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2010-03-17 Gedanken:

Zur aktuellen Diskussion um Kindesmissbrauch
 

Keine Einzelfälle, sondern verbreiteter Usus von alters her
 

ape.
  
Die aktuelle Diskussion um Kindesmissbrauch in kirchlichen und anderen Einrichtungen hat ein paar eigentümliche Blindflecken. Ein wesentlicher: Fast wie selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass es sich in der Hauptsache um ein Problem von gestern handelt. Weil die Mehrzahl der jetzt bekannt gewordenen Fälle auf die 1950er bis 1970er zurückgeht, glauben einige Zeitgenossen, es ginge nur um Vergangenheitsbewältigung. Indes: Was bekannt wird, ist stets nur die Spitze eines Eisberges; und die erschreckend weite Verbreitung von Kindesmissbrauch damals legt zwingend den Schluss nahe, dass das Phänomen seither nicht einfach von alleine verschwunden sein kann - sondern nach wie vor in signifikantem Ausmaß fortexistiert (auch davor schon in vergleichbarer Verbreitung existierte, freilich ohne je ans Licht der Öffentlichkeit  gelangt zu sein).

Ein anderer Blindfleck: Dass der Entzug von Geschlechtsverkehr - ob  wie beim Zölibat selbst auferlegt oder im Falle von Gefängnis und eingeschlechtlicher Kasernierung erzwungen - keine pädophile Neigung verursache, sei wissenschaftlich erwiesen, heißt es. Wird wohl so sein, ist aber ein nichtnutziges und naives Argument. Denn der Mensch ist nunmal im Regelfall ein sexuell triebhaftes Wesen, und dauerhaft verhinderte Triebabfuhr versetzt die meisten Individuen - zumal die männlichen - in Ausnahmezustand/Notstand. In solchen Fällen wurde und wird häufig zu jedweder gerade und am einfachsten erreichbaren sexuellen Möglichkeit gegriffen, selbst wenn sie der eigenen Neigung ureigentlich fern liegt.

Beispielsweise sind homosexuelle Aktivitäten von normalerweise eindeutig heterosexuell orientierten Menschen in Gefängnissen   weit verbreitet. Beispielsweise lassen sich im Krieg (= sexueller Ausnahmezustand) bekanntlich auch Männer zu Vergewaltigungen hinreißen, denen solches in Friedenszeiten nie in den Sinn käme. Und beispielsweise neigen eben auch manche/etliche der zölibatären Enthaltsamkeit unterworfene Leute in ihrem "Notstand" zu abstrusen bis im Sinne ihrer Standesdefinition verwerflichen oder eben tatsächlich kriminellen Sexpraktiken. In all diesen Beispielen muss gar keine dominante "perverse Neigung" im Spiel sein: Es genügt bei vielen Menschen lang anhaltende Unterdrückung gewöhnlicher Triebabfuhr, um die dünne Firniss zivilisatorischer Verhaltensnormen aufzubrechen und das rücksichtslose Tier in uns von der Leine zu lassen.  Zu diesem generellen Problem gesellen sich dann noch jene Fälle, bei denen tatsächliche pädophile Neigungen vorliegen.

Insofern wird die katholische Kirche früher oder später um die Zölibats-Diskussion nicht herumkommen. Denn solange Kleriker Menschen sind, wird die seltsame Kasteiungskultur des Zölibats IMMER einen Teil des Klerus in sexuelle Nöte treiben. Das liegt in der Natur der Sache. Und wenn die katholische Kirche dieses Problem  nicht löst, wird irgendwann nach einem der unvermeidlich folgenden Skandale die Idee oder Forderung aufkommen, ihr womöglich das Recht  auf Betreiben von Schulen und Kinder-/Jugendbetreuungseinrichtungen von Staats wegen zu entziehen.

Was nun die übrige Gesellschaft angeht, muss sie sich endlich ernsthaft mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass Kindesmissbrauch weder ein seltenes Einzelfallverbrechen ist, noch sich auf den "asozialen Bodensatz" der Bevölkerung beschränkt. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass Kindesmissbrauch seit Generationen, wahrscheinlichg seit  Jahrhunderten in allen gesellschaftlichen Schichten unter der Hand viel weiter verbreitet war/ist, als gemeinhin vermutet wurde und wird. (Die Knabenliebe der Antike sei hier ausgeklammert,  da liegt der Fall anders und muss eigens überdacht werden).

Die  Erkenntnis von der allgemeineren Verbreitung des Kindesmissbrauchs ernst genommen, kann sich die Frage nach dem Umgang mit dem Problem nicht auf kriminologische und strafrechtliche Aspekte beschränken. Da die Täter nicht zuletzt biedere Familieväter, bodenständige Nachbarn, geschätzte Vereinsbetreuer, Schullehrer und sogar Moralinstanzen wie Pfarrer und Mönche sind, haben wir es (von alters her) mit einem Phänomen zu tun, das Polizei und Justiz alleine nie und nimmer in den Griff kriegen können. Guter Rat ist schwer zu finden, wenn das vermeintlich außergewöhnliche Schrecknis sich als gewöhnlicher, quasi alltäglicher Usus entpuppt.  Andreas Pecht
 
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