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2009-10-12c Musikwelt:

Das historische Domizil der Rheinischen Philharmonie ist eine Perle in der Koblenzer Altstadt
 

Jede Menge Musikleben im Görreshaus

 
ape. Es hat den wohl schönsten historischen Saal in Koblenz: das Görreshaus, Stammsitz des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie (SRP) seit 1985. Gebäude mit Saal in der Eltzerhofstraße sind freilich wesentlich älter. Sie stammen aus dem Jahr 1865 und gehen wie so manches in Koblenz auf eine Bürgerinitiative zurück. Das Görreshaus ist eine Gründung des Katholischen Lesevereins Koblenz – und wäre wahrscheinlich nie gebaut worden, hätten sich die Mitglieder zwecks Finanzierung ihres repräsentativen Vereinshauses damals nicht zu einer Spargemeinschaft zusammengetan.

Neben Stadttheater, Mittelrhein-Museum, Casino zu Koblenz, Musik-Institut... hat die Stadt am Deutschen Eck einmal mehr dem Engagement seiner bildungs- und kulturbeflissenen Bürger von einst viel zu verdanken: Im Falle Görreshaus einen der bemerkenswertesten Profanbauten im altdeutsch-neugotischen Stil am Mittelrhein, der nun seit knapp 25 Jahren dem Orchester als angemessenes Domizil dient. Lange Zeit eine gute Adresse für das städtische Geistesleben, schrieb das Görreshaus nach dem Zweiten Weltkrieg auch Landesgeschichte: Von Sommer 1947 bis Mai 1951 war es Sitz des ersten rheinland-pfälzischen Landtages. Im Görressaal –  in dem heute das Orchester probt und in großer Besetzung oder mit kammermusikalischen Gliederungen bei zahlreichen Konzerten vors Publikum tritt – diskutierten in jenen Jahren die Abgeordneten, verabschiedeten Gesetze, gestalteten Aufbau und Zukunft des neuen Bundeslandes.

Auch der spätere Einzug der Rheinischen Philharmonie ins Görreshaus hatte eine landespolitische Komponente. 1973 war das vormalige städtische Orchester als Staatsorchester in die Trägerschaft des Landes Rheinland-Pfalz überführt worden. Da konnte es nun wachsen, gedeihen und zunehmend künstlerische Anerkennung im In- und Ausland für sich verbuchen. Problem: Einen festen Probenraum und eigenen Konzertsaal hatte es aber nach wie vor nicht. Ein Zustand der länger nicht akzeptiert werden konnte – zumal zeitgleich für das damals zweite Landesorchester, die Staatsphilharmonie Ludwigshafen, der Neubau eines eigenen Hauses beschlossen worden war.

Nach zähem Ringen übereignete die Stadt Koblenz, in deren Besitz das inzwischen leidlich heruntergekommene Görreshaus sich befand, die Liegenschaft kostenlos dem Land. Unter der Bedingung, das historische Gebäude zu sanieren, zu restaurieren und für eine Nutzung durch das Orchester in geeigneter Weise herzurichten. Es wurden Probezimmer und Büroräume eingebaut. Der Saal wurde stilvoll aufgearbeitet, teils nach alten Fotos und Zeichnungen rekonstruiert. Vier Kronleuchter, Holzvertäfelungen und Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert, durch Säulen gegliederte Kopfemporen und eine Seitenloge geben dem Saal bis heute ein ganz eigenes Gepräge.

Am 16. August 1985 bezog das Orchester mit einem Gala-Konzert (gegeben wurde u.a. Gustav Mahlers 2. Sinfonie) seine neue Heimstatt. Und in der Musikszene verbreitete sich bald das geflügelte Wort von „Deutschlands schönstem Probesaal“, den das Koblenzer Staatsorchester sein Eigen nennen dürfe. Beim Probesaal allein konnte und sollte es nicht bleiben. Schon im Jahr darauf, 1986, rief der damalige Intendant Richard Stracke eine Kammerkonzert-Reihe im Görreshaus ins Leben.

Die Reihe wird unter dem Titel „Stunde der Philharmonie“ bis in die Gegenwart fortgesetzt.  Jeweils an einem Sonntagvormittag (11 Uhr) konzertieren SRP-Musiker auf eigene Initiative mit Kollegen aus dem Orchester und/oder Gästen in festen oder wechselnden kammermusikalischen Besetzungen. Die Intendanz stellt kostenlos den Saal, der Freundeskreis des Orchesters sponsert die nötigen Umbauten dort, die Tageskasse geht an die Musiker. Acht Konzerte stehen in der laufenden Saison 2009/2010 auf dem Programm. Zum nächsten (8. November) tritt Ernst Triner mit Streichsextett an. Das übernächste (20. Dezember) gestaltet SRP-Harfinistin Stephanie Zimmer zusammen mit der Sängerin Christiana Jordan.

1991 führte dann der seinerzeitige Chefdirigent Christian Kluttig zusätzlich die „Orchesterkonzerte im Görreshaus“ ein. Auch diese Reihe existiert bis auf den heutigen Tag, bietet an vier Sonntagnachmittagen pro Saison erlesene Konzertprogramme mit großem Orchester und namhaften Solisten. Die Reihe startet in der aktuellen Saison am 6. Dezember unter dem Dirigat von Daniel Raiskin mit einem „Serenaden I“ betitelten Nachmittag. Sie wird am 7. Februar 2010 fortgesetzt mit einem Konzert, das den literarischen Helden Don Juan und Don Quixote gewidmete Werke zusammenführt. Zu diesen beiden Reihen kommt das ganze breite Spektrum der Kinder- und Jugendkonzerte des SRP, kamen über die Jahre zahlreiche Sonderprogramme wie die „Koblenzer Konzerte“ oder Gastveranstaltungen wie etwa im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz oder der Koblenzer Mendelssohn-Tage.

So hat sich das historische Görreshaus seit dem Einzug des Orchesters 1985 zu einem lebendigen Zentrum klassischer Musik mitten in der Koblenzer Altstadt entwickelt. Einem Zentrum, das große Musik in einem wunderschönen und repräsentativen, aber zugleich auch fast intimen Rahmen ermöglicht. Denn der Görressaal ist keine riesige Halle, sondern ein akustisch angenehmer Konzertraum für maximal 200 Besucher. Diese Dimension und die damit verbundene Nähe zu den musikalischen Akteuren schafft ein ganz anderes Konzerterlebnis, als es bei den großen Konzerten  etwa des Musik-Institutes in der Rhein-Mosel-Halle oder in den größeren Hallen der Umgebung der Fall ist. Weshalb die SRP-Musikprogramme im Görreshaus auch keine Konkurrenz, sondern eine  willkommene Ergänzung zu jenen Konzerten andernorts sind.

Das Görreshaus und sein Saal sind eine Perle im Koblenzer Stadtgebiet – auch wenn das von außen auf den ersten Blick kaum zu erkennen sein mag. Über die unscheinbare Eltzerhofstraße fällt der Ortsunkundige nicht automatisch. Der Blick von der belebten Firmungsstraße als quasi Schlagader der historischen Altstadt hinunter zum SRP-Domizil findet spontan keinen das Auge bannenden Fixpunkt. Und selbst wer direkt vor dem Görreshaus steht, dem mag die straßenseitige Front mit ihren vergitterten Fenstern auch nicht allzu reizvoll erscheinen. Wie so oft im Leben kommt es auch hier auf die inneren Werte an. Erst hinter den Toreinfahrten beginnt der denkmalgeschützte Bereich, dessen Kern der Görressaal ist.

Dort hat sich das Staatsorchester nach jüngsten Umbauten im zurückliegenden Jahr über alle Stockwerke mit Verwaltung, Technik, Archiv, Stimmzimmern, Dirigentenzimmer oder Gästegarderobe ausgebreitet. Diente das Görreshaus in letzten Jahren auch dem Wasserwirtschaftsamt und der Landesbüchereistelle als Unterkunft, so ist das Orchester nach deren Auszug zurzeit alleiniger Bewohner. Allerdings steht das Vorderhaus jetzt weitgehend leer und harren eine ganze Menge Räume ihrer ferneren Nutzung. Für die man sich wünschen würde, dass sie einmal harmonisch zum Wesenskern des Görreshauses passt: Im 19. Jahrhundert in Erinnerung an den berühmten Koblenzer Lehrer, Denker, Publizisten Joseph Görres als geistig-kultureller Ort erbaut, ist es im 21. Jahrhundert ein Zentrum musikalischer Kulturpflege geworden.   Andreas Pecht

(Erstabdruck im Oktober 2009)

Stammhaus Rheinische Philharmonie, 1865 erbaut, Schmuckstück, Görreshaus Koblenz     
 
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