Thema Kultur
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2010-04-19a Vorbericht/Hintergrund:

„Festwoche Türkei 2010“
am Ludwigshafener Theater im Pfalzbau

 

Interkultureller Brückenschlag

 
ape. Ludwigshafen. Nach Mainz zweitgrößte Stadt in Rheinland-Pfalz. Gut 160 000 Einwohner.  Man muss gar nicht erst die offiziellen Statistiken bemühen, erkennt beim Besuch dieser Stadt am Rhein auf den ersten Blick: Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund ist hier sehr hoch. Das muss, das soll Spuren auch im Kulturleben hinterlassen. „Türk etkinlik haftasi“ ist solch eine Spur: Die „Festwoche Türkei“, heuer im fünften Jahrgang von der Kommune getragen, vom Theater im Pfalzbau inhaltlich verantwortet und federführend durchgeführt.
 

Ludwigshafen. Mit dem fast doppelt so großen baden-württembergischen  Nachbarn Mannheim und dem um zwei Drittel kleineren Frankenthal zu einem industriell geprägten Konglomerat mit mehr als einer halben Million Einwohnen verwachsen. Spaziergang Richtung Theater; ein paar Schlenker durchs Zentrum. Der Besucher von auswärts erinnert Begegnungen mit dieser Stadt vor einigen Jahrzehnten. Damals, 1969, war der Hauptbahnhof als einer der modernsten Europas eröffnet worden. Damals, 1974, fieberte die Innenstadt vor Lust auf Verwandlung vom kleinstädtischen Arbeiterquartier zum urbanen Einkaufs- wie Kulturzentrum. Das Fieber ist verflogen, der Glamour des damaligen Aufbruchs hat Patina angesetzt; die Zeiten sind schwerer, jetzt.

Doch schon damals gab es auf den Straßen, in Bahnen und Bussen, Schulen, Geschäften und Wirtshäusern ein munteres Sprachgemisch. Mit dem pfälzischen Zungenschlag und einigen hochdeutschen Spurenelementen vermischten sich seinerzeit vor allem Italienisch, Spanisch, Griechisch, Serbo-Kroatisch. Ludwigshafen ist die Heimstätte des globalen Chemie-Riesen BASF und deshalb seit Generationen auch Anziehungspunkt für zahllose „Gastarbeiter“.  Diese Stadt hatte immer einen stark ausgeprägten Doppelcharakter:  Arbeiterstadt und multikultureller Lebens- wie Integrationsraum zugleich. 

Heute beträgt der Migrantenanteil an der Einwohnerschaft rund 30 Prozent, skizziert Roswita Schwarz, Chefdramaturgin des Theaters im Pfalzbau, die aktuelle Lage. Darunter sind nun seit den 1980ern türkischstämmige Mitbürger eine der größten Gruppen. Zu dieser mittels Kunst und Kultur eine Brücke zu bauen, ist für den umtriebigen Intendanten des Theaters, Hansgünther Heyme, nicht nur Herzensangelegenheit und interessante Herausforderung. Im Gespräch macht er deutlich, dass solches Engagement ihm als staatliche wie staatsbürgerliche Pflicht und künstlerisch als schiere Selbstverständlichkeit gilt.

Deshalb misst er der „Festwoche Türkei“, die in diesem Jahr vom 6. bis zum 12. Mai wieder zehn Veranstaltungen bietet, auch gewichtige Bedeutung bei. „Die Festwoche sollten wir gemeinsam nutzen: zum Kennen- und Schätzenlernen, zum Diskutieren und Feiern“, schrieb er vergangenes Jahr ins Vorwort zum zweisprachigen Programmheft. Ein Satz, der trefflich Absicht und Konzept der Unternehmung umreißt, als Aufforderung und Einladung auch für 2010 gültig bleibt.

Die Festwoche ist zweisprachig angelegt; ihr Programm richtet sich mit türkischen, deutschen und interkulturellen Veranstaltungen an Publikum aus beiden Herkunftsbereichen. Vom Start weg habe die durch Heyme bald nach seinem Amtsantritt in Ludwigshafen ins Leben gerufene Reihe sehr gut funktioniert, erinnert sich Roswita Schwarz und erklärt auf Nachfrage: „Ja, es sind tatsächlich gleich sehr viele Türken gekommen, keinesfalls nur interessierte Deutsche. Besonders stark war der Zuspruch beim Kindertheater.“  Heyme selbst beziffert die Besucherzahl in den ersten beiden Jahre auf bis zu 5000. „Danach wurden es etwas weniger, weil wir wegen der Generalsanierung des Theaters für zwei Jahre ins alte Corso-Kino umziehen mussten.“ Bei dieser Location war die Hemmschwelle etwas höher, aber auch das Platzangebot deutlich kleiner.

Inzwischen sind die Baumaßnahmen am Ludwigshafener Theater im Pfalzbau abgeschlossen und kehrt die „Festwoche Türkei“ 2010 an ihren angestammten Spielort zurück. Hier einige Beispiele aus dem Programm für dieses Jahr. Den Auftakt macht am 6. Mai eine Lesung unter dem Titel „Begegnungen“. Vorgestellt werden dabei Text-Auszüge aus den besten Theaterstücken, die unlängst für einen gleichnamigen deutsch-türkischen Dramenwettbewerb des Theaters eingereicht wurden. Der Gewinnerbeitrag kommt übrigens späterhin als Schauspiel in Ludwigshafen auf die Bühne.

Kindertheater und zeitgenössisches Kabarett sind wie in den Vorjahren fester Bestandteil der Woche. Das Tiyatrom aus Berlin-Kreuzberg gibt in deutscher und türkischer Sprache „Das Hirtenmädchen und die Prinzessin“, ein Märchenstück für Kinder ab 4 Jahren. Unter dem Titel „Harem Globetrotters – Passt schon!“ treiben beim „Rhein-türkischen Kabarett“ die blonde Beate Bohr und die schwarzhaarige Selda Akhan deutsche Sitten und türkische Gebräuche auf die satirische Spitze. Musikalisch-poetische Grenzüberschreitungen bringen Mehmet Ergin und Kollegen auf Bühne. In Istanbul geboren und aufgewachsen, vor 20 Jahren nach Norddeutschland umgesiedelt, schlägt der Gitarrist Ergin Brücken zwischen Orient und Okzident.

Heyme weiß, dass er gerade in Ludwigshafen stets vor der Herausforderung steht, gleich zwei trennende Hürden überwinden zu müssen: Diejenige zwischen deutscher und türkischer Herkunft sowie diejenige zwischen Arbeiterschaft und Kunstbetrieb. Das Angebot der „Festwoche Türkei“ ist darauf zugeschnitten – und deshalb gehört neben der Bühnenkunst diverser Genres eine deutsch-türkische Fete als selbstverständlicher Teil zu dieser Woche. Auf dass man sich nicht zuletzt beim Feiern kennen- und schätzen lerne.                                                           Andreas Pecht

Das gesamte Programm im Internet unter www.theater-im-pfalzbau.de



(Erstabdruck April 2010)



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