Thema Politik
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2010-02-11 Bericht/Analyse:

Mainzer Tagung diskutiert: Ist der US-Präsident als Hoffnungsträger zum Scheitern verurteilt?

 

Barack Obama in der Zwickmühle

 
ape. Mainz. Als Barack Obama im Januar 2009 sein Amt antrat, konzentrierten sich gewaltige Hoffnungen auf den ersten farbigen Präsidenten der USA. Ein Jahr später geht die Befürchtung um, Obama könnte zwar als bedeutendster Redner unserer Zeit, aber de facto erfolgloser Politiker in die Geschichte eingehen. Eine Tagung in Mainz untersuchte nun die Frage: Ist der mächtigste Mann der Welt zum Scheitern verurteilt?


Der mächtigste Mann der Welt? Den beiden Referenten der Mainzer Tagung über „US-Präsident Obama und seine Agenda ein Jahr nach dem Amtsantritt“ gilt diese Auffassung als großes   Missverständnis. Viele Europäer, so die Redner, verkennen die Rolle, die dem amerikanischen Präsidenten einerseits von der Verfassung, andererseits durch die aktuellen politischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten zugewiesen wird. Barack Obama mag gewähltes Oberhaupt der noch immer mächtigsten Nation der Welt sein, er kann dennoch nicht tun und lassen, was er will.

Daran ändert auch der Umstand wenig, dass seine Demokratische Partei in beiden Kammern des Kongresses formal die Mehrheit hat. Michael Dreyer, Politikwissenschaftler und Amerikaspezialist an der Universität Jena, weist in Mainz darauf hin: Jeder US-Präsident muss, anders als von hiesigen Medien oft suggeriert, die Macht alle Tage neu erringen. Wenn er den durch die Verfassung mit gewichtigen Befugnissen ausgestattete Kongress nicht überzeugt, bleibt der Präsident mit seinen Gesetzesvorhaben im Regen stehen.

Was hierzulande oft unterschätzt wird: Im US-Kongress hat auch die Minderheitsfraktion beträchtliche Einflussmöglichkeiten – von denen die oppositionellen Republikaner derzeit im Sinne einer rabiaten Blockade-Politik gegen Obama reichlich Gebrauch machen. Zumal seit eine Nachwahl im Bundesstaat Massachusetts vor einigen Wochen die Mehrheit der Demokraten im Senat von 60 auf 59 Sitze (gegenüber 41 auf Seiten der Republikaner) verkleinerte. Diese minimale Kräfteverschiebung gibt nach dem Regular des US-Parlaments der Minderheit weitere wirkmächtige Werkzeuge an die Hand, den politischen Zielen des Präsidenten Hindernisse in den Weg zu legen.

Seine große Gesundheitsreform steckt fest, seine staatsinvestive und regulative Politik zur Bewältigung der Wirtschaftskrise wird heftig angefeindet. Zwei Baustellen, die Obama nach Ansicht der Referenten bei der nächsten Wahl den Kopf kosten könnten, wenn er bis dahin nicht zum Erfolg kommt. Außenpolitisch ist das Irak-Problem noch nicht gelöst, die Afghanistan-Frage offen, der Nahost-Prozess weiter festgefahren. Ein Ende der Iran-Krise ist ebenso wenig abzusehen wie  greifbarer Fortschritt beim Klimaschutz oder seiner in Prag emphatisch vorgetragenen Absicht zur Reduzierung der Atomwaffen.

Die von der Landeszentrale für politische Bildung, der Atlantischen Akademie und dem US-Generalkonsulat Frankfurt gemeinsam veranstaltete Tagung schiebt das Stocken bei der Umsetzung von Obamas Agenda allerdings nicht allein der Blockade durch die Republikaner in die Schuhe. Auch wenn diese Blockade von diversen Einpeitsch-Medien und reaktionären Bewegungen mit für deutsche Wahrnehmung unsäglichen Anti-Obama-Aktivitäten flankiert wird. Dreyer berichtet über Kampagnen in den USA, die in rassistischer Manier den farbigen Präsidenten als dumpfen Neger oder afrikanischen Stammeshäuptling darstellen, die ihn als Kommunisten denunzieren, gar mit Hitler und Stalin gleichstellen.

Dass die Popularitätswerte für Obama in den Staaten – und außerhalb ebenfalls - sinken, liegt wohl  auch am Präsidenten selbst. Dreyers Kollege James W. Davis von der Universität St. Gallen fragt in Mainz: Wo sind denn all die vielen Millionen Amerikaner jetzt, die Obama mit seinem hochgelobten Internet-Wahlkampf erreichte und mobilisierte? Die Referate und die anschließende Diskussion unter der Moderation von Dietmar Brück, stellvertretender Nachrichtenchef der Rhein-Zeitung, ringen um eine Einschätzung.

Eine Ansicht lautet: Obamas Aussagen im Wahlkampf waren so vage, dass viele Gesellschaftsgruppen meinen konnte, dieser Präsident werde sich nun primär gerade für sie einsetzen. Ein Eindruck, den die sehr persönlich wirkende Ansprache des Internet-Wahlkampfes per E-Mail an die jeweiligen Klientel-Gruppen noch verstärkte, und die nun zwangsläufig zu Enttäuschungen führen muss – zumal es Obama und den Demokraten nicht gelungen ist, aus den vielen Teilinteressen eine umfassende Bewegung für den Wandel der gesamten Gesellschaft zu formen.

Eine andere Ansicht geht so: Obama ist zweifelsfrei ein großer Redner; aber in seiner Grundüberzeugung, dass Probleme mit Vernunft und im Gespräch zu lösen sind, unterschätzt er die Bedeutung von Führung. Und zur Führung gehört nicht nur die charismatische Rede, sondern ebenso, daheim wie auf der Weltbühne politische Durchsetzungskraft praktisch zu organisieren und zu entfalten. 

Dreyer und Davis, obwohl beide erkennbar mit diesem US-Präsidenten sympathisierend, monieren dessen Ausweichmanöver bei vielen Themen. Selbst dort, wo der Präsident auf dem Exekutivwege handeln könnte und die Zustimmung des Kongresses gar nicht bräuchte, würde er nicht stramm ausschreiten.  Beispiele: Quantanamo ist noch nicht geschlossen; Folterer bei US-Geheimdiensten und Militär werden nicht verfolgt; statt die Aufnahme von Schwulen in die US-Armee anzuordnen, lässt er erstmal eine weitere Studie erstellen.

In Mainz wird klar: Barack Obama bewegt sich auf gefährlichem Eis mit seinem vielleicht durchaus ehrenwerten Versuch, gegnerische Politiker und Bevölkerungsteile mit in sein Boot der Vernunft zu holen. Die Republikaner zeigen ihm trotzdem die kalte Schulter, während der Präsident zugleich die eigene Anhängerschaft verprellt. Dass er auf mancherlei Gebieten - etwa bei Bildung, Verbraucherschutz, Gesundheitsvorsorge für Kinder und Eindämmung von Arbeitsplatzvernichtung – durchaus schon Vorzeigbares bewegt hat, geht dabei fast unter. „Obama ist ein schlechter Kommunikator in eigener Sache“, meint Michael Dreyer.

Und während die Diskussion zum Ende hin pendelt zwischen „man muss dem Mann Zeit lassen“ und „der Mann muss zupackend die Führung übernehmen“ kommt dem Beobachter ein beunruhigender Gedanke: Was aber, wenn der einzige große Hoffnungsträger, den die Demokratien in dieser Generation hervorgebracht haben, schließlich doch zerrieben wird zwischen den Mühlsteinen der eigentlichen Macht – den Beharrungskräften der Etablierten?                           Andreas Pecht   
             

(Erstabdruck in den nächsten Tagen)
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken