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2009-10-12 Musikwelt:

"NACH DIENST": Feature-Reihe über private Passionen von Mitgliedern der Rheinischen Philharmonie. Folge 1: Nikolaus Maler, Solofagottist
 

Wo nichts ist, hilft der Musiker
sich selbst


 
ape. Koblenz. Die Öffentlichkeit kennt die Musiker der Rheinischen Philharmonie von Angesicht vornehmlich als Herrschaften im feinen schwarzen Zwirn, die auf der Konzertbühne getreulich und mit Hingabe ihren Dienst an der musikalischen Kunst tun. Ihr Wirken im Graben des Theaters bleibt zwar meist unsichtbar, ist aber doch unüberhörbar. Und dass sie daneben viele Stunden beim Üben und im Probesaal verbringen, weiß man. Was aber tun Musiker „nach Dienst“? Womit beschäftigt sie oder er sich, wenn die Orchesterarbeit beendet ist? Mit einer losen Artikelreihe für das Halbjahres-Magazin D:U:O möchte ich  privaten Vorlieben einiger SRP-Mitgliedern näher treten. Und zwar solchen, die sich von  normalen Alltagsbeschäftigungen etwas unterscheiden. Das Augenmerk richtet sich auf besondere Hobbys und Passionen - nicht nur musikalischer, sondern auch anderweitig künstlerischer oder sozialer, handwerklicher, sportiver sowie sonst interessanter Natur.


Heimbesuch bei Nikolaus alias Niko Maler. Der Solofagottist des SRP lebt mit Gattin und zweijährigem Töchterchen Luise in einem der kleinen Fachwerkhäuser von Koblenz-Neuendorf. In der vordersten Reihe zum Rheinufer. Dort, wo schon mittlere Hochwasser als ungebetener Gast in die Haustüre treten. Dann heißt es: Erdgeschoss räumen und sich mit der 1. Etage bescheiden –  derweil „durch den Flur unten die Enten paddeln“, wie Maler vom letzten Hochwasser in ähnlicher Gelassenheit erinnert, wie sie den flussnahen Ureinwohnern seit Generationen eigen ist. Die Malers sind freilich Zugereiste, Nordlichter, von Lübeck her kommend, wo Niko 1972 zur Welt und bald zur Musik kam.

Bei Hochwasser ausgeräumt wird auch ein Stübchen, das ihm als Arbeitszimmer dient. Dort hat er im vergangenen Jahr wohl die Idee ausgebrütet, Georg Phillipp Telemanns zwölf Flöten-Fantasien fürs Fagott zu bearbeiten, als Notendruck herauszugeben und gleichzeitig selbst auf CD einzuspielen. Dort prüft er derzeit die Möglichkeiten, dreistimmige Bach-Sinfonien für Tasteninstrumente dem Spiel von Fagott-Trios zugänglich zu machen. Doch bevor das Gespräch mit Maler auf seine „Nach Dienst“-Tätigkeit als Bearbeiter und Herausgeber von Fagott-Noten kommt,  bedarf der Besucher der Erhellung über eine Menge Utensilien, die er im Refugium eines Berufsmusikers nicht erwartet hätte.

Ein Sortiment an Schnitzmessern und Feilen, eine Schieblehre; dazu Apparaturen, die wie miniaturisierte Drehbänke oder Fräsmaschinen wirken und ein Sack voll runder Holzstückchen. Kurzum: Man wähnte sich in einer feinmechanischen Werkstatt, stünde da nicht der Notenständer mit einem Suiten-Heft von Johann Sebastian Bach drauf, und stieße man nicht unversehens auf Vertreter der Maler nahestehenden Instrumentfamilie: das Fagott, dessen Pommer genannter Vorläufer aus dem 15. Jahrhundert, sowie der neuzeitliche Nachkömmling namens Quintfagott oder Fagottino. Das Werkzeug, klärt sich schließlich auf, dient vor allem einem Zweck: Unser Solofagottist fertigt die Mundstücke für sein Instrument, genannt „Rohre“, selbst an. Und weil er sowieso eine handwerkliche Ader hat –  „ein schönes Gefühl, mit den eigenen Händen etwas zu produzieren“ –  sägt, schnitzt, feilt und schmirgelt Maler gelegentlich hölzerne Buchstaben zu, mittels derer das Töchterchen zu gegebener Zeit griffig das Alphabet lernen kann. Noch ein Ausfluss der handwerklichen Neigung: Dieser Mann strickt mit Hingabe. 

Was nun das Umarbeiten diverser Musiken für Fagott angeht, so handelt es sich da gewissermaßen um eine aus der Not geborene Tugend: Das originale Repertoire für solistisches Fagottspiel ist nun mal ziemlich schmal, für Fagott-Trio geradezu dürftig. Im Trio aber spielt Maler mit zwei Fagott-Kollegen seit Studententagen. Was tun, wenn es an Stoff mangelt? Selber machen! Also entsteht über die Jahre die sogenannte „Niko-Mappe“, eine lose Privatsammlung zahlreicher Bearbeitungen von Klassikstücken, Jazz-Nummern, ja  sogar von Schlagern und Geburtstagsliedern für ein, zwei und vor allem drei Fagotte. Von da aus war dann der Weg nicht mehr weit, erst Bach'sche Inventionen für Fagott-Trio, anschließend sechs Cello-Suiten des Thomaskantors für Solofagott zu bearbeiten.

Letztere erschienen 2005 im Selbstverlag –  nachdem der Koblenzer Musiker überlegt hatte, dass womöglich auch Fagottisten andernorts Nutzen und Freude aus seinem Tun „nach Dienst“ ziehen  könnten. Der logische nächste Schritt war Anfang 2008 die Herausgabe der für Fagott bearbeiteten Telemann'schen Flötenfantasien bei einem Verlag, in diesem Fall beim Fagott-Spezialisten Accolade. Und weil Niko Maler die Eignung und Spielbarkeit der erwählten Stücke und seiner Bearbeitungen stets eingehend am eigenen Instrument erprobt, lag der Gedanke nahe: Warum daraus nicht eine CD machen. Gedacht, getan – er spielte die Telemann-Fantasien ein und ließ 500 Scheiben davon produzieren.

„Geld lässt sich damit keines verdienen“, beantwortet der Musiker beim Geplauder auf der kleinen Hinterhof-Terrasse des Neuendorfer Domizils lachend die entsprechende Nachfrage. So ist das eben mit derartigen Passionen: Reich wird man davon nicht. Das gilt auch  für die anderen Aktivitäten, denen Maler außerhalb seines Berufes als Orchestermusiker nachgeht. Da wäre sein  Da Ponte-Bläseroktett; auch das eine Gründung aus Studentenzeiten in Hannover und Berlin, die bis heute existiert und weiter auftritt. Da wäre sein Duo mit Thomas Peter-Horas, das Fagott und Akkordeon launig die Musikwelt von Klassik bis Tango durchstreifen lässt. Da wäre die von Maler hoch geschätzte pädagogische Arbeit an der Musikhochschule Frankfurt oder in der hiesigen Reihe „Musikalisches Klassenzimmer“. Da wäre …

Langeweile kommt beim Koblenzer Solofagottisten aus Lübeck gewiss nicht auf. Sollte zwischen Beruf, Passionen und Familie dann noch ein bisschen Raum bleiben, macht Niko Maler was?  „Tango tanzen; für mein Leben gern.“                     Andreas Pecht                    

Infos:
Niko Malers CD „12 Fantasien für Fagott solo“ mit Telemann-Bearbeitungen ist im SRP-Orchesterbüro erhältlich.

2009-06-08b CD-Tip:
Nikolaus Maler spielt mit Fagott solo 12 Fantasien von Telemann


www.rheinische-philharmonie.de

Stücke dieser CD musiziert Maler 2010 live im Rahmen der halbstündigen Samstags-Musiken (12.30 – 13 Uhr) in der Herz-Jesu-Kirche Koblenz am 30.1., 27.2., 13.3. und 27.3.              


(Erstabdruck im Oktober 2009)

"Nach Dienst", Niko Maler, Solofagottist Rheinische Philharmonie, Personality-Story
 
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