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2009-07-10 Analyse:

Im Nachgang zum G8-Gipfel von L'Aquila: Kleine Auswahl jüngerer Forschungsergebnisse zum Klimawandel

 

Schlechte Neuigkeiten von
der Klimafront

 
 
ape. Führende Industriestaaten und wichtige Schwellenländer haben sich  beim G8-Gipfel geeinigt, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Welch gewaltige Anstrengungen das erfordert, verdeutlichen neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Klimawandel. Die fanden allerdings im Schatten der Wirtschaftskrise während der vergangenen Monate eher wenig Beachtung.

 
Die Festlegung des G8-Gipfels auf das Zwei-Grad-Ziel ist ein Fortschritt.  Um es zu erreichen, sollen die CO2-Emissionen bis 2050 weltweit um die Hälfte reduziert werden. Die Absichterklärung von L'Aquila mag das Maximum des dort politisch Möglichen sein. Hinsichtlich der tatsächlichen Erfordernisse im Kampf gegen den Klimawandel sei sie allerdings unzureichend, monieren der UN-Generalsekretär und Umweltverbände.

Dies aus vielen Gründen. Einer davon lautet: Die Erklärung enthält keine Planungen für Zwischenziele  vor 2050. Ein anderer: Die Zielsetzung beruht auf Klimawandel-Prognosen, die schon wieder überholt sind. Wesentlich für den Erfolg von Klimaschutzmaßnahmen ist ihr rasches Wirksamwerden: Die Zuwachsraten des globalen CO2-Ausstoßes müssen sofort kleiner werden, der Zuwachs muss noch vor 2030 gestoppt sein, der Rückbau dann zügig vonstatten gehen. Sollte dieser Prozess erst 2030 oder 2040 in Gang kommen, würde die Ökosphäre  bis dahin mit so viel CO2 überschwemmt, dass eine Halbierung der Emissionen 2050 auf keinen Fall genügen würde, das Zwei-Grad-Ziel zu schaffen.

Mehr CO2 denn je

Viele Wissenschaftler sind schon jetzt überzeugt, dass dieses Ziel sowieso nicht mehr zu erreichen ist. Der im Februar 2009 veröffentlichte aktuelle Sachstand des Weltklimarates IPCC stellte fest, dass der weltweite CO2-Ausstoß zwischen 2000 und 2007 dreimal so schnell angestiegen ist wie im Jahrzehnt davor. Die Werte liegen weit oberhalb dessen, was der Klimabericht 2007 für möglich gehalten hatte. Weshalb selbst dessen extremste Prognosen zu kurz greifen dürften.

Dieser Befund wurde Mitte Juni durch die Studie einer Forschergruppe um Nicolas Stern und Hans-Joachim Schellnhuber gestützt. Danach lag 2007 die Konzentration sämtlicher Klimagase in der Außenluft bei über 460 ppm und damit bereits über jenem 450-ppm-Wert, bei dem noch eine Chance von 50:50 bestehe, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Bereits im März überraschte eine Studie der Forschungsinitiative Global Carbon Project (GCP) mit dem Fakt, dass wider alle Erwartung trotz rückläufigen Wirtschaftswachstums 2008 die atmosphärische CO2-Konzentration ungebremst zugenommen habe.

Nach jüngst von der Station Mauna Lao auf Hawai gemessenen CO2-Konzentrationen, scheint dieses Phänomen anzuhalten. Bei vorherigen Wirtschaftskrisen konnte die Station sehr schnell relative CO2-Absenkungen notieren. Nicht so diesmal. Die Ursachen sind noch unklar. Entweder ist der Rückgang der Wirtschaftsproduktion weltweit weniger stark als angenommen. Oder es bewahrheitet sich die Befürchtung von GCP-Direktor Pep Canadell, dass die natürlichen Kohlendioxid-Speicher Meer und Wald gesättigt sein könnten. In den letzten Jahren hatten diese „Kohlenstoff-Senken“ noch 54 Prozent des zivilisatorischen CO2 absorbiert.

Wenig beruhigend sind auch jüngste Forschungsergebnisse über die Entwicklungen in den Polar-Regionen. Das Eis in der Arktis nimmt dramatisch ab. Erstmals waren im Sommer 2008 die Nordost- und die Nordwestpassage gleichzeitig schiffbar. Ausgewertet wurden jetzt auch Messdaten von NASA-Satelliten über die Dicken des arktischen Eises. Ergebnis: Das Eisvolumen ist seit 2004 um 57 Prozent gesunken. Ins Bild passen Beobachtungen einer russisch-schwedischen Expedition, wonach neuerdings vom Grund des Meeres vor Sibirien große Mengen des Klimagases Methan aufsteigen. Ins Bild passen auch die Resultate einer neuen Analysemethode auf Basis versteinerter Algen. Danach war die globale CO2-Konzentration über die vergangenen 2,1 Millionen Jahre fast stabil, sprang aber in industrieller Zeit um 40 Prozent über den historischen Durchschnitt.

Auch der Südpol wird wärmer

Galt bislang die Südpol-Region als weitgehend resistent gegen die globale Erwärmung, so ist dieser Trost mit der Vorstellung der Forschungsergebnisse Eric Steigers von der Universität Seattle im Januar hinfällig geworden. Seine  Zusammenführung langjähriger Messreihen von antarktischen Bodenstationen sowie von Satelliten kommt zu dem Ergebnis: Entgegen  bisheriger Annahme wurde es auch in der Antarktis über die letzten 50 Jahre immer wärmer – im Westteil um 0,17 Grad pro Jahrzehnt, im Osten um 0,10 Grad.

Das Abschmelzen der polaren Eismassen schreitet viel schneller voran als bislang erwartet. Ebenso verhält es sich mit den alpinen Gletschern. Forscher der Technischen Hochschule Zürich errechneten soeben, dass das Volumen der 59 größten schweizer Gletscher seit 1999 um zwölf Prozent abgenommen hat. Das deckt sich mit  Daten des  Eisforscher-Verbundes World Glacier Monitoring Service über die Entwicklung der Gletscher weltweit. Wobei es regional einige wenige gibt, die aus der Reihe tanzen und aus noch nicht verstandenen  Gründen sogar  wachsen.

Die paar Ausreißer entschärfen indes die generelle Problemlage so wenig wie die jüngst aufgekommene Vermutung, dass die gegenüber dem Nordpol etwas langsamere Erwärmung des Südpols vom Ozonloch herrührt. Und leider: Weder lässt sich Klimaschutz herbeirechnen, noch legt  der Klimawandel wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise eine Pause ein.    Andreas Pecht


(Erstabdruck Woche 29 im Juli 2009)


Klimawandel, G8-Gipfel Italien, jüngere Forschungsergebnisse
 
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