der umliegenden Bauten verweisen auf ihre stets auch militärische Bedeutung: Hohe Ostfront, Terrassenbatterie, Rheinbastion... Überhaupt enthüllt bald jede Ecke, jeder Stein, jede Treppe, jedes Utensil einen militärischen Zweck. Wohnstuben mit Herd entpuppen sich als Geschützstellungen, vermeintliche Speise- oder Weinkeller als Pulverlager. An Wandhaken hingen im Verteidigungsfall statt Schinken Seilzüge für den Munitionstransport. Selbst die Festungskirche ließ sich mit wenigen Handgriffen zur Musketenbatterie umfunktionieren. 

Im Gegensatz zur preußischen Festung war deren kurtrierischer Vorläufer vor allem im 17. und 18. Jahrhundert etlichen schweren Eroberungsversuchen ausgesetzt. Dank des natürlichen Schutzes durch die drei Steilhänge an der Rheinseite und der baulichen Verteidigungsfront auf dem Plateau wurde der Ehrenbreitstein allerdings niemals im Wortsinne „erstürmt“. Der habsburgisch-wittelbachschen Armee unter Jan van Werth ergaben sich die Koblenzer Festungssoldaten des Trierer Erzbistums im Juni 1637 erst nach langer Belagerung –  und das nur, weil sie andernfalls verhungert wären. Auch die von 1794 an vier mal gegen Ehrenbreitstein anrennenden französischen Armeen mussten erfahren, dass die Feste im Sturm nicht zu nehmen ist. Erst Aushungern und Verrat führten 1799 zur Übernahme und 1801 zur Sprengung durch die Franzosen. Bis 15 Jahre später an gleicher Stelle die Preußen mit dem Bau ihrer Festung begannen, diente das Trümmmerfeld der Koblenzer Metzgerszunft als Viehweide.

Kulturgeist bewahrt Festung vor der Schleifung

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges spielte die Festung Ehrenbreitstein militärisch schon längst keine Rolle mehr. Nach dem Krieg wäre sie 1922 trotzdem beinahe ein Opfer der Entwaffnungsbestimmungen des Versailler Vertrages geworden. Glücklicherweise bewirkten Eingaben von Einheimischen und einem kultursinnigen Besatzungs-General schließlich, dass die Festung  wegen ihrer kulturhistorischen, architektonischen und landschaftsprägenden Bedeutung von der Schleifung verschont wurde. 

Nach Jahrhunderten der Wehrhaftigkeit endgültig demobilisiert, ist die Festung Ehrenbreitstein heute ein Ort friedlicher Begegnung für Menschen aus aller Welt. Ein Ort der schönen Ausblicke, spannenden Einblicke, aber auch mahnenden Rückblicke. Nicht nur für sich genommen ist die Festungsanlage über Rhein und Mosel ein  historisches Zeitzeugnis ersten Ranges. Zusammen mit dem Deutschen Eck bildet sie als den Rhein überspannendes Ensemble zugleich das nördliche Tor zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal.                                                  Andreas Pecht


 
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