Kritiken Theater
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2009-05-26 Schauspielkritik:

Hochgelobte Münchner Inszenierung von Andreas Kriegenburg zu Gast bei Wiesbadener Maifestspielen


Kafkas "Prozess" im Auge des Theaters

 
ape. Wiesbaden. 

Ein Stoff, aus dem Albträume sind: Du bist verhaftet, dir wird der Prozess gemacht – von einem Gericht, das du nie zu Gesicht bekommst, an Orten, die du nicht kennst, wegen einer Anklage, von der du nichts weißt, nach Regeln, die du nie durchschaust. Eine anonyme Maschinerie hat sich deiner bemächtigt. Kein Taktieren und Argumentieren, kein Strampeln, Schreien, Weinen hilft: Nach einem Jahr wirst du hingerichtet, ohne zu wissen wie, wo, warum, von wem, wozu.  Der Stoff , das ist Franz Kafkas unvollendeter Roman „Der Prozess“, von Andreas Kriegenburg 2008 für die Bühne der Münchner Kammerspiele eingerichtet. Die zum Berliner Theatertreffen eingeladene Inszenierung machte jetzt für zwei Abende bei den Maifestspielen Wiesbaden Station und nachhaltigen Eindruck. 

 

Kriegenburgs Bühne ist ein Ort des Surrealen. Eine Wand nimmt, nach hinten ausgestülpt, die Form eines Auges an. Die Pupille darin ist eine senkrecht stehende, rotierende Spielfläche, daran Stühle, Tische, Bett pappen. Zwischen denen agieren die acht Mimen, als würden die Gesetze der Schwerkraft für sie nicht gelten.


Überhaupt ist in dieser kafkaesk-kriegenburgschen Welt kaum etwas wie in der unsrigen. Den verhafteten Herrn K. und manch andere Figur auch spielen viele: mal drei, mal fünf, mal alle acht, Weiblein und Männlein in den gleichen schwarzen Anzügen steckend, die gleiche Frisur und den gleichen aufgemalten Schnauzer tragend. Klone mit kleinen Unterschieden nach Größe und Ausdrucksweise; absurde Erscheinungen, die nicht zufällig an Stummfilmkomiker erinnern - wie sie da in serieller Choreografie dem traumatischen Romantext Kafkas eine noch irrwitzigere Bildpoesie beigesellen.


Die Inszenierung spielt mit der galligen Komik des Absurden. Slapstick, kabarettistische Zeichnung, künstlich, aber kunstvoll vereinheitlichte Sprechweise begleiten die multiplen Protagonisten auf ihrem Weg durch das streng einer eigenen, undurchschaubaren Logik folgende System. Text, Bilder, Spiel sind nicht von dieser Welt, haben aber doch, wie jeder Traum auch, stets irgendwie mit ihr zu tun. Die Selbstverständlichkeit, mit der nicht greifbare Allmacht das Individuum zur Ohnmacht verdammt, macht diese drei Theaterstunden humorig und beklemmend zugleich.


In der fast beiläufigen Intensität der Umsetzung durch das acht-köpfige Ensemble manifestiert sich Schauspielkunst von höchsten Graden. Diese provoziert ein Gefühl, das noch ärger ist, als jener Albtraum es wäre: Zuzusehen, wie anderen armen Kerls solches widerfährt, ohne eingreifen zu können.       Andreas Pecht


(Erstabdruck am 27. Mai 2009)


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