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2009-05-18 Schauspielkritik:

"John Gabriel Borkmann" von Ibsen in Bonn (Kammerspiele Godesberg). Regie: Maaike van Langen


Wie die aktuelle Krise des Zusehers Blick auf einen Klassiker verändert
 
 
ape. Bonn.  Krise, Krise, Krise. Wer meint, ihr im Theater zu entkommen, liegt falsch. Sie ist auch auf den Bühnen allgegenwärtig – ohne dass sich Theatermacher um Aktualisierungen eigens bemühen müssten. Selbst wo alte Stücke bleiben, was sie waren: Die Gegenwart hängt sich wie eine Klette daran, deutet um, gewichtet neu. Wie die Krise die Weltsicht  verändert, so den Blick aufs Bühnengeschehen. Dies widerfährt derzeit in den Kammerspielen Godesberg Henrik Ibsens Schauspiel „John Gabriel Borkmann“.
 

Ein Stück von 1896. Gespielt, wie man es vor Jahren auch schon hat spielen können: als zeitlos-abstraktes Kammertheater, radikal konzentriert auf die Seelentragödien. So hat es Maaike van Langen sorgsam auf die mit Holzparkett ausgekleidete Leer-Bühne von Andreas Freichels inszeniert. Ebenso sorgsam wird es vom siebenköpfigen Ensemble in fein portionierter Intensität umgesetzt. Am Ende schlägt das Parkett zwischen ein paar Stahlträgern Wellen: verrottendes Überbleibsel von Spekulantenträumen. Mittendrin Borkmann. Einst allmächtiger Bankdirektor,  Wohlstands-Messias; dann Zocker, Veruntreuer Bankrotteur, Geächteter. Zuletzt ein Häuflein toten Fleisches, hingerafft von profanem Herzversagen.

Bis neulich betrachtete man das psycho-tragische Dreieck zwischen Borkmann, seiner Gattin Gunhild und seiner früheren Liebe Ella, Gundhilds Schwester, als Angelpunkt des Stückes.
Die jüngste Realität verschiebt das Interesse auf einen anderen Aspekt: Was trieb den Mann,  ihm anvertraute Vermögenswerte in hochspekulativen Geschäften zu riskieren? Bernd Brauns Umsetzung der Titelrolle lässt sich abgründig auf diese Frage ein. Keine Spur von primitiver Geldgier. Persönlicher Reichtum war dem Banker mehr Mittel zum Zweck denn Zweck.

Woran er leidet nach dem Bankrott, ist: Dass die Zeitgenossen sein" Genie", seine "Einzigartigkeit" nicht mehr erkennen; dass sie ihm verwehren, die Welt voran zu bringen, sie reich zu machen - sie zu beherrschen. In Brauns Spiel verzweifelt der große Borkmann am Kleingeist der Menschen, die über ein paar verlorene Spargroschen jammern, mit denen er Milliarden-Investitionen zum Wohle aller hätte bewegen können. Gipfel der Ironie in seinen Augen: Eine „Weibergeschichte“ hat sein Finanz-Konstrukt auffliegen lassen.

Wie Borkmann am Verlust der Macht leidet, so Gunhild am gesellschaftlichen Absturz, so Ella daran, dass er ihre Liebe für einen Finanzcoup geopfert hat. Susanne Bredehöft (Gunhild) stakst verbiestert  durch die Szenerie. Ein rachsüchtiges Gespenst, das den Sohn Erhart bloß als Werkzeug zur Wiederhestellung einstigen Glanzes instrumentalisieren will. Anke Zillich gibt eine verbitterte Ella, die Erhart als Trost für ihre letzten Tage vereinnahmen möchte.

Der junge Mann verweigert sich Vater, Mutter und Tante. Er will sein Leben nicht an den Wahn der Gescheiterten vergeuden. Und unser Mitleid mit den alsbald vom Zögling Verlassenen hält sich in Grenzen. Warum Arne Lenks Frisur hälftig aus Hitler-Scheitel und Neo-Glatze besteht, warum Bredehöft ein Geweih auf dem Kopf trägt, das bleibt rätselhaft in der ansonsten angenehm unmanierierten Zweistunden-Inszenierung.                                        Andreas Pecht

Infos: www.theater-bonn.de 



(Erstabdruck am 19./20. Mai 2009)


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