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2010-02-21 Schauspielkritik:

"Die Katze auf dem heißen Blechdach" von Tennessee Williams in Bonn. Regie: Ingo Berk


Dies Stück verträgt keinen Klamauk


 
ape. Er ist an den Theatern der Umgebung lange nicht gespielt worden: Tennessee Williams'  Dreiakter „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von 1955. So wird die jetzige Inszenierung von Ingo Berk am Schauspiel Bonn fürs ältere Publikum zur Wiederbegegnung mit einem guten Bekannten von einst, fürs jüngere zur Erstbegegnung mit einem gewichtigen Vertreter der klassischen Moderne. Ein durchaus erfreulicher Programmpunkt also - für den es bei der Premiere Beifall in schon irritierendem Übermaß gab.
 

Irritierend aus zwei Gründen. Erstens:  Zwar hat schon der Autor selbst Bricks Bruder Gooper und dessen gebärfreudige Gattin Mae als erbschleicherische, boshafte Spießerbagage heftig abgewatscht. Die Bonner Inszenierung aber treibt deren Spiel nicht nur in legitim giftige Zuspitzungen, sondern überschreitet wiederholt die Grenze zum Comedyklamauk. Besonders unangenehm stößt  auf, dass auch Big Mama (Tanja von Oertzen) in diesen Sog aufgesetzter Lachhaftigkeit gezwungen wird.

Daran ist die Einheitsbühne von Damian Hitz nicht unwesentlich beteiligt: Wie ein Boxring erhebt sich inmitten des Zuschauerraumes das von allen Seiten einsehbare Zimmer von Brick und Margaret, das von einem zentralen Doppelbett beherrscht wird. Berk lässt Gooper (Stefan Preiss) und Mae (Tatjana Pasztor) nebst Geburtstagstorte sowie leider eben auch Big Mama auf diesem Bett herumhampeln, was deren Spiel den letzten Rest von Ernst austreibt.  Dazu gesellen sich Pfarrer Tooker (Oliver Chomik) und Doktor Baugh (Wolfgang Rüter) als Gestalten wie aus einer Boulevardklamotte.   

Zweiter Grund, warum der dicke Beifall irritiert: Bei zweien der drei tragischen Hauptrollen passen Spielweise und vom Stück gemeinte Atmosphäre nicht wirklich zueinander. Trefflich noch, wie Hendrik Richter mit Gipsbein, Krücke und am Schnapsglas hängend seinen Brick durchs Niemandsland zwischen Ekel an der Realität und Delirium schwanken lässt. Demgegenüber fällt die Margaret der – in anderen Stücken schon sehr geschätzten – Nina V. Vodop'yanova  zu weich, zu licht, zu ungebrochen aus.

Was dieser Frauenfigur in Bonn fehlt, ist der an Hass grenzende Zynismus, wie er aus der Spannung zwischen permanent zurückgewiesener Liebe und verzweifelter Hoffnung auf irgendeine vielleicht doch noch mögliche Wendung erwächst. Schließlich Big Daddy, der reiche Quadratschädel von Familienherrscher. Ihm wird am 65. Geburtstag erst beste Gesundheit vorgaukelt, dann im ultimativen Wahrheits-Disput von Sohn Brick eröffnet, was alle anderen längst wissen: Der Alte hat Krebs im Endstadium.

Rolf Mautz bringt alle Anlagen zu einer großen Big-Daddy-Darstellung mit: Arroganz, Menschenverachtung, Herrschsucht, erleichtertes Auftrumpfen, latente Liebe zu Brick, Neigung zu Wutausbrüchen. Doch dann lässt ihn die Regie in ungebremste Saftigkeit rennen, sämtliche Anlagen ins Maßlose übertreiben – reduziert ihn schließlich per allfälligem Gebrülle auf eine Karikatur der Big-Daddy-Figur.

Wie schrieb Friedrich Luft nach der Berliner Aufführung 1957: Das sei „keine erquickliche Unterhaltung“, vielmehr leuchte Williams "mit perfider Lust die dunkelsten Ecken der Menschenseele“ an. Mag sein, der 34-jährige Ingo Berk wollte dem Stück beides abringen, komisches Entertainment und tragische Dunkelheit. Indes:  „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ sperrt sich gegen solches Bemühen.  Weshalb der Bonner Abend zwar engagiert die Handlung spielt, des Stückes Eigentlichkeit sich aber nur als des Betrachters Erinnerung an Inszenierungen andernorts sowie die legendäre Verfilmung (1958) mit Liz Taylor und Paul Newman einstellt.                                                                       Andreas Pecht


Infos: www.theater-bonn.de


(Erstabdruck 23. Februar 2010)


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