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2009-09-26 Porträt:

Jugendkunstwerkstatt Koblenz (JuKuWe): Quietschlebendiger Verein der freien Jugendpflege
 

Kulturelle Bildung macht
Nachwuchs stark

 
ape. Koblenz. In dieser schnelllebigen Zeit ist man geneigt, kulturelle Initiativen, die nach bald zwei Jahrzehnten noch immer Bestand haben, als altehrwürdige Einrichtung zu betrachten. Christof Nießen, Geschäftsführer der Koblenzer Jugendkunstwerkstatt, wird jetzt entgeistert dreinschaun: Die von ihm mitbegründete JuKuWe als „altehrwürdig“ zu bezeichnen, käme ihm nie in den Sinn. Noch befremdlicher dürfte Ute Krummenauer dieser Begriff  vorkommen. Die junge Sozialpädagogin gehört seit einem Jahr zu den drei Hauptamtlichen der Werkstatt und erlebt, wie Nießen auch, ihre Arbeit als ständig sich erneuernde Herausforderung in einer quietschlebendigen Aktionssphäre für Kinder und Jugendliche.


Und doch hat das Wort „altehrwürdig“ seine Berechtigung. Denn was die 1991 als gemeinnütziger Verein der freien Jugendpflege aus der Taufe gehobene JuKuWe im Kurt-Esser-Haus gegenüber dem Koblenzer Hauptbahnhof treibt respektive von dort aus auf die Beine stellt, ist aller Ehren wert und  Anerkennung würdig. „Ehrwürdig“ also, und das in ungebrochener Kontinuität seit rund 20 Jahren. Weshalb die Einrichtung als gereift betrachtet werden kann, mithin „alt“ in diesem Zusammenhang als Verdienst gelten darf.

Es mag noch immer ein bisschen irritieren, wenn aus der alternativen Soziokulturbewegung der 1980er-Jahre hervorgegangene Projekte, Initiativen, Institutionen heute als gleichwertig tragende Säulen des kulturell-gesellschaftlichen Lebens geschätzt werden. Auch die Wiege der JuKuWe stand in der Koblenzer Kulturfabrik (Kufa), jenem von der Mehrheitsgesellschaft einst misstrauisch beäugten jugendlichen Außenseiterzentrum. Die damaligen Außenseiter sind inzwischen in die Mitte der Gesellschaft gerückt, haben wertvolle Impulse, innovative Kulturtechniken, unverzichtbares Engagement dorthin mitgebracht.

Start 1988: Sechs Kinder im Zirkus

Sechs Kinder hatten 1988 am ersten Zirkus-Projekt der späteren JuKuWe-Gründer in der Kufa mitgemacht. Bald darauf wurden die Initiatoren Nießen, Fischbach, Ullmer und Co.  bei der ersten Zirkus-Ferienwoche von 70 Kindern schier überrannt. Deren Eltern waren es, die mit ihrem anschließenden Wunsch „macht mehr, macht öfter, macht regelmäßig“ die Idee zur Jugendkunstwerkstatt anschoben.  An deren Anfang standen Erlernen von und Spielen mit Zirkus-Fertigkeiten im Mittelpunkt:  Jonglage, Akrobatik, Zauberei etc. Im Jahr des 2000. Geburtstages der Stadt Koblenz kam ein Comic-Zeichner an Bord, womit die Ausweitung des Programms aufs Feld des Handwerkelns und der Bildenden Kunst begann.

Ein Erfolgsmodell, für das es in der Kufa neben Tanztheater Regenbogen und Veranstaltungsprogramm seinerzeit bald zu eng wurde. Das Ringen um den Umzug von der Kufa ins Kurt-Esser-Haus, um die Umwandlung der städtischen Jugendbegegnungsstätte dort in die freie JuKuWe wäre eine eigene Story. Eine auch über stadtpolitische Grabenkämpfe und kulturanschauliche Querelen – eben all das Hin-und-Her, das den Weg der soziokulturellen Initiativen in Richtung allgemeine Akzeptanz generell zu begleiten pflegte. Schnee von gestern. Längst sind alle Beteiligten klüger geworden: Die JuKuWe wird von der Stadt gefördert, ebenso vom Land, von Stiftungen, von Sponsoren – sie ist ein Kernstück der Kinder- und Jugendarbeit in Koblenz, auf das niemand mehr verzichten will.

Kinderzirkus plus Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Töpfern, Drucken, Nähen, Experimentieren mit allerlei Materialien … Heute besuchen je Semester 220 Teilnehmer vom 3. bis zum 27. Lebensjahr in ihrer Freizeit eine Vielzahl von Kursen unterschiedlichster Ausrichtungen und Anspruchsniveaus. Hinter dem breiten Angebot steckt ein übergeordneter Zweck: „Die JuKuWe vermittelt handwerkliche und künstlerische Fertigkeiten, durch die sich Kreativität, Individualität, künstlerische Ausdrucksfähigkeit und soziales Engagement entfalten.“ So formuliert die Homepage der JuKuWe in einfachen Worten das große soziokulturelle Konzept individueller Selbstwerterfahrung und -entwicklung durch kreative Eigenaktivität in der Gruppe, das Nießen im Gespräch auf den heute üblichen Terminus „kulturellen Bildung“ bringt. „Das ist eine sehr gute Jugendarbeit“, erklärt Rolf Ohly, und benennt dies zugleich als Grund für sein ehrenamtliches Engagement im Vorstand des rund 120 Mitglieder zählenden JuKuWe-Vereins.

Hinein in die Gesellschaft

Wie so viele gereifte Soziokulturisten in Rheinland-Pfalz sind auch die JuKuWe-ler formidable Projektentwickler und Netzwerker geworden. Die Jugendkunstwerkstatt ist keine abgeschlossene Insel, sondern ein auch draußen in der Stadt und auf das städtische Leben wirkendes offenes Zentrum. Ute Krummenauer erzählt von den alljährlichen Ferienangeboten für Kinder auf der Wiese Oberwerth. Von der faszinierenden Wirkung des spielerischen Bauens und Werkelns an Hütten oder Rheinburgen unter freiem Himmel auf die Stadtkinder. Nießen erinnert an das alljährliche Kreativcamp „KunstReich“, verweist auf Kooperationen mit Ludwigmuseum und Landesmuseum, mit anderen Jugendhilfeeinrichtungen und Kindertagesstätten.

„Wir wollen raus und gehen raus“ sind sich Nießen, Krummenauer und Ohly einig –  ebenso wohl die zwei jungen Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr, der Zivi und die knapp 30 freien Künstler und anderen Fachkräfte, die im Rahmen der JuKuWe mit Kindern- und Jugendlichen arbeiten. Was soviel heißt wie: Wir wollen hinein in die Gesellschaft. Auch mit Stadtteilprojekten, bei denen Kinder den Stadtplanern beispielsweise hinsichtlich der Spielplatzgestaltung als Spezialisten in eigener Sache zur Seite stehen. Oder als Träger des Kinder- und Jugendbüros, einer Institution der politischen Jugendbildung, die mit dem Stadtjugendring dafür arbeitet, Jugendliche ernsthaft in politische und gesellschaftliche Prozesse am Ort einzubeziehen.

Eine Einrichtung wie die JuKuWe hatte über die Jahre doch bestimmt auch ihre große Krise?  „Bei uns ist immer Krise“, meint Ohly launig. Geschäftfsührer Nießen konkretisiert: Der Kampf ums Geld, um Kapazitäten und Qualitäten, um Projektverwirklichung sei jedes Jahr neu zu führen. Beispiel: „Wir müssen damit rechnen, dass die Ausweitung der Ganztagsschulen uns zu einer anderen Zeitstruktur des Kursangebotes zwingt.“  Noch gibt es mehr Interessenten als Kursplätze, aber das kann schon nächstes Jahr anders sein.

Nächstes Jahr ist ein neues Jahr, wie jedes Jahr seit dem ersten Miniprojekt 1988 ein neues Jahr war –  mit veränderten Bedingungen und vor allem sich verändernden Kindern und Jugendlichen. Darauf muss „kulturelle Bildung“, muss diese Mischung aus Kunst/Kultur und Sozialpädagogik sich immer wieder neu einlassen. Bislang hat das bei der JuKuWe ziemlich gut geklappt.

Infos: www.jukuwe.de


(Erstabdruck Woche 40 September/Oktober 2009)

Porträt, Jugendkunstwerkstatt Koblenz
 
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