Kritiken Theater
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2009-05-01 Schauspielkritik:

Pirandellos „Sechs Personen suchen einen Autor“
in Mainz: Intellektuelles Vergnügen ohne Effekthuberei

Schauspieler treffen ihre Rollen

 
ape.Mainz.  Die Stücke des Italieners Luigi Pirandello (1867-1936) waren in den 1920ern  allgegenwärtig am Theater. Heute sind sie seltener Gast auf den Schauspielbühnen. Leider, wie „Sechs Personen suchen Autor“ jetzt im Großen Haus des Mainzer Staatstheaters zeigt. Felix Prader hat das Drama von 1921 unter Verzicht auf jedweden Gespenstereffekt als quasi-realistisches Schauspieler-Theater inszeniert. Zu erleben ist während zwei Stunden ein raffiniert konstruiertes Stück, das optisch unspektakulär, aber bravourös über Möglichkeiten und Grenzen der Theaterkunst philosophiert.
 
Auf die Bühne hat Werner Hutterli eine nackte Bühne gebaut. Dort wird ein Stück gegeben, das Theaterprobe spielt, in die sich Protagonisten aus einem weiteren Stück hineindrängen. Klingt komplizierter als es in Mainz ist. Mit dem alltäglichen Tohuwabohu von Einsprechen, Aufwärmen, Herumzicken sammelt sich ein munteres Ensemble um seinen  Theaterdirektor zur Arbeit. Bevor die richtig losgeht, mischen sich sechs seltsame Menschen unters Bühnenpersonal: fünfe in Trauerkluft, dazu ein Kind in Unschuldsweiß.

Die Störenfriede insistieren, der Direktor möge ihre Geschichte zum Drama formen. Also erzählen sie – und lassen eine Familientragödie aufscheinen, die irgendwann stattgefunden hat und doch während des Erzählens erneut durchlebt wird. Die Sechs sind, wird klar, Manifestationen von  Stückfiguren.

Die ewige Tragödie dieser real gewordenen Ideen wird von den Theaterkleuten als Stoff aufgegriffen, den es nach allen Regeln der Dramatik durchzuformen gilt. Doch in dem, was die wirklichen Schauspieler daraus machen, erkennen die Figuren sich nicht wieder, geben deshalb Contra, protestieren.  So handelt denn dieser Abend im Kern von der Spannung zwischen dem, was eine Rolle ist oder sein kann, und dem, was das Theater daraus macht.

In Praders Regie stehen nicht die beiden Gruppen gegeneinander, sondern nähern sich Schauspieler beobachtend den ihnen zugedachten Figuren. Das lässt die Personalaufstellung oft diffus wirken, ist aber doch stimmig: In vielerlei kleinen, wortlosen Interaktionen scheinen Aspekte der Beziehung des Schauspielers zur Rolle auf – Unsicherheit, Neugierde, Zuneigung, Widerwille.

Diese Mechanismen verdichten sich auf den zentralen Positionen. Auf Seiten der Schauspieltruppe liefert Michael Schlegelberger einen  schön zwischen profanem Theaterpragmatismus und künstlerischer Neugierde gespaltenen Direktor. In der Figurengruppe gestalten Marcus Mislin und die bald nach Zürich wechselnde Julia Kreusch eine hochdramatische, aber in ihrer Ambivalenz fein ausbalancierte Konfrontation zwischen Vater und Stieftochter. „Sechs Personen suchen einen Autor“: In Mainz ein intellektuelles Vergnügen mit Anrührungsfaktor, frei von wohlfeiler Effekthuberei.                                              Andreas Pecht


(Erstabdruck am 2. Mai 2009)

Infos: www.staatstheater-mainz.de


Staatstheater Mainz, Kritik, Pirandello "Sechs Personen suchen einen Autor", Regei: Felix Prader


Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken