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2010-02-25b Schauspielkritik:

Bonner Uraufführung von Lothar Kittsteins „Haus des Friedens“: Intensives Charakterspiel vor dem Hintergrund des (Afghanistan-)Krieges 


Drei deutsche Soldaten auf Sinnsuche im fernen Feindesland
 

 
ape. Schauspielerei der ganz leisen, dafür intensiven und packenden Art. Genuss an einer Sprache, die der Schlichtheit des alltäglichen Zungenschlags  existenzielle Fragen anvertraut. Konzentrierter Blick auf drei deutsche Soldaten, die es auf fremdem  Boden in die Einsamkeit jenseits der Gefechtsfelder verschlagen hat. Eindreiviertel Stunden dauert die Uraufführung von Lothar Kittsteins „Haus des Friedens“ auf der fast leeren Bühne in der  Werkstatt der Oper Bonn: Äußerlich ein bescheidener Schauspielabend; Gehalt des Stückes und Dichte des Spiels machen ihn zum Ereignis.

 
Der junge Soldat Lorenz und sein erfahrener Feldwebel Jost sind mit einem Frischling, der Soldatin Marie, bei einer Patrouille liegengeblieben. Eine verlassene Impfstation bietet Deckung bis Lorenz ihr Fahrzeug repariert hat. Sie sitzen auf feindlichem Territorium fest. Feind ist ihnen das weite, öde, steinige, staubige, gebirgige Land tausende Kilometer fern der Heimat. Feind sind ihnen auch die Menschen, denen die Bundeswehr Fortschritt und Freiheit bringen soll.

Feind? Ja, denn dieser Einsatz kann jedem jederzeit den Tod bringen. Nein, denn dieses Land hat eine eigene Schönheit, die Menschen darin – die sind vielleicht nur anders. Und die Segnungen der West-Kultur: Deckt sich da nicht manches mit den Vorboten des Weltuntergangs, wie sie der Koran beschreibt? Jost grübelt, zweifelt; sorgt sich zugleich um die Sicherheit seiner Truppe. Jüngst erst hat ihm eine Sprengfalle einen Mann zerfetzt. Marie ist der Ersatz, sieht dem Gefallenen ähnlich, seine Augen sind die ihren. Jost hat Angst, um sie.

Marie hingegen steckt voller Gottvertrauen, ist überzeugt vom Sinn und vom Guten ihres Auftrages. Eine starke Soldatin, furchtlos, gern in diesem Auslandseinsatz: Wegen der Befreiung der muslimischen Frauen, wegen Bildung, Aufbau, Demokratie. Im scheinbar naiv gestrickten, ungebildeten Lorenz wirbeln derweil ganz andere Gedanken durcheinander. Ist das hier der richtige Job für ihn, wenn er nach vier Jahren noch immer Schiss hat? Überhaupt begehrt er, der Weißhäutige, jetzt erstmal die weiße Marie, denn „die mag mich“. Als der Junge das Mädchen packt, schlägt sie ihn nieder.

Der Stückautor verbietet sich Plattheiten und Agitation. Die Inszenierung von Stefan Heiseke verbietet sich eindimensionale Typen. Wie schon bei seiner Bonner Inszenierung des „Don Karlos“ unlängst lässt er die Darsteller in feinen  Nuancen individuelle Vielschichtigkeit menschlicher Psyche erspielen. Die Marie von Maria Munkert ist auch zart und zerbrechlich. Der Lorenz von Konstantin Lindhorst auch lieb und klug. Der Jost von Bernd Braun auch knallhart und arrogant.

Drei sehr verschiedene Charaktere mit sehr unterschiedlichen Haltungen – von den Umständen in extremes Miteinander gezwungen: Den Krieg, der ihre Herzen missgestalten oder sie töten wird. Der in Afghanistan ist gemeint, aber nicht ausdrücklich benannt. Denn es steht zu befürchten, dass andere Auslandseinsätze folgen. „Haus des Friedens“ gilt auch für sie.
                                                                                        Andreas Pecht


Infos: www.theater-bonn.de


(Erstabdruck 26. Februar 2010)


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