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2010-04-12b Interview:

Gespräch mit dem Mittelalter-Spezialisten Prof. Dr. Stefan Weinfurter über das Zeitalter der staufischen Kaiser

 

Ein faszinierendes Jahrhundert: die Epoche der Staufer

 
ape. "Staufer 2010"  nennt sich eine Kampagne,  an der in diesem  Jahr drei deutsche Bundesländer teilnehmen: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Was führt die ungleichen Nachbarn zusammen?  Sie haben allesamt Anteile am  deutschen Kernland des staufischen Machtbereiches im 12. und  13. Jahrhundert. Auftakt zur Kampagne wird im Mai auf Burg Trifels in der Pfalz sein mit der Eröffnung einer neuen Dauerausstellung in dieser für die Staufer so wichtigen Reichsburg. Höhepunkt der Kampagne ist dann eine im September beginnende große gemeinsame historische Ausstellung "Die Staufer und Italien" im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum.
 

Als Prolog zur Kampagne und zugleich Start einer Veranstaltungsreihe, die die rheinland-pfälzischen Städte und Pfalzen der Staufer-Kaiser umfasst, hielt Stefan Weinfurter im März 2010 in der Koblenzer Kastorkirche vor großem Auditorium einen denkwürdigen Vortrag. Darin thematisierte der Mittelalterspezialist die an gleicher Stelle anno 1138 im Handstreich abgehaltene Wahl Konrad III. zum ersten Staufer-König.  Ich hatte in der Folge jenes Vortrages Gelegenheit, mit Weinfurter über das Faszinosum Staufer zu sprechen. Hier eine gestraffte Interview-Fassung des gut einstündigen Gespräches:

Frage: Etwas mehr als 100 Jahre währte die Herrschaft der Staufer über das Reich. Wenn man es von heute aus gesehen auf eine knappe Formel bringen wollte: Was kennzeichnet die Staufer-Epoche?


Weinfurter: Die Zeit der Staufer ist eine Aufschwungepoche. Das hängt zusammen mit günstigen klimatischen Bedingungen, aber auch mit einem generellen kulturellen und gesellschaftlichen Aufbruch. Man muss nur an das höfische Leben denken mit seiner Prachtentfaltung, an die kunstvolle Dichtung, den Minnesang oder an die Architektur. Das ist prägend für diese Phase, in der die Staufer das Glück hatten, an der Macht zu sein. Sie nahmen die Impulse der Zeit auf und entwickelten sie weiter.


Friedrich Barbarossa ist der gemeinhin bekannteste Staufer-Kaiser. Unter Historikern gilt aber sein Enkel Friedrich II. als der bedeutendere. Warum?


In einer Zeit wie der heutigen, in der wir den Blick stark auf multikulturelle Zusammenhänge richten, ist Friedrich II. interessanter für unsere eigenen Fragestellungen. Er verortete sein Herrschaftszentrum im Mittelmeerraum, wo er auf muslimische, jüdische, griechisch-orthodoxe und lateinische Prägungen stieß und sie berücksichtigen musste. So entwickelte sich unter Friedrich II. eine Situation des intensiven kulturellen Austausches.


Geben Sie uns doch ein Beispiel, welche Folgen dieser Austausch der Kulturen in Friedrichs Politik hatte.


Hier könnte man beispielsweise die arabische Medizin nennen, die durch der Schule von Salerno in Süditalien in die europäische Welt vermittelt wurde. Friedrich selbst sprach Arabisch und Griechisch, interessierte sich für Kultur und Wissenschaft der Anderen. Er suchte immer wieder das Gespräch mit arabischen Gelehrten, was ihm hohes Ansehen verschaffte und ihn in die Lage versetzte, auf gleicher Augenhöhe mit Sultanen und Emiren zu konferieren. So führte er dann auch seinen ersten Kreuzzug vor allem mit diplomatischen Mitteln.


Wäre es ganz falsch in Friedrichs Denken eine frühe europäische Haltung zu sehen? Oder anders gefragt: Gibt es heute noch feststellbare Nachwirkungen der Staufer-Zeit in oder für Europa, immerhin erstreckte sich das Reich von Sizilien bis an die Nordsee?


Europäisch hat Friedrich mit Sicherheit gedacht und zwar in einem weiteren Sinne, als das westlich-römische Europa reichte. In seinem Blick befand sich auch die byzantinische und die arabische Welt. Damit ist der Staufer Friedrich II. der erste Herrscher, der wieder einen ähnlich weiten Aktionsradius hatte wie Karl der Große ein paar Jahrhunderte zuvor. Politisch gesehen kann Friedrich dadurch als Wegbereiter europäischer Staatlichkeit gelten, dass er neue Rechtsordnungen setzte. Seine Gesetze, vor allem das „Kaiserliche Gesetzbuch“ (Liber Augustalis), regelten fast alle gesellschaftlichen Felder; von der Wirtschaft bis zum Eherecht oder zu den Preisen für Medikamente. Und diese Gesetze blieben in Süditalien in Kraft bis zu Napoleon.


Es heißt, die mittelalterlichen Könige und Kaiser hätten vom Pferd aus regiert. Wie hat man sich so einen kaiserlichen Zug von Pfalz zu Pfalz vorzustellen?


Das würden die Historiker auch gerne wissen. Die Quellen geben darüber leider nur mangelhaft Auskunft. Zunächst muss man den Blick auf die Reisegeschwindigkeit richten. Ein Reiter konnte unter Umständen bis zu 120 Kilometer pro Tag zurücklegen. Der König allerdings hat einen Tross von mehreren Hunderten, manchmal 1000 Personen bei sich. Damit schaffte er höchstens 25 Kilometer. Doch seine Reisen wurden akribisch vororganisiert, auf Wochen und Monate hinaus. Pfalzen und Städte mussten sich auf die Ankunft vorbereiten, Schweine schlachten, Eier sammeln – 1000 Leute zu verpflegen ist keine Kleinigkeit. Ansonsten war der Besuch des Königs eine prunkvolle Angelegenheit mit ganz bestimmten Ritualen, Inszenierungen, Jubelgesängen und Honoratiorenreden. Das alles hatte eine starke politische Funktion. Man muss immer sehen, dass der Herrscher die gesamte Verfassung seines Reiches verkörperte. Für die Menschen des Mittelalters musste die politische und gesellschaftliche Ordnung visuell abgebildet sein. Im Zentrum dieser sichtbaren Ordnung stand der König oder Kaiser.


Von den Reisen zu den großen Reichsfesten wie dem Hoffest 1184 in Mainz. Wie ging es dabei zu und welchen Zweck verfolgten die Herrscher mit solchen Veranstaltungen?


Mainz hatte damals 15 000 bis 20 000 Einwohner. Eine große Stadt für die Verhältnisse nördlich der Alpen, klein im Vergleich zu den italienischen Metropolen. Mailand etwa zählte an die 200 000 Einwohner. Laut Quellen sind 40 000 Besucher zum Mainzer Hoffest 1184 gekommen – das ganze Fest war eine gigantische Logistikleistung. Man hat beispielsweise, um diese Massen zu ernähren, eigens Hühnerfarmen auf der Maaraue errichtet, wo der Main in den Rhein fließt und das Fest ausgetragen wurde.


Mit dem Mainzer Hoffest machte Barbarossa deutlich, dass er die seinerzeit neuen Moden und Werte der höfisch-ritterlichen Kultur für seinen Hof als neue „Leitkultur“ annahm, ja sich an die Spitze dieser Bewegung setzte. Der Kaiser versuchte so auch, aus einer Situation politischer Schwäche herauszukommen. Er wollte sich mit dem Glanz der neuen Zeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückbringen. Deshalb wurde das Mainzer Fest zum prächtigsten, das es je gab.


Die Staufer-Epoche begann 1138 in Koblenz mit der vom Trierer Erzbischof organisierten handstreichartigen Wahl Konrad III. zum ersten Staufer-König. Für diese“ Machtergreifung“ sollen Wagenladungen von Moselwein wichtig gewesen sein. Klären Sie uns auf: Wie wurde der gute Moselwein zum weltpolitischen Faktor?


Der Wein sollte jene Fürsten besänftigen, die sich 1138 von der Wahl Konrads III. durch eine Minderheit vor den Kopf gestoßen fühlten. Es bedurfte großer diplomatischer Anstrengungen und eben solcher Bestechungsmittel wie besagten Weines, um zu verhindern, dass aus der Koblenzer Königswahl eine schwere Reichskrise erwuchs.


Worms, Speyer, Mainz, Ingelheim, Boppard, Koblenz, Sinzig, Köln: Woher rührt die zentrale Bedeutung dieser Rheinlinie aus Städten und Pfalzen im Mittelalter schon unter den Saliern, erst recht unter den Staufern?


Der Rhein war die wirtschaftliche und kommunikative Hauptschlagader Europas. So war es bereits zu römischer Zeit, weshalb die Römer hier viele Städte und militärische Stützpunkte errichteten. Die bedeutenden Rhein-Städte des Mittelalters sind fast alle ursprünglich römische Fiskalorte und Militärzentren. Hinzu kommt, dass sich hier mit den Erzbistümern Köln, Trier und insbesondere Mainz drei der wichtigsten Größen religiöser wie weltlicher Macht im Reich konzentrierten.

Abschließende Frage: Welche Bedeutung haben die Staufer für Sie persönlich?


Für mich ist die besondere Dynamik der Staufer-Zeit reizvoll. Da stoßen extreme Lebensentwürfe aufeinander – die für uns bis heute von Interesse sein müssen. Dazu gehört das Prinzip der Meinungsbildung im Konsens. Ebenso wichtig ist die Idee der Gemeinschaft, die sich in religiösen Bewegungen und städtischen Kommunen niedergeschlagen hat. Dazu gehört ferner die Vorstellung, dass alle Menschen, die in solchen Gemeinschaften leben, prinzipiell gleich sein sollen – deshalb sollten die Menschen im Idealfall sogar auf Eigenbesitz verzichten. Und wir stoßen ebenso auf ganz entgegengesetzte Wertevorstellungen von ausuferndem Lebensgenuss, repräsentiert von der höfischen Kultur mit ihrer unglaublichen Prachtenfaltung, der Eleganz der neuen Kleidung und Sitten und der Verehrung der höfischen Frau. Schließlich bilden sich die ersten Universitäten heraus und markieren den Anfang der Wissenschaften. All das ist zur selben Zeit da, und das macht diese Epoche so aufregend.


                                         ***

Zur Person:

Prof. Dr. Stefan Weinfurter (Jahrgang 1945) hat den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg inne, dort ist er auch Direktor des Instituts für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde. Privat wohnt er in Mainz. Vertiefende Lektüre zur im Interview angesprochenen Thematik bietet sein 2008 erschienenes Buch: „Das Reich im Mittelalter. Kleine deutsche Geschichte von 500 bis 1500“

Weiterer Artikel zum Thema: 

Der Südwesten ist Staufer-Land

Infos zur Staufer-Kampagne:
www.staufer2010.de

 
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