Kritiken Theater
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2009-02-02 Schauspielkritik:

"Eines langen Tages Reise in die Nacht" von Eugene O'Neill in Bonn. Regie: Ingo Berk


Vom Gegenteil der familiären Glücksverheißung
 
ape. Bonn.  Der Kalender gibt keinen Anlass für besondere Würdigung des US-Dramatikers Eugene O'Neill: Seine Geburt liegt 120, sein Tod 55 Jahre zurück. Und doch mag in dieser Saison kaum ein Theater der Umgebung auf sein Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ verzichten. Nach Frankfurt, Wiesbaden und Mainz haben jetzt zeitgleich auch Trier und Bonn den  Vierakter auf die Bühne gebracht. Wir sahen in der Schauspiel-Halle Bonn-Beuel einmal mehr, wie die Familie Tyron an sich selbst zerbricht.


Erklärbar ist die aktuelle Vorliebe der Theater für das Werk aus dessen Blick auf die Kräfte der Selbstzerstörung, die hinter  familiärem Glücksversprechen lauern. Das Heim der Tyrons ist in Bonn ein großer Lattenverschlag mit Treppe ins Obergeschoss. Dort werden  hinter den Latten Schminkspiegel erkennbar, während den Raum unten abgewetztes Sofa und alter Fernseher möblieren (Bühne: Damian Hinz).

Heimelig ist in diesem Schauspielerhaus gar nichts. Das Hausmädchen serviert Dosen-Cola, China-Food und Pizza aus dem Karton. Mutter Mary hängt an der Morphium-Nadel, ihr Mann James sowie die beiden Söhne James jr. und Edmund halten' s mit der Wiskey-Flasche. Fünf kurze Minuten blitzt  Hoffnung auf: Mary möge geheilt von einer Entziehungskur zurückgekehrt sein. Fehlanzeige – mit ihrem Rückfall stürzt die Familie erneut ins Hamsterrad der Hoffnungslosigkeit. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, endet im Komasaufen der Männer und in der völligen Entrückung der Frau.

Was macht Regisseur Ingo Berk in Bonn anders als seine Kollegen etwa in Wiesbaden und Mainz. Er durchbricht immer wieder demonstrativ den realistischen Tenor des Stückes: Mehrfach tritt sein Personal aus der Rolle. Wer hat Schuld am Elend der Familie?  Sohn Edmund verweist auf den Geiz des Vaters - und Volker Muthmann zerrt Rolf Mautz ins Scheinwerferlicht eines Tribunals vor dem Publikum. Für die Rechtfertigungsrede des Alten kehren beide dann  in die Story zurück.

Diese Art des Wechselspiels schafft eine beklemmende Unmittelbarkeit. Mautz lässt seinen James auf den Rängen Autogrammkarten verteilen, derweil er  angewidert mit sich selbst ins Gericht geht – mit dem Schauspieler James, der aus Geldgier die Kunst für Geld verraten hat. Das Leben lief einfach falsch, wie beim Rest der Familie auch, deren Alltag von Schuldzuweisungen eines jeden gegen jeden zersetzt wird.

Tanja von Oertzen bleibt beim Wechselspiel außen vor. Sie konzentriert ihre Mary aufs Abdriften in den Morphium-Rausch. Sehr genau setzt sie Fahrigkeiten im Körperausdruck, überdrehtes Plappern, Lauschen auf innere Stimmen. Eine Gestalt, verloren zwischen Himmel und Hölle. Opfer und zugleich Zerstörer ihrer Familie - wie der Mann, wie die Söhne auch.

Alle lieben und alle hassen einander. In diesem Sinne nimmt sich am Ende James jr. den todkranken    Bruder vor. Doch die Prügel- und Geständnisorgie im Vollsuff zwischen Hendrik Richter und Muthmann  läuft der Regie aus dem Ruder. Wie schon in Mainz setzt sich maßlos entfesselter Darsteller-Übermut auf eine bis dahin zu feinsinniger Intensität gewirkte Inszenierung.
                                                                       Andreas Pecht

Info: www.theater-bonn.de                  

(Erstabdruck am 4. Februar 2009)


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