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2009-10-17 Ballett-Feature:

Martin Schläpfers erste Premiere (b.01) beim "Ballett am Rhein Düsseldorf/Duisburg"


Eine fast irritierend positive Aufnahme
 
ape. Düsseldorf.  Es ist eine gute Tradition, Künstler, die in der heimischen Region zu Bedeutung gelangten, auch nach ihrem Weggang im Auge zu behalten. Zumal, wenn die neue Wirkstätte in der Nachbarschaft liegt, wie das bei Martin Schläpfer der Fall ist. Nach zehn denkwürdigen Jahren in Mainz hatte er am Wochenende seine erste Premiere als Chef des „Ballett am Rhein Düsseldorf/Duisburg“. Die rheinland-pfälzische Szene interessiert nun: Wie wurde seine Arbeit in der Oper Düsseldorf aufgenommen?


Der Zuspruch fällt fast irritierend positiv aus: Kaum jemand nutzt die Pausen zu entnervter Flucht; der einzige Buh-Rufer verliert sich im langen, lauten und an Bravos reichen Beifall für den dreiteiligen Abend. Erwartbar war das durchaus nicht, denn das Publikum in Düsseldorf hat 13 Jahre mit ganz anderem Ballett hinter sich. Schläpfers Vorgänger, Youri Vamos, war ein choreografischer Geschichtenerzähler, pflegte als einer der letzten seiner Zunft das abendfüllende Handlungsballett auf klassischer Basis.

Das Premiereprogramm baut den Zusehern zum Beginn mit „Marsch, Walzer, Polka“ eine Brücke. Die humorige, 2006 schon bei der Uraufführung in Mainz bejubelte Tanzpersiflage zu Musiken der Wiener Strauß-Familie beruhigt in Düsseldorf auch Moderne-Skeptiker etwas. Und: Sie nötigt dem dortigen Publikum vom Start weg Anerkennung für das Können „der Neuen“ ab. Jörg Weinöhl wird für seine Parodie zum Radetzky-Marsch gefeiert; Marlucia do Amaral und Bogdan Nicula haben für ihre überragende Ausdruckskraft im Handumdrehen jene Bewunderung gewonnen, die ihnen schon in Mainz zuteil wurde.

Überhaupt sind die eineinhalb Dutzend Tänzer, die Schläpfer von Mainz nach Düsseldorf mitgenommen hat, sichtlich das Herzstück der ansonsten neu zusammengestellten 48-köpfigen Großcompagnie des „Ballett am Rhein“. Beim zweiten Abendteil – Hans van Manens 2007 in Mainz gezeigten „Frank Bridge Variations“ –  bleiben die Ex-Mainzer gleich ganz unter sich. Das in Formationen wie in kleinsten Bewegungen auf höchste Präzision bauende Stück für fünf Paare ist wohl einfach zu schwer, um es von noch nicht miteinander vertrauten Tänzern realisieren zu lassen.

Denn auch beim großen Ensemblebildner Schläpfer braucht das Zusammenwachsen einer neuen Compagnie Zeit. Man sieht nach sieben Arbeitswochen in Düsseldorf einfach noch, wer schon ein paar Jahre im ballettmainz dabei war und dessen spezifisch neoklassischen Stil verinnerlicht hat, oder wer jetzt erst hinzu kam und noch technisch mit den ungewohnten  Anforderungen ringt. Man sieht es vor allem im Schlussteil des Abends, Schläpfers erster Uraufführung fürs neue Haus: „3. Sinfonie“ zur gleichnamigen Komposition von Witold Lutoslawski.

Das ist eine düstere Choreografie zwischen Verlorenheit und Zorn, mit ihren zahlreichen kleinen Sequenzen vielfältig deutbar. In drei schwebende Käfige je ein Mensch gesperrt, über die ganze Bühne (Thomas Ziegler) schwingt sich eine metallene Gerüstschiene. Darunter spielen sich Lebenskämpfe ab: Frauen gegen Männer, Viele gegen Einzelne, Mächtige gegen Ohnmächtige, Wut gegen Erbarmen, Gestern gegen Morgen – Grazie gegen Versehrtheit, klassische Form gegen moderne... Das gibt Raum für vielerlei Tanzstile. Alle Tänzer/innen kommen zum Einsatz, können zeigen, was sie  mitgebracht und/oder in den letzten Wochen bereits hinzugewonnen haben. Ein Ensemble auf dem Weg -  das sich nach dem Schlussapplaus hinter der Bühne ausgelassen darüber freut, dass "sein" neues Publikum Bereitschaft erkennen lässt, sich auf diesen Weg einzulassen. 

Im Foyer reichen nachher die Stimmen der Düsseldorfer von „gewöhnungsbedürftig“ über „jetzt weht ein frischer Wind“ bis „richtig spannend“ und „großartig“. Martin Schläpfer und Co. sind im Rheinland angekommen. Und wenn die Erinnerung nicht täuscht, ging die Aufnahme in Düsseldorf sogar etwas einfacher vor sich als diejenige vor zehn Jahren in Mainz.  Andreas Pecht

Info: www.ballettamrhein.de     


(Erstabdruck am 19. Oktober 2009)


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