Thema Musik
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2010-01-17a Konzertkritik:

5. Anrechtskonzert beim Musik-Institut Koblenz fordert Rheinische Philharmonie und Publikum


 

Mit Mahlers Fünfter fulminant
ins neue Jahr

 
ape. Koblenz. Zwei keineswegs unbedeutende, aber doch recht kurze Stücke vorweg: Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 und von Anton Webern die Passacaglia opus 1. Nach der Pause dann das Kernstück des ersten Anrechtskonzerts beim Koblenzer Musik-Institut im neuen Jahr: Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 5 in cis-Moll. Für das 70-minütige Großwerk musste die Rheinische Philharmonie zusätzlich eineinhalb Dutzend Gastmusiker einsetzen, um der vom Komponisten vorgesehenen Orchesterbesetzung einigermaßen gerecht zu werden.

Ein lohnender und lobenswerter Aufwand. Denn eine Aufführung von Mahlers Fünfter ist in der Mittelrhein-Region kaum noch erinnerlich. Für viele gerade der jüngeren Zuhörer in der Rhein-Mosel-Halle stellt dieser Abend live eine Erstbegegnung mit dem 1904 in Köln uraufgeführten Werk dar. Eine, die  unter Stabführung von Daniel Raiskin nachhaltigen Eindruck macht, wie der ungewöhnlich lange, enthusiastische Applaus am Ende bezeugt.

Dabei gehört die cis-Moll-Sinfonie nicht eben zu den leichten Unterfangen, weder für Musiker, noch für Zuhörer. Was Mahler da als gewaltiges Rundpanorama zum Einstieg ins 20. Jahrhundert entworfen hat, ist spieltechnisch eine enorme Herausforderung – ein eigener, prall gefüllter Kosmos ständig wechselnder Tempi, Rhythmen, Klangfarben, Atmosphären. Diese Wechsel erfolgen bisweilen so fließend oder auch unvermittelt, dass man sie an den Aktionen von Dirigent und Orchester sieht, das Hirn mit der Verarbeitung des neuen Höreindrucks aber hinterherhinkt.

Ein Faszinosum der Fünften ist –  neben  der genial vielgestaltigen wie stringenten Durcharbeitung des musikalischen Materials –  ihre vermeintliche oder tatsächliche Vorausschau auf die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Mahler verwebt das Wurzelwerk der Wiener Klassik mit kommenden Elementen der Zweiten Wiener Schule, der Stilistik von Kurt Weill und Genossen oder des Jazz. Er scheint auch die Zerrissenheit des neuen Jahrhunderts zwischen volkstümlicher Ausgelassenheit und elender Völkerschlächterei vorwegzunehmen.

Einmal mehr lässt Raiskin den Geist hinter den bloßen Noten und die zugehörigen widersprüchlichen Gefühle signifikant herausarbeiten. Erhaben strahlt der Choral im zweiten Satz, um hernach voller Selbstzweifel wieder in sich zusammenzubrechen. Schnippisch bis fast satirisch  erlebt ein munter-alpiner Volkstanz im Scherzo diverse Metamorphosen. Und wie angenehm:  Raiskin lässt nicht zu, dass das durch Viscontis Film „Tod in Venedig“ populär gewordene Adagietto in neoromantischer Gefälligkeit verschmalzt.

In allen Instrumentgruppen werden ausgezeichnete Ensembleleistungen und teils fulminante  Solobeiträge abgeliefert. Das gilt für Mahlers Fünfte wie für das Webern-Stück zuvor. Das gilt allerdings nicht für die anfängliche Leonoren-Ouvertüre, wo der Orchesterklang noch recht unaufgeräumt wirkt. Doch angesichts der nachherigen Güte: Schwamm drüber.
                                                                              Andreas Pecht

(Erstabdruck am 18. Januar 2010)
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken