Kritiken Musik
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2009-07-05 Konzert-Kurzkritik:

SWR-Vokalensemble und Les Cornets Noirs bieten bei Festival RheinVokal faszinierendes Klangerlebnis

 

Stereoeffekte aus dem Mittelalter

 

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OBERWESEL. In einer  Kirche aus dem 14. Jahrhundert wird Musik des 17. Jahrhunderts auf historischen Instrumenten und mit Gesang konzertiert. Verblüffendes Erlebnis in Liebfrauen zu Oberwesel beim Konzert „Schütz und Mendelssohn“ des Festivals RheinVokal: Die Symphoniae Sacrae III von Heinrich Schütz wartet dort mit Stereo- und Quattrophonie-Effekten auf, wie sie moderne Technik kaum raffinierter hinbekäme.

Woher der faszinierenden Raumklang? Frieder Bernius dirigiert einen hochkarätigen Musizierapparat aus SWR Vokalensemble Stuttgart und dem kleinen, auf Frühbarock spezialisierten Orchester Les Cornets Noirs. Die Aufstellung ist dreigeteilt: Mittig vor dem Altar die Mehrzahl der Instrumentalisten sowie die sechsstimmige Gruppe der Gesangssolisten. In einiger Entfernung ist an beiden Seiten des Kirchenraumes je noch eine Formation aus Choristen und weiteren Musikern positioniert.

Schütz' Vertonung biblischer Texte stellt ein komplexes Wechselspiel dar zwischen solistischer Deklamatorik, orchestraler Nachzeichnung des textlichen Gehaltes und auftrumpfendem Verschmelzen der von drei Seiten heranströmenden Klangelemente. Bewegende Kontrase, wenn etwa beim Psalm „Es ging ein Sämann aus“ ins lyrische-inbrünstige Erzählen der Solisten mit Macht im Tutti die Forderung einbricht: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“

Weil an den SWR-Chor seit Jahrzehnten zurecht stets die allerhöchste Messlatte angelegt wird, muss  diesmal die Frage erlaubt sein: Hätte man die Partien der Gesangssolisten nicht besser mit externen Spezialisten für Alte Musik statt Chormitgliedern besetzt? Deren Leistungen sind fabelhaft. Doch zur sonstigen Weltklasse des Chores fehlt ein Quäntchen Fülle in den Tiefen, ein Kick  Strahlkraft in den Höhen.

Dennoch darf diese Realisierung des Schütz-Werkes als Erleben mittelalterlicher Musikkunst bilanziert werden, wie man es nicht alle Tage geboten bekommt. Gleiches gilt für das zweite Werk in Oberwesel: Arnold Mendelssohns „Deutsche Messe“ von 1923. Viele Musikfreunde haben das Stück für achtstimmigen Chor noch nie gehört – und etwas verpasst. Das Werk wandelt auf den Spuren Bachs, nutzt aber ausdrucksstark die seither erweiterten harmonischen Möglichkeiten, ohne freilich die Grenze zur Atonalität des 20. Jahrhunderts zu überschreiten. Hinreißend.
                                                                                        Andreas Pecht 

(Erstabdruck am 6. Juli 2009)
 
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