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2010-04-12 Schauspielkritik:

"Dantons Tod", inszeniert von Markus Dietze am Stadttheater Koblenz


Französische Revolution anno 68 ff


 
ape. Koblenz.  Es gibt Stücke, die müssen ihren Wert nicht mehr beweisen. Sie haben in den verschiedensten Darstellungen und Deutungen ihren Status als stets aufs Neue relevante Klassiker behauptet. „Dantons Tod“  von Georg Büchner ist so ein Stück. Der Intendant des Koblenzer Stadttheaters, Markus Dietze, hat es jetzt für sein Haus inszeniert. Die Frage ist: Wird seine, bei der Premiere kräftig beklatschte, Einrichtung dem Wert des Werkes gerecht? Anders gefragt: Gelingt es, Büchners Problemstellungen in ein uns Heutige packendes Bühnenspiel zu gießen?

 
„Dantons Tod“ verhandelt  den Konflikt zwischen Freiheitsidealen der Französischen Revolution und blutigem Terreur, mit dem die Revolutionstribunale diese Ideale vorgeblich gegen die Feinde der Freiheit verteidigen.  "Die Revolution frisst ihre Kinder": Danton, der Erfinder der Tribunale, landet selbst unter der Guillotine – weil er als Genussmensch, Individualist, Humanist der mörderischen Tugenddiktatur seines vorherigen Genossen Robespierre nicht folgt.

Die Koblenzer Inszenierung verschränkt geschichtliche Ebenen. Auf der Hinterbühne schlagen historisierende Volksszenen vor und im Stile von Delacroix-Gemälden die Brücke zum revolutionären Frankreich. Auf der Vorderbühne wird zwischen Bergen von Aktenordnern  Büchners Handlung formal in die Jahre 1968/69 und folgende verlegt. Bei Bedarf trennt die beiden Ebenen eine bühnenbreite Projektionsfläche.  Darauf gibt es zuerst den Blick von einem Strand hinaus auf den offenen Ozean, später auf eine vertrocknete Prärielandschaft mit Straße, die im Vordergrund an einem Stopschild endet (Bühne: Claudia Rüll Calame-Rosset).

Diese zwei Bilder sprechen von allweil großen Hoffnungen auf bessere Zukunft und von den nachher stets wiederkehrenden Enttäuschungen. Raumkonstruktion und symbolmächtige Bildsprache sind die Stärke dieses knapp zweieinhalbstündigen Abends. Wie aber steht es mit dem Spiel selbst?
Einer der interessantesten Aspekte ist die charakterliche Ähnlichkeit der Hauptkontrahenten. Obwohl äußerlich grundverschieden, treffen sich der nervöse Danton von Gerold Ströher und der eiseskalt in sich ruhende Robespierre von Jona Mues in der unerbittlichen, arroganten Selbstgewissheit ihrer gegensätzlichen Positionen.

Einer der bewegendsten Momente ist gerade deshalb Dantons Nacht vor der Verhaftung: Ins Betttuch gehüllt, steht er als  Angst-schlotterndes Menschlein im  Finstern; findet Beruhigung erst in den  unendlich zarten Trostgesten seiner Frau Julie (Jana Gwosdek). Vom Übrigen lässt sich sagen: Da wird vorwiegend traditionell stadttheatralische Spielweise gegeben, nur in modernem Outfit. Demonstrative, plakative, dramatische Standards finden auf den meisten Positionen als ordentliches Schauspielerhandwerk statt. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Pittoresk ausstaffierte Revoluzzer der Nach-SDS-Zeit tragen in Zirkeln oder vor großer Versammlung – mit der Sprache Büchners – irrwitzige Linienkämpfe aus. Im Koblenzer Zuschauerraum mimen Statisten entfesselte Volksversammlung, wie es sie realiter in eben diesem Saal zuletzt im November 1919 gegeben hatte. Das reihum agitatorische Schäumen bedient alle Vorstellungen, die sich Oma Mustermann je von Umstürzlern machte. Der Schauprozess gegen Danton wird äußerlich im Happening-Stil der frühen RAF-Prozesse durchgezogen.

Was geht uns das noch an? Man könnte sich seinen Teil  dazudenken. Etwa: Auch die auf Freiheitsidealen gründende Demokratie ist nicht per se gefeit vor dem Abrutschen in den Überwachungsstaat. Sollte Dietzes Inszenierung solche Gedanken enthalten, hat er sie gut versteckt.                               Andreas Pecht

Infos: www.theater-koblenz.de


(Erstabdruck 12. April 2010)


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