Thema Menschen
Thema Kultur / Theater
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2009-05-29 Feature:

Der neue Intendant Markus Dietze und seine Mannschaft stehen in den Startlöchern


 
Stadttheater Koblenz zurück auf Anfang

 
ape. Koblenz.  Es gibt im großen Kreis der langjährigen Besucher des Koblenzer Theaters nicht wenige, die freuen sich wie Schneekönige auf die kommende Spielzeit 2009/2010. Diese Freude hat vielerlei Gründe, sie alle aufzudröseln, wäre jetzt und hier müßig. Einer jedoch lohnt die nähere Beschau, er steht im Zentrum: Neugierde –  auf neue künstlerische Handschriften, neue Bühnenakteure und vor allem einen Spielplan, wie an diesem Haus seit Menschengedenken keiner gestrickt worden ist. Nicht unter Hannes Houska, nicht unter Georges Delnon, nicht unter Annegret Ritzel. Deren designierter Nachfolger Markus Dietze hat ein Programm mit 20 Premieren angekündigt. Die Mehrzahl davon wird Werke vors Publikum bringen, die nicht dem Fundus wohlbekannter Bühnen-Hits entliehen sind. Stücke aus der Moderne und der klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts überwiegen; darunter vier Uraufführungen, zusammen mit den beiden Balletten sogar sechs.


 
DIn mehr als 20 Jahren Kritikerdienst hatte der Autor fürs Koblenzer Theater stets Spielpläne vor sich, in denen ihm allenfalls zwei oder drei Positionen unbekannt waren. Diesmal sind es gleich neun. Ein guter Grund, auf die Saison gespannt zu sein wie ein Flitzebogen! Ja, natürlich, innovative Planung sagt noch gar nichts aus über die Qualität ihrer Umsetzung. Ja, natürlich, im Theater entscheidet sich letztlich ALLES auf der Bühne. Dass sie als Programmgestalter mutig, innovativ, interessant sind, haben sie jetzt bewiesen. „Sie“, das sind: Intendant Dietze und die Koblenz-Neulinge Enrico Delamboye (Musikdirektor), Gabriele Wiesmüller (Operndirektorin), Anne Riecke (Schauspieldirektorin) sowie der Koblenz-Veteran Anthony Taylor (Ballettdirektor). Ob sie als Künstler an Regie- und Dirigierpult ordentlich was drauf haben, ob sie bei der Rekrutierung von Schauspielern und Sängern in den zurückliegenden Monaten, Wochen, Tagen ein glückliches Händchen hatten, der Beweis dafür steht vor hiesigem Publikum noch aus.

Was Taylor kann, wissen wir; er ist nun schließlich im 27. Jahr Ballettchef am Ort. Wozu er vielleicht noch fähig ist  jetzt, da der neue Intendant ihm Luft lassen will, sich und die Compagnie  ganz auf die Ballettproduktionen zu konzentrieren , gehört zu den spannenden Fragen der kommenden Saison. Dass Delamboye und die Rheinische Philharmonie gut miteinander können, war wiederholt zu erleben bei „Schloss in Flammen“ zum Auftakt der Mittelrhein Musik Momente. Dass er auch als Operndirigent alles andere als von schlechten Eltern ist, konnte erfahren, wer ihn in den letzten Jahren an den Theatern Wiesbaden, Mainz oder Köln als Kapellmeister im Einsatz antraf. Von den anderen dreien wissen wir wenig, und eine Regiearbeit von ihnen hat bislang wohl auch noch keiner der Hiesigen gesehen.

Von Trier über Bayreuth und Stendal nach Koblenz

So stellt dieser Markus Dietze für Koblenz ein richtiges Überraschungspaket dar. Denn Stendal, wo er seit 2002 erst Oberspielleiter, dann stellvertretender Intendant am Theater Altmark war, schließlich bis in diese Tage Chefverantwortung trägt, dieses Stendal ist weit. Aber im Umfeld des Stadttheaters Trier erinnern sich ein paar ältere Kollegen an ihn als „aufgewecktes Kerlchen“, das dort 1989 bis 91 allererste Erkundungsschritte ins Regiefach machte und in späteren Jahren auch mehrfach als Gastregisseur arbeitete. Dietze ist zwar gebürtiger  Schwabe, wuchs aber vom zweiten Lebensjahr an in der moselanischen Römerstadt auf. Mitte 1991 brachte ihn der Zivildienst nach Hamburg, wo er anschließend sein Studium im Fach Schauspiel-Regie aufnahm und auch gleich eine Theatergruppe ins Leben rief. Auf das Examen folgten Jahre als freier Regisseur, als Produktionsleiter für das „Young Directors Project“ bei den Salzburger Festspielen. Jürgen Flimm holte ihn als ersten Regie-Assistent für seine Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ nach Bayreuth. Dann Stendal, jetzt Koblenz.

Mit 37 ist er einer der jüngsten Theaterintendanten Deutschlands. Dennoch weiß Dietze sehr gut, dass es im großen Kreis der langjährigen Besucher des Theaters Koblenz auch nicht wenige gibt, die dem neuen Spielplan skeptisch, einige gar mit gerümpfter Nase begegnen. So viel Gegenwartskunst, so viel Unbekanntes: Was dem einen Teil des Publikums Anlass für neugierige Gespanntheit ist, löst beim anderen Teil eher Befremden aus. Weshalb der Intendant immer wieder unterstreicht: „Wir wollen mit dem Publikum intensiv ins Gespräch kommen. Wir wollen vermitteln, was an den ausgewählten Stücken so interessant, spannend, gut ist. Wir wollen erklären,  warum wir von den Stücken überzeugt sind.“

Vermittlungsoffensive Richtung Publikum

Zu den zentrale Elementen dieser „Vermittlungsoffensive“ gehört das Angebot von Werkeinführungen vor fast allen Vorstellungen, gehören regelmäßige Publikumsdiskussionen, eine erweiterte Theaterpädagogik (auch für Erwachsene) und eine attraktive Theater-Publizistik. Zu dieser Linie passt die Ästhetik des unlängst präsentierten neuen Spielzeitheftes: handlich, aufgeräumt und die Künstler unverkünstelt als zugängliche Menschen vorstellend. Die Grundgeste des Heftes signalisiert: Dies Theater lädt jedermann/-frau ein und geht auf jedermann/-frau zu. Von Gleichgültigkeit gegenüber dem Publikum, wie sie zu allen Zeiten jungen Theatermachern vorgeworfen wurde, also keine Spur. Allerdings ebenso wenig ein Kniefall vor dem Gefälligkeitsprinzip.

Dietze und Mannschaft bauen auf die Aufgeschlossenheit und Begeisterungsfähgigkeit nicht zuletzt jener Theaterbesucher, die sich als Abonnenten oder sonst passionierte Theatergänger seit Jahr und Tag mit der Bühnenkunst auseinandersetzen. „Wir müssen es gut machen, müssen Qualität auf die Bühne stellen, das ist letztlich entscheidend“, sagt der Mann, den hohe Stirn und Nachdenklichkeit ebenso auszeichnen wie jugendliche Munterkeit und ein kräftiger Schlag natürlichen Humors. Er sagt auch: „Man soll das Theaterpublikum nicht unterschätzen.“ Der Amtsantritt neuer Intendanzen ist stets ein Aufbruch zu neuen Ufern. Das war nach Hannes Houska bei Georges Delnon so, nach Delnon bei Annegret Ritzel; das wird nun nach zehn Jahren Ritzel auch bei Markus Dietze so sein. Spannende Zeiten, beginnend am 18. September mit der Premiere von Alban Bergs Oper „Wozzeck“.
                                                                                       Andreas Pecht



(Erstabdruck Woche 22 im Mai 2009)

 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken