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2009-08-24 Analyse:

Viel Euphorie für CCS-Technik, aber noch mehr Fragezeichen

Der Traum vom sauberen Kohlestrom

 
ape. 385 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) hat die deutsche Energiewirtschaft zuletzt in die Atmosphäre geblasen. Abfall überwiegend aus Kohlekraftwerken. Nun richten sich große Hoffnungen auf eine Technologie namens CCS. Die soll das CO2 bei der Stromproduktion auswaschen und in tiefer Erde endlagern. Saubere Kohleverbrennung: Realistischer Weg zum Klimaschutz oder bloß ein Traum?
 

Zu schön, um wahr zu sein: Dank einer technischen Innovation können Kraftwerke, die zur Strom- und Wärmeproduktion Kohle verbrennen, künftig ohne schädliche CO2-Emissionen betrieben werden. Das den Klimawandel anheizende Abgas wird durch eine dem Kraftwerk beigesellte Maschinerie ausgewaschen, wird mit hohem Druck in Gesteinsschichten 1000 bis 4000 Meter unter der Erd- oder Meeresoberfläche gepresst und bleibt dort für ewige Zeiten weggesperrt. So zumindest das Szenario, das die CCS-Enthusiasten zeichnen.

Danach würde die CO2-Bilanz durchgreifend verbessert, der Klimaschutz entscheidend gestärkt – und das, ohne Engpässe bei der Befriedigung selbst steigender Energiebedürfnisse befürchten zu müssen. Obendrein könnte die neue Technik ein deutscher Exportschlager werden. Ist CCS (= Carbon Dioxid Capture and Storage),  die CO2-Abscheidung und -Speicherung also, der Stein der Weisen im Klimaschutzprozess? Ist es bis auf weiteres die ideale Klimaschutz-Technologie?

Das Prinzip der CO2-Abscheidung ist aus der Chemieindustrie längst bekannt, doch gibt es für die großtechnische Anwendung im Kraftwerksbereich bislang noch keine Erfahrungen. Im Herbst 2008 hat der Vattenfall-Konzern in Brandenburg die erste CCS-Versuchsanlage weltweit in Betrieb genommen. Eben kam eine weitere Pilotanlage in einem RWE-Braunkohlkraftwerk bei Köln hinzu. In beiden Fällen handelt es sich um sehr kleine Frühversionen vornehmlich zum Zwecke der Forschung und Erprobung. Die CCS-Technik steckt also noch in den Kinderschuhen. Mit der Serienreife dürfte kaum vor 2020 zu rechnen sein, mit dem praktischen Einsatz in klimarelevanten Größenordnungen noch etliche Jahre später.

CCS kommt zu spät


„Eindeutig zu spät“, moniert nicht nur die Umweltorganisation Greenpeace mit Verweis auf den vom Weltklimarat IPCC skizzierten Zeitrahmen. Danach muss der Höhepunkt der globalen CO2-Emissionen 2015 erreicht sein, von da an schnell deutlich sinken. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung ernst genommen, kann gerade Deutschland auf die Ausreifung der CCS-Technik nicht warten: Die versprochene CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 kann nur auf anderen Wegen erreicht werden – vorrangig durch beschleunigten Ausbau regenerativer Energien sowie Erhöhung der Energieeffizienz.   

In den beiden CCS-Versuchsanlagen wird nach Möglichkeiten zur Senkung der enormen Energiemengen gesucht, die zur CO2-Abscheidung selbst aufgewandt werden müssen. Denn je nach Reinigungsverfahren verschlingt die Technik bis zu einem guten Drittel der  Kraftwerksleistung. Noch nicht gerechnet die Energie für Transport und Erdverklappung des abgeschiedenen CO2. Will sagen: Um die gleiche Energiemenge zu liefern wie ein herkömmliches Kohlekraftwerk muss ein Meiler mit CCS-Technik wesentlich mehr Kohle verbrennen. Dieser Umstand nebst den hohen Kosten für die CCS-Anlagen sowie für den anhängenden CO2-Entsorgungsbetrieb würden die Stromproduktion erheblich verteuern. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung geht von einer Erhöhung des Strompreises zwischen 40 und 100 Prozent für den Endverbraucher aus.

Ähnlich sieht es der Umweltfachmann Richard Heinberg. Der Amerikaner verweist noch auf einen weiteren,  bislang viel zu wenig beachteten Aspekt: Zwar seien die globalen Kohlelager beträchtlich; an Vorräten für die nächsten 100 Jahre hat er allerdings erheblich Zweifel angesichts der Wachstumsraten beim Verbrauch. Vor allem aber mache sich zusehends Knappheit an Lagerstätten bemerkbar, die mit wirtschaftlich noch vertretbarem Aufwand abzubauen sind. Qualität und Brennwert der in den USA geförderten Kohle etwa nehme inzwischen ständig ab, so Heinberg. Und was die großen Vorkommen in Sibirien angeht, müsse für den Abbau dieser Kohle und den Transport über tausende von Kilometern fast mehr Energie aufgewandt werden als in den schwarzen Brocken drinstecke.

Endlagerung für die Ewigkeit?

Weitgehend offen sind bislang auch die meisten Fragen um die zweite Phase der CCS-Anwendung: den Transport des abgeschiedenen CO2 und dessen Endlagerung durch Einpressung in tiefe Gesteinsschichten. Wir sprechen von vielen Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich, die durchs Land bewegt werden müssten, um sie dann für die Ewigkeit  sicher einzulagern. Dafür „geeignete“ Gesteinsschichten stehen nicht überall und nicht umbegrenzt zur Verfügung. Sie müssen porös genug sein, um ordentliche Mengen Gas aufzunehmen. Sie müssen gegenüber Wasser führenden Schichten und sowieso hin zur Oberfläche dicht sein. Also müssen sie auch stabil sein und möglichst weit entfernt von Erdbeben-Einflüssen. Leckagen der Endlager wären fatal, denn das unsichtbare und geruchslose CO2 ist nicht nur dem Klima abträglich, sondern im Nahbereich bereits bei mäßig überdurchschnittlichen Konzentrationen toxisch für Mensch, Tier und Pflanze.

Einlagerung für die Ewigkeit – das erinnert an die Problematik der Atommüllentsorgung. Umso unverständlicher, dass der (erst mit Tempo vorangetriebene, dann aber im Juni gescheiterte) Gesetzentwurf der Bundesregierung zur CO2-Speicherung vorsah, die Verantwortung für die unterirdischen CO2-Endlager bereits nach 30 Jahren von den privaten Betreibern auf die öffentliche Hand übergehen zu lassen. Der Energiewirtschaft war selbst das zu lange, sie insistierte auf einen 10-Jahres-Zeitraum; danach wären alle mittel- und langfristigen Verantwortlichkeiten für die Endlager dem Staat zugefallen und sämtliche Folgekosten der Allgemeinheit. So kann ein Entsorgungsmanagment, das Fundamente bauen soll, die Jahrtausende halten müssen, nicht aussehen.

Zweifelhafter Notnagel, nicht Zukunftstechnik

In summa bleibt festzuhalten: Große Euphorie gegenüber der CCS-Technologie ist fehl am Platze, denn der Fragezeichen sind zu viele. Allenfalls könnte sie in begrenztem Umfang als (teure)  Ergänzungstechnik für einen kurzen Übergangszeitraum bis zum unabwendbaren Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung durchgehen. Das aber auch nur, wenn CCS nicht als Legitimation für  den weiteren Ausbau von Kohlekraftwerken missbraucht wird oder Finanzmittel und andere Ressourcen bindet, die für den Umstieg auf Energieeffizienz und regenerative Energien dringend benötigt werden. Bei einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden schon in der nächsten Generation und dem zu erwartenden Produktions- und Verbrauchswachstum geht das Zeitalter der fossilen Energieerzeugung zwangsweise dem Ende zu.

Es ist gegenüber den Folgegenerationen unverantwortlich, wider besseres Wissen und auch Können noch in der letzten Übergangsphase auf Techniken zu bauen, die die Öl- und Kohlereserven der Erde vollends plündern. Die den Kindeskindern zugleich ein zerrüttetes Klima und obendrein einen mit zweifelhaften Atom- und CO2-Endlagern vermüllten Untergrund hinterlassen, auf dem diese dann leben müssen wie auf einem Pulverfass.                                                                 Andreas Pecht



 
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