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2009-05-08 Hintergrund:

Veranstaltung der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (Zirp) im Arp-Museum

 

"Kultur- und Kreativwirtschaft" ist heute ein ökonomischer Gigant

 
ape. Rolandseck. Der in den späten 1980ern aufgekommene Trend, Kultur und Künste als ökonomischen Standortfaktor zu werten, hat ein neues Stadium erreicht. Sie werden nunmehr unter dem Begriff "Kultur- und Kreativwirtschaft" als eigenständiger Wirtschaftszweig verstanden. Ein Zweig von immensem gesamtwirtschaftlichen Gewicht, wurde jetzt bei einer Veranstaltung der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (Zirp) deutlich.
 
Es sind zuvorderst die Zahlen, die das Publikum im Arp-Museums Rolandseck staunen machen. 3,3 Milliarden Euro Umsatz generiere die Kultur- und Kreativwirtschaft allein in Rheinland-Pfalz, erklärt eingangs Ministerpräsident Kurt Beck. Zirp-Vorsitzender Harald Schwager weist der Sparte mit 132 Milliarden Gesamtumsatz und rund einer Million Beschäftigten bundesweit gar den dritten Platz unter den Wirtschaftsbranchen in Deutschland zu. Karin Drda-Kühn vom Verein Kultur und Arbeit stellt eine Berechnung vor, wonach allein die Kulturerbe-Bewirtschaftung EU-weit 300 000 Menschen direkt beschäftigt und Arbeit für weitere acht Millionen externe Dienstleister mobilisiert.

Kaum einer der versammelten Unternehmer, Politiker, Hochschulprofessoren, Vertreter von Wirtschaftskammern, ja nicht einmal die kleine Gruppe der anwesenden Kulturschaffenden selbst, hätte mit derartigen Dimensionen gerechnet. Plötzlich beanspruchen Musik, Literatur, Theater, Bildende Kunst, Film, Design, Archäologie Kulturerbepflege und Co. als Wirtschaftsbranche einen Platz inmitten der Elefantenrunde aus Automobil-, Chemie- oder Energiewirtschaft.

Woher so plötzlich dieses Gewicht? Ein von unserem Kulturchef Claus Ambrosius moderiertes Podiumsgespräch erhellt: Man hat bis vor Kurzem einfach nicht richtig hingeschaut, zumal in Deutschland. Erst allmählich greife auch hier um sich, was in Großbritannien und Skandinavien seit zehn Jahren Usus ist: Systematische Erforschung, Entwicklung und Vernetzung der Potenziale innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie mit anderen Branchen. In Großbritannien gelte das als "nationale Aufgabe"; international sei man überzeugt, dass die Kreativbranche "eine entscheidende Rolle bei der Gesundung der Weltwirtschaft spielen kann", so Drda-Kühn.

Der Abend unter dem Titel "Kreativität und Innovation. Erfolgsfaktoren für Rheinland-Pfalz" ist Auftakt einer Reihe konkretisierender Veranstaltungen 2009 und 2010. Spätestens dort wird dann auch jene Skepsis zu diskutieren sein, die von der Kunst-Seite her bleiben muss.

Etwa ob es sinnvoll ist, die klassischen und modernen Künste mit Funk und Fernsehen, gar mit der Entwicklung von Computer-Software und Elektronik-Spielen in einen Topf zu werfen. Ob nicht die Gefahr besteht, dass die Kunst als Wert an sich auf der Strecke bleibt, wenn sie vermehrt in die Rolle des Ideengebers für die Wirtschaft schlüpft. Ob diverse Künste sich nicht überhaupt von ihrer Bedeutung fürs menschliche Dasein entfremden, wenn sie sich als Partner von Industrie, Touristik, Werbung immer intensiver auf vornehmlich marktorientiertes Denken und Handeln einlassen.

Die innovativen Potenziale und die geldwerten Chancen einer fortschreitenden Vernetzung zwischen Kultur und Wirtschaft liegen beiderseits auf der Hand. Die Gefahren für den Selbstwert der Kunst und deren geistig-seelischen Wert für die Gesellschaft sind indes ebenso wenig von der Hand zu weisen. Humanistisches Kunstverständnis und pragmatisches Wirtschaftsstreben werden noch manchen Strauß miteinander auszufechten haben.

Interessanterweise sind es in Rolandseck Politiker, die deshalb trotz aller Sympathie für die neue Denke über "Kultur- und Kreativwirtschaft" Mäßigung bei der Ökonomisierung der Kunst anmahnen. Kurt Beck: "Wir dürfen und wollen die Kultur nicht nur wirtschaftlich sehen." Kulturministerin Doris Ahnen: "Die Kunst darf nicht unter ökonomischen Legitimationsdruck geraten."
                                                                                     Andreas Pecht

(Erstabdruck 8. Mai 2009)



 
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