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2010-03-30 Ausstellungsbesprechung:

 

Arp Museum fährt Volllast


Vier hochkarätige Ausstellungen parallel: Demandt, Taeuber-Arp, KO Götz und Altmeister der Sammlung Rau


 
ape. Rolandseck. „Wir sind jetzt da angekommen, wo wir hin wollten.“ Derart beschrieb der scheidende rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig die aktuelle Situation des Arp Museums Bahnhof Rolandseck. Die Jahre des Aufbaus wie der Querelen sind vorüber, die Startphase ist abgeschlossen. Das größte und jüngste Kunstmuseum in Rheinland-Pfalz fährt nun Normalbetrieb auf Volllast: Es zeigt im Augenblick vier hochkarätige Ausstellungen gleichzeitig, sechs weitere werden bis Ende des Jahres folgen.


Beim Frühjahrsrundgang begegnen wir im Arp Museum: der Foto-Avantgardistin Simone Demandt; altmeisterlicher Malerei aus der Sammlung Rau; einer Schau zum Schaffen von Sophie Taeuber-Arp; schließlich einer großen retrospektiven Ausstellung zum Qeuvre des 1914 geborenen Informel-Granden Karl Otto (KO) Götz. Die Ausstellungen machen deutlich, dass das kontrastierende Miteinander von Historie und Moderne der baulichen Museumsanlage im Innern seine Fortsetzung findet. Das Arp Museum am Rhein bei Remagen verbindet den historischen Bahnhof Rolandseck von 1858 mit dem erhöht dahinter liegenden lichten Neubau des Architekten Richard Meier von 2007 zum spannungsreichen Ensemble.

Nacht in verlassenen Laboren

Die jüngste Kunst wird im ältesten Gebäude gezeigt – „Dunkle Labore“ von Simone Demandt im  Bahnhof (bis 18. Juli). Der Titel ist wörtlich zu nehmen, denn die 1959 geborene Fotokünstlerin interessierte für diese Bildserie Dunkelheit. Und zwar Dunkelheit, die sonst keiner sieht: Nacht in von Menschen verlassenen industriellen oder wissenschaftlichen Laboren. Dahinein stellt sie eine Großbild-Fotokamera, die mit spezieller Technik per 8- bis 10-stündiger Belichtungszeit das unbekannte nächtliche Selbst der Räume auf Negativfilm bannt.

Die Ergebnisse, übertragen auf das größtmögliche reflexfreie Fotopapier, sind eigenartige   Impressionen aus Finsternis, Restlicht von Apparaturen, Schatten und Ahnungen. Damit knüpft die Künstlerin an die uralte Tradition der „Nachtstücke“ in der Malerei an. Demandts Schaffensprozess ist freilich viel stärker dem Zufall unterworfen. Denn die Kamera vollbringt nächtens ihre Arbeit mutterseelenallein. Ins künstlerische Kalkül fallen „nur“ Motivwahl und Sichtbarmachung dessen, was die Kamera aufnahm.

Immer wieder Staunen über die alten Meister

Von Nachtbildern der Gegenwart zu Meisterwerken der Malerei seit dem 16.  Jahrhundert führt im Arp Museum ein Tunnel. Quasi an der Nahtstelle zwischen Bahnhof und Meier-Bau haben die Altmeister in einem Doppelkabinett Heimstatt gefunden. „Kunstkammer Rau“ nennt sich das samtrot ausgeschlagene Etablissement. Dort präsentieren Wechselausstellungen peu à peu jene 240 hochrangigen Werke der Sammlung des Kunstliebers Gustav Rau (1922 – 2002), die dem Arp Museum von der UNICEF-Stiftung als Dauerleihgabe überlassen worden sind.

Die aktuelle Präsentation der Kunstkammer trägt den Titel „Das Auge des Sammlers“ (bis 29. August) und spürt den Motiven nach, die den Stuttgarter Industriellen, Arzt, Wehrmachtsdeserteur, Philanthropen Rau zum Kunstsammeln bewegten. Beim Anblick der 31 jetzt ausgestellten Werke, möchte man ausrufen: Wer das Geld hat und sich ein bisschen Kunstsinn erhalten, der muss einfach zum Sammler werden, wenn er solche Bilder sieht. Darunter Preziosen wie „der Hl. Domenikus im Gebet“ von El Greco, Renoirs stolz-vergnügte „Frau mit Rose“ oder Courbets vom Wein selige, sinnlich hingestreckte „Bacchantin“.

Strenge Ordnung, die nicht erdrückt

Von hier ins Herz des Meier-Baus geht es mit gläsernem Aufzug hinauf in die Höhe überm Rhein. Lichtdurchflutet die beiden Stockwerke, die aktuell zwei besonderen Vertretern der klassischen Moderne gewidmet sind. Ganz oben die noch bis 6. Juni dauernde Ausstellung „Sophie Taeuber-Arp 1889 – 1943. Bewegung und Gleichgewicht“. Rund 130 Exponate fächern das vielgestaltige Schaffen der einstigen Ausdrucktänzerin auf, die zur Schlüsselfigur der Konkreten Kunst wurde. Da sind Stoff- und Webarbeiten, die in ihrer Buntheit und Ornamentik an indianische Kunst erinnern. Da werden erstmals in Deutschland die befremdend fantastischen Marionetten der Künstlerin gezeigt. Da wird schließlich an Papierarbeiten, Gemälden, Skulpturen Taeuber-Arps künstlerisches Konstruktionsprinzip einer auf Quadrat und Kreis basierenden Ordnung deutlich.

Die Schöpferkraft wilder Bewegung 

Einen Stock tiefer das Gegenteil: die wild-bewegten, scheinbar chaotischen Großformate des KO Götz, die das klassische Formprinzip auflösen. Der seit 1975 im Westerwald ansässige Götz ist einer der wichtigsten und letzten noch lebenden Vertreter der informellen Malerei. 50 seiner Werke zeichnen im Arp Museum unter dem treffenden Titel „In Erwartung blitzschneller Wunder“ ein Künstlerleben nach, das andauert. 96 Jahre ist KO Götz alt, im Rollstuhl unterwegs, fast blind. Doch er arbeitet noch, hat um die Jahrtausendwende mit Versuchen begonnen, seine Gestaltungsprinzipien auf Stahlformungen, Terrakotta-Reliefs und Malerei auf Porzellanplatten zu übertragen.

Diese jüngsten Werke werden mit einigen seiner ältesten aus der Vorinformel-Phase konfrontiert.  Letztere erinnern in ihrer Noch-Figürlichkeit an den Hauspatron des Museums, an Hans Arp, mit dem Götz lange befreundet war. „Der Arp und ich hatten viel Spaß miteinander“ sagt der greise  Künstler kaum verständlich, aber bestens gelaunt bei der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung. Im Zentrum der Götz-Schau steht allerdings seine informelle Malerei, jenes 1952 begonnene Gestalten aus der Bewegung heraus. Schnell fließende Kaseinfarbe und das Rakel als Werkzeug, die Farbe flächig zu schieben und zu ziehen, damit kreierte er seine Bilder. Fantasie anregende Bilder, die vorbereitende Meditation und körperlich-unbewusste Spontanität miteinander vereinen.                         Andreas Pecht                                                                                       
Infos: www.arpmuseum.org


Ausstellungsvorschau bis Ende 2010:

25.6. bis 24.10: Das Fundament der Kunst. Skulpturen und Sockel seit Auguste Rodin.                                                 
6.6. bis 21.11.: 15 Jahre Balmoral. Sammlung Stipendiaten.
16.9. bis 27.2.: Kunstkammer Rau – superfranzösisch.
18.11. bis 4.4.2011: Hans Arp Sammlungspräsentation.
10.12. bis 20.3.2011: Arno Schmidt, Fotografie

(Erstabdruck im Laufe April 2010)
 
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