Kritiken Theater
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2009-03-08 Ballettkritik:

Programm XXIX beim ballettmainz: Erinnerungen an Balanchine, Uraufführungen von Martin Schläpfer und Regina van Berkel

Tanzkunst zwischen gestern
und morgen
 

ape. Mainz.  
Ein paar Wochen noch, dann wird Martin Schläpfer mitsamt  Compagnie von Mainz nach Düsseldorf wechseln. Am  Samstag präsentierte das  jetzige ballettmainz mit Programm XXIX seine vorletzte Premiere am rheinland-pfälzischen Staatstheater: Ein hochklassige Produktion zwischen Tradition und zeitgenössischer Avantgarde der Ballettkunst.

Von da kommen wir, dorthin sind wir gegangen. Derart ließe sich der dreiteilige Tanzabend im großen Mainzer Haus charakterisieren, der mit zwei Choreographien von George Balanchine aus den 1960ern anhebt.  „Tchaikovsky Pas de deux“ und „Tarantella Pas de deux“ sind Stücke für Virtuosen des klassischen Figurenrepertoires. Ja, so war das einmal, denkt der Betrachter: Technisch enorm schwer und  in seiner Grazie hübsch anzuehen, weil hier teils sehr gut getanzt. Aber rührt es uns Heutige noch an? Kaum.

 Wie anders  wirkt da die  Uraufführung von Martin Schläpfers „Sinfonien“ zur extrem reduzierten Musik von Wilhelm Killmayer aus dem Jahr 1968. Schwebende Töne, manchmal nur einer; verharrende Klänge, selten opulent.  Impressionen zwischen Beisichsein und Verlorenheit, die von vier Tanzpaaren aufgegriffen werden. Auch deren Bewegungen sind extrem reduziert. An die Stelle rasch fließendes Tanzs treten in präziser Gleichzeitigkeit langsam aufgebaute und lange gehaltene Einzelfiguren.

Anfangs überwiegt Eleganz auf Spitze, nachher  Erdverbundenheit auf Sohle: Die Akteure stellen die Füße gerade und so weit auseinander, wie ihre Schultern breit sind. Das schafft robusten, fast bäuerischen Körperausdruck. Dazu passen vage an alpine Trachten erinnernde Kostüme (Catherine Voeffrays) und die Müdigkeit, mit der diese Menschen schließlich ihre Füße in Wasserbottichen laben. Da fließen die ewige Anstregnung der Balletttänzer und die Maloche der Bauern aus Schläpfers Heimat Appenzell im Sinnbild erschöpften Feierabends zusammen. Vielleicht erst auf den zweiten Blick erschließt sich die alltagstief menschliche Dimension von „Sinfonien“.

Einen dritten und vierten Blick bräuchte es wohl, um die ganze Vielschichtigkeit von Regina van Berkels Choreographie „Memory of a Shape“ zu ergründen. Die abschließend uraufgeführte Arbeit der ehemaligen Forsythe-Tänzer zur Fractal-Symphony von Theo Verbey wurde vom Publikum gefeiert.

Fast klassisch ist die Grobstruktur. Mit hochsinnlichem Pas de deux wird eine zentrale Heldin eingeführt  (Marlùcia do Amaral). Darauf folgen Ensembel-Passagen, die bald in tausenderlei Parallelaktionen das Ringen von Paaren oder dynamische Skulpturenbildung von Gruppen zeigen. Die Choreographie schließt mit einem nächtlichen Ballett blanc: In weißen Gefiederkostümen greift die Compagnie vorherige Tanzelemente auf und variiert sie zum prächtigen Finale. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass die Tänzer des ballettmainz zurecht alle Soloverträge haben: Auf sämtlichen Positionen wird Beachtliches  geboten.

Dies ist der erste Eindruck von einem Ballett, das unter Wolkengebilden aus weißen Tafeln klassische und moderne Bewegungsformen zu einem schier endlosen Fluss verwebt.  Einem Fluss, der indes hintergründiger Ordnung folgt: der mathematischen Konzeptstruktur von Verbeys Kompostion. Nicht nur hierbei leistet das Orchester des Staatstheaters  unter Catherine Rückwardt  vorzügliche Arbeit.                Andreas Pecht

INFOS: www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck am 9. März 2009)



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